Ein „melodramatischer Kauz“ in der Mälze
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Dear Reader aus Südafrika mixen in bester Storytelling Tradition einen irrwitzigen Cocktail aus swingendem Barjazz, hypnotischen Gesangsschleifen, leichter Folk-Schwermut und verschlungenen Rhythmen. Heute Abend sind sie damit in der Alten Mälzerei.
Hört man die Musik von DEAR READER, liegt die Vermutung nahe, dass eine derart getaktete Indiepop-Band wohl nur aus den USA, Kanada oder Großbritannien stammen kann. Aber Cherilyn MacNeil ist eine junge Dame aus Südafrika die zusammen mit Darryl Torr in bester Storytelling Tradition und zu bohrenden Fragen nach Heimat & Gesellschaft, einen irrwitzigen Cocktail aus swingendem Barjazz, hypnotischen Gesangsschleifen, leichter Folk-Schwermut und verschlungenen Rhythmen mixt.
Das, das zunächst unter dem Namen HARRIS TWEED stammt aber aus dem von politischen und sozialen Unruhen geplagten Johannesburg. Cherilyn und Darryl zählen dort zu der kleinen britisch-stämmigen Minderheit, die den unter den Weißen dominierenden Afrikaans und dem schwarzen Gros der Bevölkerung gegenübersteht. Historisch gewachsene ethnische Spannungen bleiben da nicht aus und so verwundert es nicht, dass die Band mit Südafrika eine Art Hass-Liebe verbindet.
Als Höhepunkte erwähnen die beiden ihren Support-Gig für José González auf dessen Südafrika-Tour 2007 und den Auftritt als eine der ersten südafrikanischen Bands bei dem renommierten South By Southwest-Festival im texanischen Austin. 2008 muss die Band ihren Namen aufgeben, weil es sich bei Harris Tweed um ein geschütztes Kleiderlabel handelt, dessen Behörde den weiteren Gebrauch verbietet. Aus Harris Tweed wird DEAR READER. Und als dritter Mitstreiter gesellt sich der Schlagzeuger Michael Wright hinzu.
Zwischendrin zog es Cheri, die schon immer alle Musik und Texte für Dear Reader schrieb, nach Berlin, wo sie ein völlig neues Leben begann. Die Fremdheit im eigenen Land des ersten Albums hat also einer Fremde in einer völlig neuen Heimat Platz gemacht. Cherilyn MacNeil ist jetzt offiziell "Ausländerin". Genauer: eine Afrikanerin in Berlin. Komplett mit Aufenthaltsgenehmigung, Steuernummer, Deutschkurs, Visums-Problematik und ernüchternden Besuchen bei der "Ausländerbehörde".
"Wenn du so viel fühlst, dass du glaubst zu explodieren und anschließend darüber lachst, was für ein melodramatischer Kauz du gewesen bist", so fand Cheri die passenden Worte für ihren überschäumenden Indiepop. Ihre wunderbare Stimme wird dabei umrandet von einem Sammelsurium diverser Instrumente und herausragenden Musikern wie z.B. Earl Harvin (Tindersticks). Und nebenbei, so scheint es, macht sie auch noch Filmmusik z.B. für "Oh Boy".
DEAR READER heute Abend live in der Alten Mälzerei in Regensburg. Für das Konzert (Support-Act: Lost Lander) um 20.30 Uhr gibt es noch Restkarten an der Abendkasse.