Sein neues Album heißt „Heile Welt“. Doch wie sieht eine heile Welt aus? Und kann es eine heile Welt in Zeiten einer Pandemie überhaupt geben? Wir haben uns darüber mit Kabarettist, Musiker, Moderator und Schauspieler Hannes Ringlstetter unterhalten und auch nachgehakt, was er von der Künstler-Aktion #allesdichtmachen und den Kanzlerkandidaten hält.
Ihr neues Album heißt „Heile Welt“. Im gleichnamigen Song kritisieren Sie – ironisch – auch die Gesellschaft. Wie sieht Ihre Vorstellung von einer heilen Welt ganz ohne Ironie aus? Führt die Umkehr dessen, was Sie kritisieren, ans Ziel Ihrer heilen Welt oder kann es eine heile Welt ohne Ironie vielleicht gar nicht geben?
Erstmal machen wir uns nix vor: Ein heile Welt wird es nicht geben, zumindest solange der Mensch mit beteiligt ist. Meine Vorstellung wäre halt zu versuchen, mit sich und der Welt besser umzugehen und der Empathie mehr Platz als dem panischen Egoismus zu geben. Ironie hilft lediglich auf Dinge aufmerksam zu machen und Unabänderliches zu ertragen. Zu mehr taugt sie wohl nicht. Aber das ist ja schon was.
Das vergangene Jahr hat viele Schicksale hervorgebracht. Auch in Ihrer Branche ging die Pandemie vielen Ihrer Kollegen an die Existenz. In welchen Momenten war die Welt Ihrer Meinung nach aber dennoch ganz ohne Ironie nahe an ihrem Heil?
Naja, die Entschleunigung hatte gesellschaftlich und für die Natur und auch für mich persönlich schon was Gutes. Ich hatte gehofft, dass wir mehr mitnehmen aus dieser Zeit. Was brauchen wir wirklich? Wollen wir wirklich so weitermachen wie zuvor? Ist eine neue Normalität überhaupt die alte? Will das noch jemand? Viel zu selten gestellte Fragen, wie ich finde. Mich stört das „Weiter so“ mehr als wenn sich in gewissen Dingen was ändern würde, zum Beispiel das Überdenken der permanenten Wachstumsidee.
Viele Künstler waren plötzlich dazu verdammt, zu Hause zu sitzen. Wie haben Sie die Zeit genutzt?
Platte gemacht. Terrasse gemacht. Versucht, mich nicht verrückt machen zu lassen. Ich hatte es da einfacher als viele Kollegen und vor allem unsere Crew, denn ich hatte ja das Fernsehen.
Sie sind als Kabarettist, Schauspieler, Talkshow-Host und Musiker breit aufgestellt und konnten im vergangenen Jahr zumindest Ihre Show im BR weiter produzieren und für Ihr Album ins Studio gehen. Wie sehr hat Sie die Pandemie dennoch getroffen oder vielleicht auch betroffen gemacht? Und was hat Ihnen rückblickend zur Zeit der harten Lockdowns am meisten gefehlt?
Die Leichtigkeit, die meine Arbeit normalerweise ausmacht, war weg. Daran musste ich mich schmerzlich gewöhnen. Der Flow, die Inspiration, alle Dinge, die kreative Arbeit ausmachen, waren sehr schwer herzustellen. Das hat mich angestrengt. Sehr. Betroffen haben mich schwere Verläufe der Krankheit, aber nicht mein eigenes „Schicksal“.
Im Gegensatz zu manch anderen Berufsgruppen sind Künstler nicht in großen Gruppen auf die Straßen gegangen und haben auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Woran lag das Ihrer Meinung nach?
Ich glaube, das hat mit der immer schon dem Beruf eigenen Einzelkämpfer-Biographie zu tun. Du musst deinen eigenen künstlerischen Weg ja immer gehen, so hat das eben auch da für viele gewirkt, obwohl es schon einen Zusammenhalt gab und auch das erste Mal den Versuch, sich zu organisieren. Sagen wir mal so: Es ist nicht erste Künstler-Qualität, die Organisation als solches.
Ende April gab es dann unter anderem die Aktion #allesdichtmachen, die für viel Aufsehen und auch Kritik gesorgt hat. Selbst Gegenaktionen mit Hashtags wie #allemalneschichtmachen oder #nochganzdicht wurden ins Leben gerufen. Wie stehen Sie zur Aktion „allesdichtmachen“?
Es waren die falschen Leute mit fragwürdigem Inhalt. Die prominenten Schauspieler haben ja alle gedreht und Filme gemacht. Der „kleine“ Theaterschauspieler, der wirklich ein Problem hatte und hat, der fand ja durch die Aktion wieder kein Gehör. Ziemlich viel Eitelkeit war da im Spiel, so hab ich es empfunden.
Schrittweise kehrt auch Deutschland zurück zur Normalität. Gibt es dennoch im Kulturbereich etwas, das etabliert wurde und auch in der Zeit nach der Pandemie Bestand haben wird?
Das werden wir sehen, das weiß glaub ich noch niemand. Neue Spielorte, neue Konzepte und zurück in den öffentlichen Raum ist auf jeden Fall nicht die verkehrte Strategie für Kultur, die relevant sein will.
Als Aprilscherz haben Sie sich dieses Jahr in Form einer Stellenanzeige auf die Suche nach einem geeigneten Kanzlerkandidaten gemacht. Wie zufrieden sind Sie mit der momentanen Kandidaten-Ausbeute der Parteien?
Oh. Mei.
Zwei Songs auf Ihrem neuen Album heißen „Wo bin I“ und „So bin I“. Wo und wie wäre Hannes Ringlstetter gerne in zehn Jahren?
Darüber denke ich wirklich nicht nach. Ich bin ja froh, wenn ich weiß, was die nächsten Monate passiert. Das sollte uns Corona doch jetzt wirklich gelernt haben: Das mit dem Planen im Leben ist eine ziemlich unsichere Sache.
RNRed