Die Männer hinter der Dult sind den meisten Regensburgern zumindest namentlich bekannt. Wir haben uns mit Michael Hahn & Co. unterhalten und einen Blick hinter die Kulissen geworfen. Gefunden haben wir Familie, Verantwortung und Zusammenhalt.
Losbuden, Karussell und gebrannte Mandeln für die Kleinen – Tracht, halbe Hendl und Bierseligkeit für die Großen: Die Dult wurde von allen Altersgruppen schmerzlich vermisst. Sogar ein wenig mehr als den Besuchern bedeutet die Rückkehr der Volksfeste wahrscheinlich den Schaustellern und Wirten hinter der Dult.
Endlich wieder auf Achse sein und hunderte Kilometer durch die Gegend tingeln. Endlich wieder ausschenken und einsteigen lassen. Schausteller gelten als verschworene Gemeinschaft, die unter sich bleibt. In den letzten beiden Jahren sind sie sogar noch ein wenig mehr aus der Öffentlichkeit verschwunden. Anlässlich der triumphalen Heimkehr der Maidult haben wir uns mit den Machern hinter der Zeltwand unterhalten.
Manngewordene Oberpfalz
Die Türen zu Schaustellern hinter der Dult öffnet uns Reinhard Kellner. Seit 30 Jahren ist er fester Baustein, auf dem die Regensburger Dulten gebaut werden. Ohne den Platzmeister läuft hier gar nichts. Wir treffen ihn unter der Brücke zwischen der Warendult und den Fahrgeschäften. Bei bestem Wetter besteht das Publikum am frühen Nachmittag hauptsächlich aus Großeltern mit ihren Enkelkindern, denn es ist Familientag auf der Maidult und das bedeutet Sonderpreise an allen Buden und Fahrgeschäften.
Kellner ist manngewordene Oberpfalz. Auf dem Weg zu unserem ersten Gesprächspartner brummt der Platzmeister noch letzte mahnende Worte. Besser man verscherze es sich nicht mit den Schaustellern. Es gäbe schon genug mit dem Motto: „Presse halt die Fresse.“ Er habe sich aber schon die richtigen Gesprächspartner für uns herausgesucht, erklärt Kellner. Im kleinen Biergarten angekommen wird gegen die Hitze erst einmal eine Runde Wasser bestellt.
Ein Niedersachse unter Bayern
Lutz Vorlop ist Hannoveraner. Mit Firmensitzen in halb Norddeutschland lebt der Schausteller nicht gerade um die Ecke. Und trotzdem: „Wir kommen seit Jahren mit unseren Achterbahnen zur Dult. Regensburg ist definitiv eine der Top Ten Veranstaltungen Deutschlands.“ Als Nicht-Bayer ist Vorlop auf der Dult eine Art Exot. Das merkt schon an der fehlenden Tracht: Getönte Brillengläser, schlichtes schwarzes T-Shirt und Ledergürtel – Vorlop ist vom Typ „Macher“ und das Oberhaupt einer großen Schaustellerfamilie. Er führt das Familienunternehmen in der sechsten Generation, seine Tochter ist bereits mit einem Schausteller aus den Niederlanden verheiratet. Sein Sohn ist ebenfalls mit auf der Dult. Das Schausteller-Dasein ist mehr Berufung als Beruf – so viel steht fest.
Während der Corona-Pandemie hat er in Norddeutschland einen ganzen Freizeitpark aufgestellt. „Sie müssen das sehen wie in der Bundesliga: Jedes Jahr steigen die Guten auf und die Schlechten ab. Das ist bei uns nicht anders als in anderen Wirtschaftszweigen“, erklärt der Hannoveraner auf die Frage, ob einige seiner Kollegen wegen der Pandemie auf der Strecke geblieben sind. „Wir können froh sein, dass wir in Deutschland leben. In vielen anderen Ländern wurde den Schaustellern gar nicht geholfen“ ergänzt Vorlop.
Auch Arnd Bergmann berichtet Positives von den Corona-Hilfen: „Bei uns wurde alles pünktlich, schnell und richtig ausbezahlt.“ Dieser Meinung ist aber nicht jeder der Schausteller. Arnd Bergmann, der lieber Andy genannt wird, ist dieses Jahr mit seinem „XXL Racer“ auf der Dult. Das Fahrgeschäft stellt dieses Jahr vermutlich den größten Nervenkitzel auf der Dult dar und überragt sogar das Riesenrad neben an. Zum Betreiben reichen Andy Bergmann tatsächlich aber nur wenige Mitarbeiter. „Wenn mehr los ist, kann auch mehr schief gehen“, weiß Andy die Besucherzahlen einzuschätzen. Getroffen haben wir Bergmann in „Robby’s Bierstüberl“, dem kleinen aber gemütlichen Biergarten von Robert Eckl. Robby legt gleich die Karten auf den Tisch: „Meine Familie könnte einen Festplatz alleine bewirten.“ Klein geht bei der Dult einfach nicht.
Sehnsucht Riesenrad
„Mein Großvater hat das erste Stahlriesenrad nach Deutschland gebracht.“ Sebastian Willenborg ist mit 30 Jahren der jüngste Schausteller, mit dem wir reden. Drei Riesenräder betreibt der geborene Münchner insgesamt. Eines von ihnen stand vor einer Weile auf dem Ernst-Reuter-Platz in Regensburg. Ein anderes steht regelmäßig auf der Wies’n oder auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin.
Wahrscheinlich steht kein Fahrgeschäft so für die Anziehungskraft von Volksfesten wie das Riesenrad. Beliebtes Fotomotiv und bereits von der Autobahn aus zu sehen – das Riesenrad ist Sehnsuchtsort, nicht nur für verliebte Erwachsene. „Es gibt Kinder, die konnten wegen Corona noch nie Karussell fahren“, erklärt Willenborg mit etwas Wehmut. Umso schöner also, dass die Dult jetzt zurückgekehrt ist.
Vom „Bauer“ zum „Tracht’n Bäda“
Wo ist man als Schausteller daheim? „Unser Zuhause ist, wo unser Wohnwagen steht“, weiß Robby Eckl. Das mag klischeehaft klingen, aber man merkt den Schaustellern an, dass sie es ernst meinen. Denn „zum Schausteller wird man geboren.“ Lernen könne man das nicht. Etwas anders sieht das möglicherweise Peter Seeböck. Der ehemalige 1860-Profi ist bis heute passionierter Fußball-Fan. Und ganz nebenbei der vielleicht größte Trachtenverkäufer auf der Münchner Wies’n. „Ich bin, was man hier als einen ,Bauer‘ bezeichnet. Ich bin also nicht hineingeboren worden, sondern erst später dazugekommen“, scherzt der Inhaber vom „Da Tracht’n-Bäda“.
In seiner aus Echtholz errichteten Alm hängen Lederhosen und Dirndl bis unter die Decke. „Da muss man schon einen Hau haben. Dazu stehe ich aber auch“, lacht er weiter. Doch so gut wie heute war die Laune in der Familie Seeböck nicht immer, denn als nach dem ersten Corona-Jahr klar wurde, dass die Volksfeste auch 2021 nicht zurückkehren würden, bat ihn seine Frau, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Doch so wollte „da Tracht’n-Bäda“ nicht abtreten: „Ich will dieses Glücksgefühl nicht vermissen.“
Wir müssen unser Gespräch für einen kurzen Moment unterbrechen und schon sehen wir, was der passionierte Trachtenhändler damit meint: Eine Mutter braucht für ihren kleinen Bub noch den passenden Hut und Socken zu seiner Tracht: „Eine Nummer größer darf’s schon sein, sonst brauchst im Herbst gleich wieder einen neuen!“, rät der Fachmann dem kleinen Dultbesucher.
Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzwischer beim traditionellen Fassanstich (Mitte). Rechts neben ihr Michael Hahn, Betreiber des Festzelts.
Ein Hahn für alle Fälle
Auf dem Weg zum Zelt erzählt uns Reinhard Kellner noch, wie beeindruckt er vom Umgang Hahns mit der Pandemie sei: „Michael Hahn hat für seine Mitarbeiter während Corona extrem viel gemacht. Man merkt es auch daran, wie reibungslos alles trotz drei Jahren Pause wieder läuft.“ Denn wer seine Mitarbeiter nicht behalten hat, müsse im schlimmsten Fall jeden Handgriff neu erklären.
Als wir Michael Hahn treffen, sitzt er gerade auf einem der hinteren Plätze in dem nach seiner Familie benannten Zelt mit seinem seinen Mitarbeitern zusammen und arbeitet. Vor ihm steht eine Tasse Kaffee. Einige Reihen weiter geht am frühen Nachmittag bei einigen schon die zweite oder dritte Maß über den Tisch. „Man muss vielfältig aufgestellt sein: menschlich, betriebswirtschaftlich. Man darf aber auch gastronomisch nicht auf dem linken Fuß stehen, sonst schmeckt das Essen nicht“, weiß der Großgastronom. „Dafür braucht man Top-Leute. Das Zelt würde ohne mich erst einmal problemlos weiterlaufen“, bestärkt Hahn, dessen Familie zusammen der Familie Glöckl wie keine andere für die Regensburger Dult steht.
Das Rampenlicht genießt der Festzeltbetreiber aber nicht immer: „Das ist wie im wirklichen Leben: Manchmal geht man auf die Arbeit und sagt, ,Heute würde ich lieber liegen bleiben.‘“ Jedoch liebt Hahn die Vielfältigkeit seines Gewerbes. Es sei ohne diese Zuneigung auch unmöglich den Beruf auszuüben.
Egal ob bei der Dultbierprobe oder am Abend der Eröffnung: Hahn findet die richtigen Worte. Er wirkt dabei meist sehr entspannt – und dass sogar bei der ersten Maidult seit 2019. Die Ruhe ist allerdings kein Wunder. Immerhin ist seine Familie schon seit 29 Jahren auf der Dult vertreten und Michael Hahn von Anfang dabei. „Natürlich standen meine Eltern damals noch hinter mir und haben geschaut, dass der Flurschaden nicht allzu groß wird“, schmunzelt Hahn. Und auch wenn die Corona-Zeit hart war, hat sie ihm nie die Hoffnung geraubt. Dafür hat er in fast 30 Jahren Dult zu viel erlebt. „Da passieren Dinge, die der normale Dultbesucher gar nicht mitbekommt. Da denkt man auch ab und zu ‚Oh Gott, das klappt nie heute Abend!‘“ Seine Großeltern begannen damals aus ihrer Metzgerei heraus Feste zu bewirten und so kam die Familie Hahn schlussendlich zu ihrem Festzelt: „Das Gewerbe ist natürlich schon ein wenig verrückt.“ Ein großes Festzelt zu bewirten, sei sicher nicht für jeden.
Für immer Du(lt)
Während der Pandemie selbst hat sich auch die Familie Hahn zum Teil neu erfunden: Equipment wurde vermietet, Corona-Testzelte aufgestellt, Verkaufsstände und Ersatzveranstaltungen aufgebaut und durchgeführt. „Wir haben diese Zeit glücklicherweise wirtschaftlich und menschlich gut überstanden“, erklärt Hahn. Als Vorsitzender und Sprecher der Vereinigung Bayerischer Festwirte hatte er während Corona noch für Hilfszahlungen an seine Bedienungen gekämpft. Diese wären in den ursprünglichen Hilfspaketen des Bundes leer ausgegangen.
Hahn erklärt: „Natürlich hat uns der Staat geholfen. Wir wollten uns aber nicht einfach zurücklehnen und auf Überbrückungshilfe hoffen, sondern aktiv ein Signal geben.“ Sich ständig neu erfinden, immer spontan sein, flexibel bleiben – das alles waren schon vor Corona Tugenden, die ein Schausteller und Beschicker dringend gebraucht hat.
Auch wenn die Dult sich im Ganzen nur langsam verändert, stellt sie ihre Veranstalter doch jeden Tag vor neue Herausforderungen. Schausteller sein ist ein Knochenjob, nicht nur für Geisterbahnbetreiber. Und so der „Bierzelt-Gott“ will, geht es ja in ein paar Monaten bereits auf der Herbstdult weiter. Aber ohne Volksfest geht es einfach nicht mehr, bis schließlich die Kinder und irgendwann auch die Enkel nach Regensburg kommen, um ihre Zelte hier aufzuschlagen. Immer wieder und immer weiter – denn in einem sind sich alle einig: Solange es die Gesundheit hergibt, werden sie wieder kommen. Wieder aufbauen, bewirten, bespaßen und beschicken.
Lucas Treffer / RNRed