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Kabarettistin Teresa Reichl lachend, ihre Hand am Gesicht und mit leicht angehobenem Kopf.
© Lolografie / Kamerafoto / sonstige

„Obacht, i kann wos!“ lautet das Soloprogramm, das Teresa Reichl ausgearbeitet hat – und mit dem Titel sollte die junge Niederbayerin auch Recht behalten. Nach einem vollendeten Lehramtsstudium beschloss sie daher, das Kabarett nun zu ihrem Beruf zu machen.

"Obacht, i kann wos!" lautet das Soloprogramm von Teresa Reichl. Sie stammt aus Niederbayern und hat gerade ihr Lehramtstudium beendet. Nach ihrem Debüt bei den Poetry Slams in der Alten Mälzerei arbeitete Reichl sich zu verschiedenen Meisterschaften hoch und beschloss nun, das Kabarett zu ihrem Beruf zu machen. Dabei macht sie weder vor Politik noch vor Persönlichem halt, ohne ihr Grinsen auf den Lippen zu verlieren.

Hallo, Teresa! Wie verlief dein Werdegang, bis du an dem Punkt gelandet bist, an dem du heute stehst?

Da war ganz viel aus Versehen: Eine Schulfreundin hat gegenüber von der Mälzerei gewohnt, als wir nach Regensburg gezogen sind. Wir sind einmal in die Mälze gegangen, ohne zu wissen, dass der Poetry Slam stattfand. Wir standen drin und haben gar nicht richtig gecheckt, was da jetzt los ist, aber ich war direkt begeistert. Zu meiner Freundin habe ich damals gesagt, dass ich das unbedingt auch irgendwann machen möchte – und sie hat mich angemeldet, ohne dass ich etwas davon wusste. Das war mein erster Auftritt. Ab da habe ich mich immer direkt am Tag nach dem Slam schon für den nächsten angemeldet. Später habe auch die Bayerischen U20-Meisterschaften gewonnen. Letztendlich bin ich bis zu den großen Meisterschaften aufgestiegen und das innerhalb von einem Jahr. Das eskalierte von „Teresa findet heraus, dass Poetry Slams existieren“ im Oktober 2015 sehr schnell dazu, dass ich bei drei Meisterschaften war. Dafür habe ich dann auch meinen Nebenjob gekündigt und lebte nur von meinen Auftritten.

An dieser Stelle Glückwunsch zum Staatsexamen. Wie verbindest du dein Lehramtsstudium mit deiner Arbeit als Kabarettistin?

Mein gesamtes Leben lang dachte ich, dass ich sicher irgendwann Lehrerin werde. Kabarett wollte ich nebenbei machen, der „normale“ und sichere Job schien mir wichtiger. Dann habe ich im Dezember 2019 die Dokumentation „Moving Parts“ über die Dragqueen Trixie Mattel angeschaut. Da sah man, wie sie auf die Bühne gegangen ist und die Leute unterhalten hat, obwohl sie komplett am Ende war. In dem Moment hat es Klick gemacht und mir wurde klar, dass ich das zu meinem Job machen muss, es gibt keine andere Wahl. Im Januar 2020 habe ich dann meine Eltern eingeweiht, dass ich vorerst nicht ins Referendariat gehe. Das haben sie aber ganz gut vertragen.

Im Nachhinein denke ich, dass ich Lehrkraft werden wollte, weil das im bürgerlichen Rahmen noch am Nächsten an die Bühne rankommt. Ich stehe nämlich sehr gerne einfach irgendwo, während mir Menschen zuhören – ich unterhalte nun mal gern. Der Unterschied zum Unterricht liegt darin, dass die Kinder mir zuhören müssten. Jetzt muss ich mich darauf verlassen, dass jemand Geld zahlt, um mir zuzuhören.

Du behandelst auch viele politische Themen – siehst du dich in der politischen Bildung? Und fällt das mit Humor leichter?

Insgesamt bin ich einfach ein politischer Mensch, das kann und möchte ich nicht ausschalten. Hauptsächlich rede ich über Sachen, die mich wütend machen. Und ob das die Nachbarin von unten ist, die ständig meine Pakete klaut oder ob es Kant ist, der Mitschuld an der Salonfähigkeit des Rassismus in Deutschland trägt – es regt mich beides auf, wenn auch nicht gleichermaßen. Und aus dieser Wut heraus zu schreiben, finde ich gut. Mit Humor lassen sich solche Themen dann auch leichter vermitteln. Wer geht denn schon ins Kabarett und möchte sich anderthalb Stunden ernsthaft belehren lassen? Ich find’s viel spannender, wenn man hinterher rausgeht und sich denkt: „Oh, darüber hab‘ ich noch nie nachgedacht.“

Ich wollte eigentlich auf der Bühne nie auf eine politische oder persönliche Ebene kommen, weil ich dachte, es würde das Publikum nichts angehen. Aber irgendwann merkte ich, dass mir das nicht reicht. Sich hinzustellen und etwas von sich selbst preiszugeben, ist mega gruselig, wenn man es vorher nur gewohnt war, einfach lustige Märchen zu erzählen. Jedes Mal, wenn ich einen neuen Text online stelle oder vortrage, mach ich mir wieder in die Hose. Das zeigt aber nur, dass ich vielleicht jemanden gebraucht hätte, der vor mir so einen Text veröffentlicht hätte. Und wenn es so jemanden nicht gibt? Dann mach ich das halt als Erste.

Welche Erfahrungen macht man als junge, feministische Frau im Kabarett?

Ich war vom Poetry Slam wahrscheinlich ein bisschen verwöhnt, dort ist man in solchen Fragen schon ein Stück weiter. Dort ist allen klar, wenn nur eine Frau im Line-up steht, ist das wirklich schlecht und es wird gestritten.

Beim Kabarettpreis komm‘ ich dann also ins Backstage und stelle mich einem anderen Kabarettisten vor – seine Antwort war: „Ich merk‘ mir deinen Namen nicht, ich nenn dich einfach Baby.“ Eine halbe Stunde später hat er dann auch verstanden, dass ich selbst teilnehme und hat ab da ständig betont, wie toll er meine Teilnahme fände, denn ich sei ja auch so jung. Natürlich war ich bei dem Event auch die einzige Frau im Programm. Das Problem ist: Wenn nur eine Frau im Line-up steht und dann ist sie auch noch Feministin, dann wird man sehr schnell darauf reduziert. Männer würden ja Humor für alle machen und ich mach nur Humor für Frauen. Das stimmt meiner Meinung nach gar nicht. Wenn Männer über Menstruationswitze nicht lachen können, ist da ja nicht mein Problem. Sie sollten das doch lustig finden können, immerhin lache ich ja auch über Peniswitze – solange sie gut sind.

Durch einen Mann in der Jury des Preises wurde mir dann auch erklärt, ich müsste meine Stimme tiefer trainieren. Denn meine Stimmlage würde das Publikum ansonsten nerven. Jetzt habe ich allerdings eine Gesangsausbildung und nicht mal eine hohe Stimme! Solche oberflächliche Kritik müssen sich Männer nicht anhören. Daher wundert es auch nicht, wenn so wenige Frauen in der Kunst sichtbar arbeiten. Ich habe Glück, denn ich habe ein supergutes Netzwerk an FLINTAs (Anm. d. Red.: FLINTA steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen.), mit denen ich reden kann. Ansonsten dreht man ja durch.

Ursprünglich bist du für das Studium hergezogen. Welche Rolle spielt Regensburg für dich persönlich?

Anfangs habe ich relativ wenig in Regensburg gemacht, das kam erst dank Eva Karl Faltermeier verstärkt dazu. Die hat mich letztes Jahr quasi adoptiert und mich dann mehr in die Regensburger Szene eingebunden.

Aber da habe ich erst gemerkt, wie viele coole, kreative Menschen es in Regensburg gibt und wie gut man hier auch netzwerken kann. Regensburg ist einfach ein gutes Pflaster. Klar haben wir viele Musikerinnen und Musiker, auch wegen des Music College, aber du findest hier wirklich alles, was du brauchst – du musst nur suchen. Und die Szene hier unterstützt sich gegenseitig, wir gönnen uns den Erfolg. Ich kann natürlich nicht den Vergleich zu anderen Städten ziehen, aber ich wohne wirklich sehr gerne hier. Auch mit dem Kulturförderpreis der Stadt hatte ich nicht gerechnet, den hatte ein Jahr davor auch Eva gewonnen. Da habe ich mich sehr geehrt und gesehen gefühlt.

Hast du schon Ideen, wie du die Zukunft gestalten willst?

Ich würde gerne weiter in die Bildungsarbeit gehen: Im Frühjahr werde ich an der Regensburger VHS Workshops und Vorträge geben und außerdem eine Art „Fit fürs Abi“-Kurs zum Welttag des Buches in der Stadtbibliothek. Damit versuche ich, auch von außen bisschen Literaturvermittlung zu betreiben, also außerhalb des gängigen Unterrichts. Auch mein digitaler Content soll neben der Bühne koexistieren, gerne auch Fifty-fifty. Klar, im Moment liegt der Fokus eher auf dem Digitalen, weil es anders gerade nicht geht. Aber ich möchte weder das eine noch das andere missen.

Und zum Abschluss: Welche drei Klassiker würdest du jedem ans Herz legen?

Auf jeden Fall „ Der Besuch der alten Dame“ von Dürrenmatt! Und weil ich ein kleines Lessing-Fangirl bin, „Die Juden“ und „Minna von Barnhelm“– das sind beides Komödien, die wirklich witzig und gut sind.


RNRed
Bildquelle: Kamerafoto / sonstige | Lolografie

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