Der Frankobelgische Comic
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Jeder kennt sie aus Kindheitstagen: Asterix, Lucky Luke oder Tim und Struppi (Orig. auch Tintin genannt). Neben diesem weltbekannten Triplett, gehören noch Donald Duck und Co. und etliche Superhelden zum Comichorizont der Deutschen, dann ist aber auch schon Schluss. Bei unseren direkten Nachbarn im Westen sieht die Sache anders aus, denn die oben erwähnten drei Schwergewichte der „neunten Kunst“ gehören zu der Gattung der „Frankobelgischen Comics“. Dieser Begriff beschreibt jene Bilderbücher mit Sprechblasen, die erstmals in Frankreich, Belgien oder Luxemburg publiziert wurden. Der französischsprachige Raum entwickelte eine Comickultur, die im restlichen Europa ihresgleichen sucht.
Der Comic im Wandel der Zeit
Die Ausbreitung des Comics begann im westlichen Kulturraum am Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals noch als Gagstrips mit fünf Bildern in Tages- oder Monatszeitungen vertreten, formten sich die kurzen pointierten Bilderfolgen zwischen den Weltkriegen zu ihrer heutigen Geschichten erzählenden Ausprägung aus. Dieses neue Selbstverständnis – anstatt Witze in Bildformat ganze Geschichten zu erzählen – führte zur publizistischen Eigenständigkeit eines ganzen Genres. Während sich in den 30er Jahren rasch die heutige amerikanische Comickultur der Hefte direkt aus den Comicstrips der Zeitungen entstand, machten die französischen Vertreter anfänglich einen Umweg. Fiel ein Künstler durch seine Illustrationen bei Zeitschriften auf oder hatte eine generelle gute Reputation, wurden ihm Seiten in einem Magazin gewährt. Wenn die Comicgeschichte erfolgreich war, fasste der Publizist sie in einer Sonderausgabe des Magazins zusammen – auch Album genannt. Dieses Vorgehen war meist ein Sprungbrett für unzählige Künstler, ihre
Comic-Reihen eigenständig zu veröffentlichen. Dabei wurden die Maße der Magazine für die Alben bis heute beibehalten (21 cm x 30 cm).
Die wohl wichtigste Triebfeder innerhalb der gesamten europäischen Comic-Entwicklung stellten die Comics von Hergé (bürgerlich Georges Prosper Remi) dar – dem Erfinder von „Tintin“. Angelehnt an die damalige Reiseliteratur erlebten der Reporter und sein Foxterrier seit 1929 die verschiedensten Abenteuer in den verschiedensten Ländern und sorgten für eine derartige Nachfrage, dass Hergé in seinem Magazin „Tintin“ anderen Autoren die Möglichkeit anbot, ihre eigenen Comics zu veröffentlichen. Auch das Duo René Goscinny und Albert Uderzo begannen ihre Karriere in einem ähnlichen Magazin („Pilot“), bis ihnen 1959 mit dem Erscheinen des ersten Asterixbands ihr großer Durchbruch gelang. Die Auflagen der etablierten Comics blieben zwei Jahrzehnte ungebrochen, bis die Anzahl der Verkäufe durch die Einstellung von Qualitätsmagazinen wie „Tintin“ Anfang der 80er Jahre immer weiter zurückging. Das Aufkommen verschiedenster Unterhaltungselektronik verschärfte den Einbruch der Lesebegeisterung seitdem zusehends.
Die Situation seit den 2000ern
Heute erfreuen sich die Frankobelgischen Comics wieder mehr Aufmerksamkeit. Wurden im Jahr 2000 in Frankreich noch 1100 neue Alben verlegt, hat sich die Anzahl bis 2016 verfünffacht. Auch in den Zeiten
von Smartphone und Tablet konnten sich die Klassiker etablieren – so auch die von „Asterix & Obelix“, welche immer noch zu den Weltbestellern des Genres gehören. Ihre globale Auflage liegt bei rund 380 Millionen Exemplaren, wovon rund ein Drittel für den deutschsprachigen Raum gedruckt wird. Die sympathischen Figuren sind seit jeher in der Popkultur präsent, hierbei trugen auch die Filmadaptionen zur kontinuierlichen Popularität bei. Denn analog zu den amerikanischen Superheldenfilmen fungieren die Real-und Animationsfilme von Asterix, Lucky Luke oder Spirou und Fantasio als erstklassiges Werbemittel, um die Zahlen Albumverkäufe stabil zu halten. Weiterhin basieren viele der in Deutschland ausgestrahlten Cartoons und Fernsehserien auf Comicreihen, deren Buchvorlagen kaum über dem französischen Raum hinaus bekannt sind.
Sympathisches Heldentum
Belgien und Japan haben beide Comickulte, die sich im öffentlichen Raum zeigen. Im tokioter Stadtteil Akihabara ist sowohl dem Elektronikhandel als auch dem Manga gewidmet. Er präsentiert mit gigantischen Häusern wie Casinos, Restaurants oder Einkaufszentren und verkleideten Personal, was die ganze Mangaszene zu bieten hat. Zwar nicht so offensiv, jedoch mit genauso viel Hingabe werden gezeichnete Nationalhelden in der Brüsseler Innenstadt gefeiert. Dort lassen sich nicht nur an den Häuserwänden
Kunstwerke von verschiedenen Comicreihen bewundern, sondern auch das eigene Haupt beim Friseur mit dem Haarschnitt von Tintin versehen. Zudem gibt es neben einem Comicmuseum auch ein „Comic“-Restaurant, das Speisen nach Rezepten aus Comicalben serviert: so ist „Gastons“ Klassiker,
Rollmpos mit Marmelade, sicherlich nicht für jeden etwas, zaubert dafür aber jedem eingefleischtem Fan ein Lächeln ins Gesicht.In Frankreich ist fast jedes zehnte Buch, das im regulären Buchhandel
zum Verkauf steht, ein Comic. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen mittels Bilderbüchern ist dort äquivalent mit jeglicher anderer Kunstform, die dasselbe Ziel hat. So benutzt
beispielsweise das Comic-Format „Café Zombo“ Figuren wie Micky Maus, um bedenkenswerte politische oder soziale Situation und Zustände zu kommentieren und das Zeitgeschehen zu beleuchten.