Zeitkapsel im Römerquader: Grundstein von 1679
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Bei der archäologischen Begleitung von Abgrabungen für einen Technikschacht des neuen Brunnens am Dachauplatz konnte bereits im Juni 2017 ein bedeutendes Fundstück geborgen werden. Der Grundstein eines Erweiterungsbaus des einstigen Klosters St. Klara wurde einst im Jahr 1679 mit zahlreichen Relikten bestückt. Diese entdeckte Bleischatulle samt Inhalt konnte nun von Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer an Bischof Rudolf Voderholzer für das Diözesanmuseum übergeben werden.
Obwohl an dieser Stelle bereits 1938 und 1972 umfangreiche Bodeneingriffe erfolgt waren, hatte sich dort ein einzelner römischer Steinquader erhalten, der es im Wortsinne „in sich hat“. Er besitzt eine sorgfältig eingearbeitete Kammer, die mit einer Kalkplatte verschlossen war. Im Inneren befand sich ein passgenau eingelassener bleierner Behälter, der eine Reihe von Objekten barg, wie sie in Art und Zusammensetzung für einen Grundstein typisch sind. Entsprechend sind auch drei in den Stein gemeißelte Kreuze zu deuten.
Das mit einem Deckel verschlossene und ehemals verschnürte Bleikästchen enthielt, wie es bis heute noch Brauch ist, zeitgenössische Münzen, insgesamt sechs Silbermünzen der Jahre 1671–76, darunter Prägungen von Kaiser Leopold I. Ferner fand sich ein wohl im Bayerischen Wald geblasener Glasflakon, zahlreiche christliche Amulette und Kreuze aus Bronze und organischem Material, Heiligenfigürchen aus Pfeifenton, verrottete Lederreste sowie Fragmente eines Pergaments. Bei den meisten Objekten handelt es sich um Devotionalien, also um Erinnerungsstücke von Pilgerreisen.
Besonders hervorzuheben ist ein qualitätvolles doppelarmiges Kreuzamulett aus Messing, ein sogenanntes Caravaca-Kreuz, welches sowohl dem hl. Franziskus als auch dem hl. Sebastian geweiht ist. Am Boden des Kästchens kam eine passgenaue Bleiplatte zum Vorschein, die eine weiße Beschriftung trägt und mit der Schauseite nach unten eingelegt war. Sie entschlüsselt die Frage nach der genauen Datierung und den Auftraggeber(inne)n der Grundsteinlegung.
Aufgeführt ist eine Liste der Schwestern, ihrer Priorin Catharina Cacilia Zwieklin sowie der Äbtissin Anna Catharina Voglindes Klosters St. Klara vom 21. September 1679. Bischof Rudolf Voderholzer zeigte sich bei der Übergabe fasziniert vom guten Zustand des Fundes. Man könne hier die Geschichte Regensburgs direkt fühlen. "Im Museum für Bayerische Geschichte wurde ein USB-Stick dem Grundstein beigegeben. Mal sehen, ob man den in 330 Jahren auch noch lesen kann", scherzte der Geistliche.
Der Grundstein stammt aus dem Bereich des seit über 200 Jahren versunkenen Klosters St. Klara (ca. 1228-1809), das sich vom heutigen Dachauplatz über das gesamte Gelände des gegenwärtigen Parkhauses erstreckte. Das nach napoleonischem Beschuss abgebrannte Kloster wurde ab 1809 abgetragen, doch überraschend viele Reste sind noch im Boden erhalten – so etwa die Fundamente und Krypta der Klosterkirche St. Maria-Magdalena unter dem Dachauplatz.
Unmittelbar südlich dieser Kirche fand sich der Grundstein, der allerdings schon mehrfach verlagert war. Ursprünglich dürfte er zu einer Baumaßnahme gehören, zu welcher sich noch schriftliche Aufzeichnungen im Diözesanarchiv finden ließen. Es ist dort sogar überliefert, wieviel das Bleikästchen gekostet hat: „Dem Züngiesser für ein Pleyenes Vläschl, darein die geweichte Sachen unnd anders in den grund gelegt worden bezahlt 44 k[reuzer]“.
Der Neubau betraf mit großer Wahrscheinlichkeit die Neuerrichtung oder eine Erweiterung der beiden Konventflügel, die bis ins 17. Jahrhundert noch einen freien Raum zur Kirche hin gelassen hatten, der nun nachweislich geschlossen wurde. Das Bauvolumen damals habe etwa 7.500 Gulden betragen - was einer heutigen Kaufkraft von etwa eine Million Euro entspreche. "Eigentlich deswegen schon spannend, weil das Kloster im Nachgang des 30-jährigen Krieges sehr arm war", so Kulturreferent Klemens Unger.
Erinnerung an das fast vergessene Kloster St. Klara
Der heute vorgestellte Neufund lasse die Erinnerung an die Klöster zweier Bettelorden der 1220er Jahre vor den damaligen Toren der Stadt wieder aufleben: der Minoriten und der Klarissen, die sich hier in unmittelbarer Nachbarschaft niedergelassen hatten. Bei dem Fund handle es sich um die reichste Grundsteinlegung, die bayernweit bekannt sei. "Da die Nonnen in Klausur lebten, ist bemerkenswert, das wohl jede von ihnen dennoch etwas für sie sehr wertvolles dem Grundstein beigegeben hat", betont Unger.
Schon seit 2015, als am Dachauplatz Reste der Klosterkirche St. Maria-Magdalena aufgedeckt wurden, bemüht sich die archäologische Denkmalpflege um die Erforschung und Würdigung der verbliebenen Reste des mittelalterlichen Klosters St. Klara, die im heutigen Stadtbild leider nirgends mehr ablesbar sind – sogar der Begriff „Klarenanger“ ist mittlerweile verschwunden.
Das ursprüngliche Kloster am Klarenanger fiel während der napoleonischen Besatzung am 23. April 1809 einem Brand zum Opfer (oben eine Zeichnung aus dieser Zeit). Die Nonnen fanden erst Aufnahme im Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz und erhielten dann 1811 das säkularisierte Kapuzinerkloster St. Matthias in der Ostengasse. Dort lebten sie bis 1974, als wegen städtebaulicher Maßnahmen das Kloster abgerissen werden sollte und der Konvent aufgelöst wurde. Die Gemeinschaft der Schwestern führte nun an zwei Orten ihr kontemplatives Leben weiter: im Kloster St. Klara in Maria Vesperbild (Bistum Augsburg) und im Kloster St. Klara in Dingolfing.
Übergabe an die Diözesanmuseen
Mittlerweile wurden einige Objekte aus dem Bleikästchen durch die Stadt Regensburg, der aus rechtlicher Sicht heutigen Eigentümerin des Fundes, anrestauriert (hier mit Klemens Unger). In diesem Rahmen konnte der Fundkomplex in seiner Bedeutung erkannt und gewürdigt werden. In der Konsequenz wurde er nun an das Bistum Regensburg übergeben, um seiner angestammten kirchlichen Heimat wieder so nahe wie möglich zu sein. Der Grundstein und die Bleikassette werden Eingang in die Kunstsammlungen des Bistums Regensburg finden. Die Diözese übernimmt die fachliche Restaurierung der Fundstücke und plant eine weitere wissenschaftliche Bearbeitung.