Außerhalb der Städte haben die Menschen mit verschiedenen Problemen zu Kämpfen - von Landflucht bis zu fehlenden Infastrukturen. Daher ist es wichtig, dass es Initiativen gibt, die vor allem jüngeren Menschen ein kulturelles Gegenprogramm bieten. Deshalb möchte der Verein Schaltlücke neue Chancen für junge Kultur im Landkreis schaffen.
Landflucht, Leerstand und fehlende Infrastruktur – die Menschen außerhalb der Städte haben mit verschiedenen Problemen zu kämpfen. Umso wichtiger, dass es Initiativen gibt, die sich dem annehmen und versuchen, vor allem jüngeren Landbewohnern ein kulturelles Gegenprogramm zu bieten. Schaltlücke ist ein Verein aus Vohenstrauß in der Nähe von Weiden, der sich eben darum bemüht. Flo, Fabian und Max sind alle drei Vereinsmitglieder und beschäftigen sich mit Problemen und Chancen für junge Kultur im Landkreis.
Was ist „Schaltlücke“?
Flo: Schaltlücke ist ein junger Verein für die Verbreitung von Freude und Vergnügen – so steht es in offiziell in unserer Satzung. Wir haben uns 2017 gegründet aus dem Grund, dass bei uns an alternativer Kultur sehr wenig bis gar nichts geboten ist. Wir haben damals viele Elektro- und Technopartys geschmissen. Das wurde 2018 allerdings kurzzeitig unterbrochen. Seitdem versuchen wir das Ganze etwas anders aufzubauen: Wir planen Konzerte, Partys, Lesungen und sicher wird auch wieder die ein oder andere Technoparty kommen – das ist unser Portfolio. Wir sind aktiv zwölf Leute im Verein, dazu kommen noch ganz viele helfende Hände, die uns immer unterstützen. Örtlich betrachtet sind wir eigentlich alle aus dem Dunstkreis Weiden, Vohenstrauß und Umgebung – aber mittlerweile sind wir in ganz Deutschland und Europa verteilt.
Vor drei Jahren wurden auf einer von euch organisierten Party Drogendealer erwischt und festgenommen. Wie hat sich dieses Event auf eure Arbeit ausgewirkt?
Flo: Auf der Party von uns waren mehrere Polizeibeamte anwesend und haben bei einer Razzia mehrere Personen wegen Drogenhandels festgenommen. Doch es ist tatsächlich so, dass im Nachhinein – ich habe auch selbst Berichte darüber gelesen –nicht viel rauskam, anders als es durch Berichte aufgebauscht wurde. Insgesamt führte die Situation 2018 natürlich in erster Linie zu einem Einschnitt in unsere Freiheit, zu entscheiden, was wir machen, wie groß wir es machen und wo wir es machen. Denn nach einem derartigen Event wurde auch eher kritisch auf uns geblickt. Mittlerweile hat sich das aber schon wieder gelegt.
Fabian: Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass dort zwar Dealer vor Ort waren, diese sich aber unsere Veranstaltung zunutze gemacht haben. Das war daher nicht unser Fehler und das war von uns auch nicht so gewollt. Wir sind immer dafür eingestanden, dass „Raven“ auch ohne Drogen geht und haben hier immer Akzente gesetzt. Dass diese Menschen kommen würden, wussten wir nicht. Zudem wurde das Ganze natürlich medial inszeniert und auch politisch Profit daraus geschlagen. Unsere Perspektive wurde dabei gänzlich fallen gelassen.
Ihr habt schon angedeutet, dass ihr junge Kultur aufs Land bringen wolltet. Wie habt ihr die Situation damals eingeschätzt?
Flo: Ich habe zu dieser Zeit selbst nicht in Vohenstrauß gewohnt. Aber wenn man heim kam, war es schon immer so, dass es nur Malle-Partys oder Ähnliches gab. Also nichts, wo ich persönlich Lust gehabt hätte hinzugehen. Auch auf dem Land ist ein Programm vorhanden – aber es ist sehr eintönig und beschränkt sich auf Volksfeste, Schülerbandkonzerte und diverse Saufpartys. Daher wollten wir dort mit der Intention anknüpfen, auch mal etwas anderes zu bieten.
Welche Projekte standen zuletzt bei euch an?
Flo: Wir haben im November eine Pop-up-Kneipe eröffnet, die für Besucher zur Verfügung steht. Der Grund dafür war, dass es in Vohenstrauß unglaublich viel Leerstand gibt. Wir wollten daher zum einen darauf aufmerksam machen und zum anderen diesen Leerstand auch nutzen, um eine kleine Mischung aus Kunstausstellung und Kneipe zusammenzubasteln. Die Leute sollen dort einfach mal gemütlich ein Bier trinken gehen können. Wir möchten auf dem kleinen Platz, der zur Verfügung steht, aber auch versuchen, partyähnliche Zustände zu generieren. Das lief beim Launch auch ganz gut an.
Wie habt ihr bei der Eröffnung die Stimmung unter den jungen Leuten empfunden?
Flo: Das war wirklich cool. Wir haben direkt auf 3G plus und mittlerweile auf 2G gestellt, weil wir keine Lust haben, irgendwelche Diskussionen zu dem Thema anzufangen. Wir wollen das Thema Corona soweit wie möglich ausschließen, sobald eine Veranstaltung ist. Es war sehr schön, in der Situation wieder eine Art Normalität vorherrschen zu haben und auch ohne Maske nebeneinander in der Kneipe zu sitzen. Da war die Laune auch dementsprechend gut.
Kulturschaffende haben es während der anhaltenden Pandemie besonders schwer: Wo habt ihr in diesem Kulturgefüge eure Rolle gesehen?
Fabian: Öffentliches Auftreten ist als Kulturverein besonders wichtig, damit man im öffentlichen Raum Stimmen gewinnt und Leute zu sich holt. Unser erster Gedanke war natürlich, es ins Digitale zu verlegen. Das haben wir dann auch einmal versucht: Wir haben eine Veranstaltung online gemacht, Freunde haben im Livestream aufgelegt und haben auch vorab über Lokalzeitungen Artikel geschaltet und Werbung gemacht. Letztendlich war es ein riesiger Aufwand, der sich nicht wirklich auszahlt. Trotzdem war es eine wichtige Erfahrung, das auch erst einmal technisch umzusetzen, den Livestream und die ganze Veranstaltung online zu meistern. Aber letzten Endes wollen wir auf die Menschen zugehen, damit diskutiert wird und wir neue Konzepte auch verbreiten können. Und das funktioniert einfach nicht, wenn man sich zu einer Onlinekonferenz trifft oder online versucht, Party zu machen. Deswegen war und ist die Pandemie für uns natürlich ein Thema. Wir warten ab, was jetzt noch kommt.
Max: Wir haben es ja auch geschafft, letzten Sommer eine Veranstaltung vor Ort zu machen. Wir hatten drei Kinoveranstaltungen im Juli oder August, wo wir ein bisschen über den Corona-Alltag hinaus trösten konnten. Wir haben das Glück, dass wir keine Mitglieder oder Fixkosten haben, die bezahlt werden müssen. Damit sind wir auch nicht davon abhängig, dringend Veranstaltungen machen zu müssen.
Welches Potential seht ihr darin, junge Kunst und Kultur am Land zu fördern? Im Vergleich zur Stadt scheint es schwieriger zu sein.
Fabian: Stadt und Land lassen sich nur schwer vergleichen, da man komplett unterschiedliche Gegebenheiten hat. Wenn man das intellektuelle und akademische Einzugsgebiet und die Infrastruktur der Stadt Regensburg ansieht, kommt man schnell an die Grenzen der Vergleichbarkeit. Was sich jedoch vergleichen lässt, sind die Output-Veranstaltungen. Hier sieht man, dass die Stadt Regensburg mit seinen vielfältigeren Möglichkeiten und diverseren und auch alternativeren Konzepten natürlich auch mehr junge Menschen ansprechen kann als das Land. Das liegt aber auch daran, dass in der Stadt mehr junge Menschen leben. Dessen sind wir uns auch bewusst. Unser Anspruch ist aber den Menschen, die vor Ort sind, etwas zu bieten. Der Blick nach Regensburg hilft uns da relativ wenig und wirkt fast schon absurd aufgrund der unterschiedlichen Grundvoraussetzungen. Wir versuchen mit dem, was wir vor an infrastrukturellen Möglichkeiten gegeben haben, möglichst viele Menschen zu erreichen und entsprechende Konzepte umzusetzen.
Welche Hürden müsst ihr überwinden, um Schaltlücke voranzubringen?
Flo: Diejenigen, die Landflucht begehen, interessieren sich in der Regel für Subkulturen. Hier stellt sich das Problem, dass sobald wir versuchen, entsprechende Projekte zu starten, diese für die Behörden als ziemlich verrückt erscheinen, was schnell zu Gegenwind führt. Eine weitere Hürde wäre, dass wir vonseiten der Stadt so gut wie keine Unterstützung bekommen – finanziell beispielsweise überhaupt nicht und auch im Weiteren gestaltet sich Hilfe eher als schwierig. In meinen Augen sieht es auch immer so aus, als würden unsere Anfragen als ein „Dorfding“ betrachtet werden, bei dem sich die jungen Leute wieder irgendwelchen Schmarrn einfallen haben lassen. Und damit müssen wir auch immer aufräumen. Danach ist es aber auch tatsächlich so, dass wir von Teilen der Bevölkerung bekräftigt werden, weitere Projekte umzusetzen. Der Kampf mit den Vorurteilen ist wohl die größte Hürde.
Auch das Finden von Locations zeigt sich im ländlichen Raum eher schwierig. Man hat hier kein Objekt, bei dem man sich für wenig Geld mehrere Wochen für eine Ausstellung einmieten kann. Man muss jedes Mal aufs Neue kreativ werden, vielleicht einen Leerstand oder andere Gebäude finden, komplett umgestalten und dekorieren, um dort Veranstaltungen durchführen zu können. Das ist definitiv eine Herausforderung.
Auf welche Aspekte achtet ihr bei euren Veranstaltungen und welche Rolle nimmt dabei der niederschwellige Zugang zu Kultur ein?
Fabian: Uns ist grundsätzlich ein Anliegen, dass unsere Preiskultur an jüngere Menschen angepasst ist. Das heißt, dass wir keine hohen Eintrittspreise verlangen und mit unseren Veranstaltungen kein Kapital schlagen. Junge Menschen sollen sich den Konsum von Kultur leisten können, ohne dabei die Frage aufkommen zu lassen, ob ihnen die Kultur einen bestimmten Betrag Wert ist. Natürlich müssen wir kostendeckend kalkulieren und auch für den Verein sollte etwas übrig bleiben. Den Eintritt für alle erschwinglich zu halten, ist dabei jedoch einer der Grundpfeiler unseres Vereins.
Würdet ihr sagen, es fehlen die nötigen Strukturen für junge Kultur außerhalb der Städte? Falls ja, woran liegt das?
Flo: Das größte Problem, das wir haben, ist mit Sicherheit der Verkehr. Wenn beispielsweise eine Veranstaltung länger als bis 18 Uhr dauert und unsere Besucher aber aus Weiden kommen, können sie nur mehr mit dem Auto zurückreisen, da die öffentlichen Verkehrsmittel vor Ort nicht mehr fahren. Früher hatten wir bei größeren Veranstaltungen Shuttle-Busse angeboten, die zwischen Weiden und Vohenstrauß hin und her gependelt sind. Am Land haben wir auch einen höheren Bürokratieaufwand für entsprechende Veranstaltungen, weil man derartige Veranstaltungen zumeist noch nicht kennt. Und da die zuständigen Behörden auf Nummer sichergehen wollen, dass auch mit Sicherheit nichts passiert, wird natürlich die Einhaltung der Gesetze scharf überprüft, was es uns nicht leichter macht. Auch Konzepte wie eine Pop-up-Kneipe haben für verwunderte Blicke bei der Anmeldung gesorgt, weil nicht bekannt war, worum es sich bei solchen Aktionen handelt.
Das letzte große Problem stellt für uns die Finanzierung dar. Wir veranstalten oft große Partys, damit wir andere Angebote wie Konzerte finanzieren können. Wir haben Verständnis dafür, wenn junge Leute sich weniger leisten können und uns daher mit eher niedrigen Beträgen unterstützen. Bei denjenigen Menschen, die es sich leisten könnten, ist allerdings dafür weniger Bereitschaft vorhanden.
Max: Zum Thema „Junge Kultur“ lässt sich noch hinzufügen, dass wir bei Schaltlücke jede Einreichung annehmen, die an uns herangetragen wird. Wir trauen uns nicht zu auszusortieren und zu entscheiden, was Kunst ist oder nicht. Solche niedrigen Einstiegshürden findet man ansonsten selten, oftmals sind die Strukturen sehr viel schwerer durchschaubar und nicht zugänglich. Damit versuchen wir, jungen Künstlerinnen und Künstlern einen alternativen Einstieg durch leichtere Strukturen auch außerhalb der Städte zu ermöglichen.
RNRed