Resolut weist die Schlossherrin noch rasch Freundin Regine Sixt zwei freie Stühle zu, als bereits die ersten Klänge der Ouvertüre einsetzen. Gloria von Thurn und Taxis kommt etwas zu spät zu ihrem Platz. Und der Chefin des großen Mietwagen-Imperiums macht es auch nichts, diesmal ausnahmsweise mit Reihe drei Vorlieb nehmen zu müssen. Dabei sein ist schließlich alles, wenn die fürstliche Schirmherrin zum zehntägigen Stell-Dich-Ein in den Schlosshof bittet.
"Ich bin ja selber schuld, wenn ich zu spät komme", räumt Regine Sixt ein, der man aufgrund ihres grimmigen Blickes die gute Miene zum bösen Spiel nicht so recht abnehmen mag (Foto unten rechts). "Ich hätte vorher gern noch ein paar Worte mit Klaus Wowereit gewechselt." Berlins Regierender Bürgermeister ist begeistert von dem Spielort. "Das Schloss hat einen schönen Charakter und bietet ein einmaliges Ambiente für eine Oper." Zur Schlossherrin Gloria habe er ein gutes Verhältnis, er habe sie schon oft getroffen und bezeichnet sie als unkonventionellen Menschen.
In der Schlussszene ist sie die Chefin der "Außerirdischen" vom Planeten Transylvania und holt den "Schlossherrn" Frank'n Further wieder nach Hause. Ihr Sohn, Albert Fürst von Thurn und Taxis, hat noch keine rechte Vorstellung von dem Auftritt. "Aber ich bin gespannt, wie meine Mutter das macht", sagte er am Freitagabend am Rande der Premiere der Schlossfestspiele.
"La Traviata" muss zwar ohne Gloria von Thurn und Taxis auf der Bühne auskommen, dies tat der Qualität des Premieren-Programms aber keinen Abbruch. Die Solisten und der bis zu 50 Sänger starke Chor des Nationaltheaters aus dem tschechischen Brünn sind herausragend und werden trotz frischer abendlicher Temperaturen um kurz vor Mitternacht minutenlang gefeiert.
"Es ist schon faszinierten, dass man das Italienisch von tschechischen Künstlern besser versteht als wenn man Italienern in der gleichen Oper in Mailand zuhört", zeigte sich auch Horst Seehofer überrascht. Der Bayerische Ministerpräsident war am Premierenfreitag leider verhindert und konnte Verdi's Meisterwerk erst am Samstag abend verfolgen.
Ob Politiker aus Berlin oder Bayern - der eigentlicher Star beider Abende war jedoch das Schloss selbst. Kaum eine Oper passt so gut wie Verdis "La Traviata" mit seinen prachtvollen Ballszenen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Umgebung des Innenhofes des Schlosses St. Emmeram.
Das Bühnenbild ist schlicht, der Hintergrund offen gehalten - die Besucher haben einen freien Blick auf die fürstliche Fassade. Die Sänger kommen durch die großen steinernen Torbögen des Schlosses auf die Bühne. So wirken die prachtvollen Ballszenen zu Beginn authentisch, weil auch die Balkone des Schlosses als Spielorte genutzt werden. In einer Szene ist Alfredo sogar unbeachtet vom Publikum durch das halbe Schloss gelaufen, um seiner Violetta schließlich von einem Fenster im Seitenflügel seine Liebe zu gestehen.
Das Festival bietet bis zum 20. Juli ein Programm mit den unterschiedlichsten Musikstilen. Einer der Höhepunkte ist im Schlosshof das Konzert von Stargeiger David Garrett. Ein weiterer Klassik-Höhepunkt ist der Auftritt des italienischen Pianisten Ludovico Einaudi (15. Juli). Mit einer Gala von Udo Jürgens enden die Festspiele. Den Schlusspunkt sollte eigentlich Popstar Elton John am 21. Juli setzen. Der Brite musste seinen Auftritt aber wegen einer Blinddarmoperation absagen, was Veranstalter Reinhard Söll (hier vor der Premiere mit Lebensgefährtin Swetlana Panfilow in einer spektakulären Robe samt Kopfbedeckung aus getrocknetem Gras, entworfen von der afrikanischen Modeschöpferin Arrey Kono) sehr bedauert.