Tiefenthal und Champagne teilen eine Gemeinsamtkeit. Denn am östlichsten Punkt der Regensburger Weinroute stehen 1.000 Weinstöcke, die Saft für vorzüglichen Rot- und Weißwein liefern.
September in Tiefenthal. Der beschauliche Ort im Landkreis Regensburg markiert den östlichsten Punkt einer Weinroute, die in Regensburg beginnt und durch das vielleicht älteste Weinbaugebiet Bayerns, sicher aber durch das zweitkleinste Weinbaugebiet Deutschlands führt. Das Grundstück der Winzer Luttner liegt am Tiefenthaler Hang. Von hier aus hat man einen atemberaubenden Blick auf die Donauebene. „Ein wunderschönes Fleckerl Landkreis!“ Das Zitat stammt von der Regensburger Landrätin Tanja Schweiger, die dieser Tage die Weinlese der Luttner’schen Trauben eröffnen durfte.
Klein, gemütlich, beschaulich – alles Attribute, die auf den Weinberg mit angrenzendem Haus von Franz und Doris Luttner passen. Auf insgesamt 2.200 Quadratmetern stehen 1.000 Weinstöcke, deren Wurzeln bis zehn Meter in die Erde ragen und die den Saft für vorzügliche Rot- und Weißweine liefern.
Regional. Biologisch. Handverlesen.
Dass ein Weinbauer in der so genannten Baierwein-Region bevorzugt auf Rotwein setzt, wurde in der Vergangenheit nicht selten mit einem Augenzwinkern als avantgardistisch bewertet. Franz Luttner setzte eins obendrauf, indem er vor beinahe zehn Jahren auf konsequenten biologischen Anbau umsattelte. Sein flausenhafter Einfall Nummer drei: Rosé-Sekt, hergestellt nach der méthode champenoise.Flausenhaft ist die aufwändige Herstellung des Rosé-Sekts allemal, und doch von Erfolg gekrönt. Der Tropfen, den Bayerns Weinpapst Hermann Mengler wie folgt beschreibt: „… lachsrot, feine Perlage, mit tiefem, aristokratischen Geschmackserlebnis“, ist eine Bereicherung für die deutsche Weinkultur. Und tatsächlich erlesen. Grundvoraussetzung ist eine sehr gute Qualität der handverlesenen Trauben, die in einem Labor überprüft wird. Erst wenn aus dem Labor ein Daumen-hoch kommt, kann mit der Herstellung des Rosé-Sekts begonnen werden.
Drei Viertel Acalon, ein Viertel Johanniter
Die Herstellung kurz und knapp: Der schon gegorene Rosé-Wein, ein Cuvée, gewonnen aus drei Vierteln der Rebsorte Acalon und einem Viertel Johanniter, wird zu einer Sekt-Produktions-Firma in Würzburg geliefert. Hier wird er in Edelstahlfässer umgefüllt und mit Champagner-Hefe versetzt. Nun muss er ein halbes Jahr in den Fässern lagern, bevor er in Flaschen umgefüllt werden kann und – täglich handgerüttelt – weiter reifen kann.Der Hefepfropf, der sich während der sechsmonatigen Lagerung bildet, wird dann durch das so genannte Degorgieren entfernt. Dabei werden die Flaschen so weit in ein Kältebad getaucht, dass die im Flaschenhals gesammelte Hefe zu einem Pfropfen gefriert. Nach dem Öffnen des Kronkorkens schießt der eisige Hefe-Pfropf aus der Flasche, um dann, neu verkorkt, zwei bis drei Monate auf dem Kopf stehend weiter gelagert zu werden. Insgesamt reift der Sekt – neben Pi mal Daumen drei Millionen anderer Flaschen – circa neun Monate in einem wunderschönen alten Weinkeller in Würzburg heran, bevor er wieder zurück nach Tiefenthal kehrt.
Ein besonderer Moment für Franz Luttner. Und nicht nur für ihn, sondern auch für seine Frau Doris und die beiden „Kumpel“ Michael Mike Füchsle und Herbert Baumer, die den Winzer seit Jahren – trotz oder gerade wegen seiner Flausen – tatkräftig unterstützen.
„Man kauft den Anspruch!“
Dass man preislich mit großen Herstellern, die weltweit Reste aufkaufen und dann zu Billigpreisen verkaufen, nicht mithalten kann, versteht sich von selbst. „Man kauft den Anspruch!“, präzisiert Michael Mike Füchsle. Allein die Flasche, in die der Rosé-Sekt abgefüllt wird, kostet vier Euro. Hinzu kommt ein Euro für den Korken. Ganz zu schweigen von den Bio-Spritzmitteln, die ordentlich zu Buche schlagen. „Es geht grad um“, zieht Doris Luttner ihr buchhalterisches Fazit.Neben der Buchhaltung kümmert sich die Hobby-Winzerin um die Vermarktung und den Vertrieb der Weiß- und Rotweine, des Seccos, ein mit Kohlensäure versetzter Wein, und eben die des erstklassigen Rosé-Sekts. Zu finden, zu kaufen und zu trinken gibt es die Tiefenthaler Tropfen in privaten Kellern, in ausgewählten Bio- und Supermärkten, auf regionalen Märkten. Zusätzlich organisiert Doris Luttner Weinverköstigungen und bedient Kunden aus der ganzen Welt, die auf ihrer Durchreise zufällig oder absichtlich an der Baierwein-Region vorbeikommen und spontan an ihrer Haustür klingeln. Ein weiterer Absatzweg ist der Versand, der langsam, aber sicher zunimmt aufgrund der liebevoll gestalteten Webseite www.luttner-weinbau.de. „Wir haben zu tun“, sagt Doris Luttner. Und zwar das ganze Jahr über. Denn der Weinberg verlangt sommers wie winters Aufmerksamkeit, ebenso seine Vermarktung.
Vernetzung für mehr Schlagkraft
Apropos Vermarktung – und andere Schlagworte wie Wissenstransfer, Zusammenhalt, Regionalentwicklung. Das nämlich sind Themen, die Landrätin Tanja Schweiger in Zukunft gerne voranbringen wollte: „Mein Wunsch wäre, im Landkreis die Akteure, die mit dem Thema Wein zu tun haben, unter einem Dach zu vereinen.“Der Landkreis ist übrigens bereits aktiv: Auf der Webseite der RLR – Gesellschaft für Regionalmarketing im Landkreis Regensburg GmbH www.nimms-regional.de werden regionale Produkte, darunter auch Weine aus der Region, angeboten; seit ein paar Monaten auch auf der externen Webseite www.mein-regionalmarkt.de. Daneben organisiert das Team der Regionalentwicklung am Landratsamt Regensburg Märkte, wie beispielweise den Markttag in Lappersdorf Anfang September, auf denen sich die Besucherinnen und Besucher mit regionalen Produkten eindecken können.
Darüber hinaus hat die Landkreischefin noch einige Ideen mehr: Weinverkostungen in hiesigen Gasthäusern und Hotels – Verkaufsautomaten mit Produkten aus der Region – Verkauf in Dorfläden. Um all die Ideen umzusetzen, braucht es einen Zusammenschluss, einen Schulterschluss aller Akteure – selbstverständlich auch mit dem Baierwein-Museum in Bach a.d. Donau. „Wir brauchen eine stärkere Vernetzung für noch mehr Schlagkraft“, formuliert Landrätin Tanja Schweiger. Was das zweitkleinste Weinbaugebiet Deutschlands auch noch braucht, sind junge Avantgardisten, die die uralte Tradition fortführen.
PM/RNRed