Die Eröffnung des Theaters am Antoniushaus in Regensburg, das als Interims-Spielstätte des Theater Regensburg dienen soll, steht kurz bevor. Aus diesem Anlass erfolgt ein Rückblick über die Geschichte des Theater Regensburg sowie alles über die aktuelle wirtschaftliche sowie personelle Situation.
Das Theater Regensburg ist nicht nur ein im kunsthistorischen Sinne namhaftes Haus – mit eigenen Ensembles für Musiktheater, Schauspiel, Tanz und junges Theater sowie mit eigenem Philharmonischen Orchester und Opernchor zählt es zu den größten kommunalen Mehrspartenhäusern Bayerns. Über 330 Angestellte des Theaters sorgen dafür, dass pro Jahr rund 700 Vorstellungen in fünf Spielstätten etwa 180.000 Zuschauer und Zuschauerinnen erreichen.
Da das Velodrom jedoch aufgrund neuer Bestimmungen saniert werden muss, entfällt in den kommenden Jahren eine etablierte und beliebte Spielstätte. Um die Zahl der Vorstellungen auf konstantem Niveau zu halten, wird seit zwei Jahren an einer Interims-Spielstätte des Theater Regensburg gearbeitet – dem Antoniushaus. Und genau dieses feiert mit der Premiere der Dreigroschenoper als neue Spielstätte des Stadttheaters seine offizielle Eröffnung. Der ursprüngliche Termin am 19. Februar musste pandemiebedingt verschoben werden, weshalb die Premiere nun am 04. März stattfindet. Die beiden „Tage der offenen Tür“ finden wie geplant und bei freiem Eintritt am 20. und 29. Februar 2022 – jeweils von 11.00 bis 16.00 Uhr – statt .
Wir haben die Eröffnung des Theater am Antoniushaus zum Anlass genommen, ein Schlaglicht auf die Geschichte des Theater Regensburg zu werfen und haben uns beim Theater nicht nur über die Baumaßnahmen am Velodrom und am Antoniushaus informiert, sondern auch die personelle Situation wie den bevorstehenden Intendantenwechsel sowie wirtschaftliche Aspekte in den Blick genommen.
Auf unsere Fragen geantwortet haben: Dr. Matthias Schloderer (Kaufmännischer Direktor des Theater Regensburg), Klaus Kusenberg (Interims-Intendant des Theater Regensburg) und Silke Spitzenpfeil (Pressesprecherin des Theater Regensburg).
Sanierung des Velodroms
Frau Spitzenpfeil, was macht das Velodrom so besonders und auf was müssen Theaterliebhaber und -freunde während der Schließung des Velodroms verzichten?
Spitzenpfeil: Das Velodrom ist ein wichtiger, etablierter und beliebter Veranstaltungsort mit fast 600 Plätzen mitten in der Altstadt. Es handelt sich beim „Velo“, wie wir es liebevoll nennen, um eine denkmalgeschützte, für den Radsport geplante Halle aus dem Jahr 1898. Es hat eine für damalige Zeiten spektakuläre Dachkonstruktion und die Empore scheint auf elegant-schmalen Säulen zu schweben. Zunächst als Ausweichstätte für die Sanierung des Theaters am Bismarckplatz ab 1998 gedacht, war die Begeisterung der Zuschauer über das Velodrom aber so groß, dass es schließlich als weitere Spielstätte des Theaters Regensburg übernommen wurde. Seitdem waren mehr als 1,3 Millionen Besucher in unseren Vorstellungen, davon allein etwa 300.000 Kinder in den Weihnachtsmärchen. Viele Regensburgerinnen und Regensburger haben im Velodrom ihre ersten Theatererfahrungen gemacht. Es schmerzt schon, so lange auf so ein besonderes Haus verzichten zu müssen.
Welche Arbeiten gibt es zu erledigen? Und wie hoch sind die voraussichtlichen Kosten?
Spitzenpfeil: Ausschlaggebend für die Schließung ist, dass das Velodrom die Auflagen für Brandschutz und Versammlungsstätten nicht mehr erfüllt. So muss zum Beispiel ein sogenannter „Eiserner Vorhang“ eingebaut werden, der Bühne und Zuschauerraum im Falle eines Brandes zuverlässig abtrennt. Dieser Vorhang benötigt einen bisher nicht vorhandenen Fahrschacht. Das Foyer ist nach Versammlungsstättenverordnung für die Besucheranzahl zu klein. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Aspekte wie energetische Sanierung durch Ertüchtigung der Außenhaut, Barrierefreiheit durch Einbringung eines Aufzugs, Arbeitsschutz durch Optimierung der technischen Gegebenheiten hinter und auf der Bühne… Zudem braucht es auch neue Haus- und Bühnentechnik: Für die Obermaschinerie, das ist der für den Zuschauer nicht sichtbare Bereich über der Bühne, ist beispielsweise ein neues Tragwerk nötig. Neben weiteren Arbeiten an den Waschräumen, Betriebsräumen und den Nebengebäuden in der Kreuzgasse kommt man so auf momentan geschätzte Kosten in Höhe von 26 Millionen Euro, von denen ein großer Anteil förderfähig durch den Freistaat ist. Wir sichern damit nicht nur das Gebäude und die Theater-Spielstätte für die Zukunft, sondern helfen, Regensburgs Ruf als attraktive Kulturstadt hochzuhalten, und kommen im „Velo“ natürlich auch unserem Kulturauftrag gerne nach.
Wann soll das Velodrom fertig saniert sein?
Spitzenpfeil: Der ursprüngliche Sanierungsbeginn wurde von der Stadt leider nach hinten verschoben: Sanierungsbeginn ist voraussichtlich im Jahr 2026, die Fertigstellung etwa 2029. Natürlich hoffen wir, dass sich die Arbeiten vielleicht doch früher realisieren lassen.
Antoniushaus – Umbau & Eröffnung
Verlief der Umbau des Antoniushaus trotz Pandemie nach Plan?
Spitzenpfeil: Natürlich hatten manche Handwerkerfirmen mit Materialengpässen bzw. coronabedingten Ausfällen zu kämpfen wie andernorts derzeit auch. Wo ein Verzug auftrat, haben die Handwerker oft abends länger gearbeitet, sind samstags zur Baustelle gekommen oder haben weniger Weihnachtsurlaub genommen. Ein tolles Engagement, für das wir sehr dankbar sind!
Was waren die größten Baustellen?
Spitzenpfeil: Das Antoniushaus stammt aus den 1950er-Jahren und ist in mehrerlei Hinsicht ein hochattraktives Gebäude. Man schaue sich nur die große, geschwungene Glasfront, die Empore oder das weitläufige Außengelände an... Aber natürlich musste es renoviert und vor allem auf die Erfordernisse des Theaterbetriebs ausgelegt werden. Dazu zählt zunächst der Bau eines zusätzlichen Treppenhauses als Fluchtweg, ein Aufzug für mehr Barrierefreiheit, die Aufteilung des oberen Saals in Räume wie Maske, Garderoben, Kostüm. Es werden Räume geschaffen für eine kleine Werkstatt für Reparaturen vor Ort sowie ein Raum für den Einbau der Theatertechnik und Elektrik. Es wird ein Traversensystem geschaffen für Scheinwerfer – und natürlich eine fast doppelt so große Bühne sowie die Tribüne für die Zuschauer. Im Untergeschoss findet man nun unter anderem Sozialräume für die Mitarbeiter und Künstler sowie Duschen und mehr. Und im Erdgeschoss gibt es jetzt eine Abendkasse des Theaters, dazu Garderoben, rollstuhlgerechte Toiletten, ein ansprechendes Foyer – und natürlich die komplett umgestaltete Gaststätte „Kneitinger im Antoniushaus“.
Herr Kusenberg, das Antoniushaus eröffnet am 04. März – wieso wurde die Dreigroschenoper als Eröffnungsstück ausgewählt? Was macht die Dreigroschenoper so besonders?
Kusenberg: Die Dreigroschenoper gilt als das erfolgreichste deutsche Theaterstück des 20. Jahrhunderts. Die einzigartige Mischung von Brechts sarkastischer Weltsicht und der wunderschönen Musik von Kurt Weill diente schon bei seiner Uraufführung 1928 in Berlin zur Eröffnung des Theaters am Schiffbauerdamm. Das Regensburger Schauspiel mit seinem außergewöhnlich musikalischen Ensemble, zusammen mit Bettina Ostermeier als Musikalischer Leiterin und einer hochkarätigen sechsköpfigen Band macht die Neu-Eröffnung des Antoniushauses zu einem Ereignis, das man gesehen und gehört haben muss.
Für welche Inszenierungen eignet sich das Antoniushaus besonders?
Kusenberg: Große Opern wird man hier eher nicht erleben, es gibt nämlich keinen Orchestergraben. Für Tanz ist der Raum aber gut geeignet und ganz besonders fürs Schauspiel, da der Raum ein gutes, direktes Verhältnis von Bühne und Zuschauerraum sowie eine hervorragende Akustik bietet.
Herr Dr. Schloderer, für wie lange ist das Antoniushaus als Spielstätte eingeplant und was geschieht nach Fertigstellung des Velodroms?
Dr. Schloderer: Wir haben im Antoniushaus einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen und gehen davon aus, dass wir mindestens bis zur Wiedereröffnung des Velodroms vor Ort sein werden. Bis dahin fließt noch so viel Wasser die Donau und den Regen entlang – ich kann noch nicht abschätzen, wie es dann danach mit uns im Antoniushaus weitergehen wird.
Personelle Situation & bevorstehender Intendantenwechsel
Herr Kusenberg, haben sich die Wogen nach dem vermeintlichen Eklat über die Nichtverlängerung von Personal Ihrer Ansicht nach bereits geglättet?
Kusenberg: Wenn damit gemeint ist, ob wir uns mit Spaß und Engagement in die noch ausstehenden Projekte begeben – dann eindeutig „Ja“. Einige haben bereits neue Engagements gefunden und wollen sich natürlich so gut wie möglich vom Regensburger Publikum verabschieden. Das bedeutet aber nicht, dass der Frust, die Kränkung und die Anspannung, die mit einer Nichtverlängerung immer verbunden sind, in der täglichen Zusammenarbeit keine Rolle mehr spielen würden.
Wie wurde der öffentliche Eklat von den Künstlerinnen und Künstlern wahrgenommen?
Kusenberg: Sehr unglücklich. Die öffentliche Wahrnehmung und Berichterstattung ist auf befremdliche Weise außer Kontrolle geraten. Unsere Künstlerinnen und Künstler wurden teilweise als Jammerlappen dargestellt, die ihre Verträge offensichtlich nicht richtig gelesen hätten und nun die Konsequenzen nicht tragen wollen. Das ist natürlich Unsinn, niemand muss uns über unsere Verträge belehren. Den Betroffenen ging es um einen ganz anderen Punkt, nämlich den wertschätzenden Umgang miteinander.
Wie haben Sie als Interims-Intendant den Eklat wahrgenommen? Wie wichtig ist eine (öffentliche) Diskussion über die gängige Praxis und welche Alternativen gibt es?
Kusenberg: In erster Linie war es zunächst ein Stimmungskiller und Motivationseinbruch in allen Ensembles, mit dem die aktuelle Leitung, obwohl nicht verantwortlich für die Vorgänge, natürlich umgehen musste. Mein Interims-Angebot an die Stadt war ja – jedenfalls bei mir – mit der Hoffnung auf einen eleganten oder gar schmerzfreien Übergang verbunden. Im Nachhinein war das natürlich eine Illusion. Tatsächlich habe ich den Eklat nur um ein Jahr hinausgezögert. Die Frage nach Alternativen ist nicht einfach zu beantworten. Wir versuchen ja aktuell in Regensburg eine Art Direktoriumsmodell, jedenfalls nach innen. Auch in der übrigen Theaterlandschaft mehren sich solche Konstellationen. Das heißt aber nicht, dass der Normalvertrag-Bühne nicht mehr gilt. Er ist durchaus ein gutes Instrument, um einen so chaotischen Betrieb wie ein Theater funktionsfähig zu halten. Natürlich muss er ständig weiterentwickelt und verbessert werden, aber es nutzt nichts, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Künstlerische Freiheit (und Qualitätssicherung), Mitbestimmung und Existenzsicherung müssen klug ausbalanciert werden. Gefordert ist auch die Politik: Sobald eine Leitung installiert ist, gilt selbstverständlich die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit. Bevor die Verträge unterschrieben werden, gibt es aber durchaus Verhandlungsspielräume, wo Eckpfeiler und Erwartungen formuliert werden können.
Herr Dr. Schloderer, wie haben Sie als wirtschaftlicher Leiter die mediale Berichterstattung wahrgenommen?
Dr. Schloderer: Ich habe mich mit der Berichterstattung natürlich intensiv auseinandergesetzt und mich ja auch öffentlich dazu geäußert. Viel wichtiger war es mir aber, mit den betroffenen Personen im Ensemble den direkten Austausch zu forcieren. Ich habe viele Gespräche geführt – mit den Ensemblevertetenden, mit der neuen und der bestehenden Intendanz, mit Mitgliedern von ensemble- und dramaturgienetzwerk sowie der GdBA, mit der Leitung des Bühnenvereines. Wir haben dabei zum einen identifiziert, wie wir jetzt unsere Ensembles konkret unterstützen können. Zum anderen haben wir Ansätze identifiziert, über die man im Tarifausschuss des Bühnenvereins sprechen sollte. Mir ist es wichtig, dass die Energie, die sich im Herbst entladen hat, nicht einfach verpufft und man die Scherben zusammenkehrt, sondern sich wirklich etwas an den Rahmenbedingungen ändert, unter denen ein Intendanzwechsel stattfindet. Dann würde ich sagen: Dieser Prozess war für alle Seiten sehr schmerzhaft, aber es hat sich dadurch etwas verändert.
In einem Interview weisen Sie darauf hin, dass die Kritik der Brücke als Kritik am System zu verstehen sei?
Dr. Schloderer: Es ist offensichtlich, dass gerade von einigen Kulturschaffenden und von Gewerkschaftsseite die Möglichkeit der Nichtverlängerung aus Anlass eines Intendanzwechsels immer kritischer gesehen wird. Das andere Extrem – unkündbare Verträge auf Lebenszeit – sind sicher nicht im Sinne der Kunst. Über das Wie, also die Rahmenbedingungen eines Intendanz- und Ausrichtungswechsels, sollte man sich aber unterhalten.
Wirtschaftliche Situation
Wie gut sind das Theater und sein Personal durch die Lockdowns gekommen?
Dr. Schloderer: Bisher in der Belegschaft größtenteils gesund – das ist, denke ich, das Wichtigste. Ich verspüre in jeder Abteilung eine gewaltige Motivation daran, dass jeden Abend der Vorhang aufgeht, daher ist es eine große Erleichterung, dass wir in diesem Winter bisher ohne Lockdowns ausgekommen sind. Ich selbst bin ja erst im letzten Frühjahr ans Haus gekommen und es war ganz wunderbar, als sich dann ab April und Mai das Haus wieder mit künstlerischem Leben gefüllt hat.
Wie hoch ist das Theater derzeit ausgelastet?
Dr. Schloderer: 100 Prozent bei fast allen Vorstellungen, seitdem wir nur noch vor 25 Prozent der Saalkapazität spielen können. Davor hatten wir uns nach einer kurzen Anlaufzeit auf über 80 Prozent eingependelt, was ich bei 2G plus mit FFP2-Maske für sensationell halte.
Wie zeigt sich die derzeitige wirtschaftliche Situation des Theaters – wie finanziert sich das Theater?
Dr. Schloderer: Der Träger des Theaters ist die Stadt, die die Hauptlast unseres Etats trägt, außerdem erhalten wir einen Zuschuss vom Freistaat. Theater sollen grundsätzlich keine Gewinne machen, sondern Eintrittskarten so erschwinglich anbieten, damit möglichst viele Menschen regelmäßig in Berührung mit unserer Kunst kommen können.
Wie nehmen Sie die wirtschaftliche Situation anderer Theaterhäuser wahr – im Sinne von: Wie gut geht es dem Theater in Deutschland und wie steht es um das Theater Regensburg im Vergleich?
Dr. Schloderer: Die finanzielle Situation an Theatern ist schon allein deshalb sehr angespannt, da nahezu überall ein großer Transformationsbedarf besteht. Vielerorts hat man sich zu spät mit der Weiterentwicklung von Digitalisierungsprozessen beschäftigt und hat diesbezüglich einen großen Investitionsstau abzuarbeiten. Die teuerste Ressource des Theaters ist aber der Mensch: so decken die Personalkosten bei uns gut 75 Prozent des Etats ab. Es ist zu erwarten (und aus meiner Sicht auch dringend angebracht), dass höhere Einstiegsgagen gezahlt werden – schon allein das übt großen Druck auf den Etat eines Hauses aus. Wir sind sehr dankbar, dass die Stadt Regensburg das Theater nicht auf den Prüfstand stellen wird, auf kurz oder lang werden wir allerdings eine höhere Förderung beispielsweise durch den Freistaat benötigen, um die skizzierten Transformationsprozesse weiter vorantreiben zu können.
Frau Spitzenpfeil, was steht für die kommende Saison für Highlights auf dem Programm?
Spitzenpfeil: Wir verstehen die Neugier auf die kommende Spielzeit unter dem neuen Leitungsteam, aber ich kann noch nichts verraten. Der Spielplan wird, wie üblich, im Frühling vom designierten Intendanten Sebastian Ritschel persönlich bekannt gegeben. Wir alle können uns freuen und dürfen noch ein wenig gespannt sein.
RNRed