Zwei Cowboys auf Schaukelstühlen sitzen auf der Veranda und vergleichen stolz ihre Revolver. Szenen, wie man sie eigentlich nur aus Texas kennt. Vor 60 Jahren ist ein kleines Stück des amerikanischen Bundestaates über der Oberpfalz aus dem Himmel gefallen und im Regensburger Stadtwesten gelandet. Eine Spurensuche.
Der Cowboy-Club Regensburg entwickelte sich zu einer oberpfälzer Institution. Heute steht das Fortbestehen des Vereins trotz Western-Idyll auf der Kippe. Wir haben uns mit den Trappern vor Ort auf Spurensuche begeben. Gefunden haben wir Gastfreundschaft, Trapper und zwei Handvoll Schwarzpulver. Vergangenes Jahr feierte der Club seinen 60. Geburtstag nach und hofft auch in Zukunft auf zahlreiche Gäste. Was den Club so besonders macht, erklären uns Mitglieder der ersten Stunde und frisch gefundene Vorstände.
Schnapsidee Cowboy Club
Man munkelt, dass die Gründungsmitglieder den Club 1960 nur ins Leben gerufen haben, um das nötige Geld für eine Umsiedlung in die USA zu verdienen. Geklappt hat das damals nicht. Betrachtet man, was für eine beeindruckende Kulisse aus der einstmaligen Schnapsidee entstanden ist, möchte man fast schadenfroh sein. Von den wirklichen „Founding Fathers“ ist heute keiner mehr im Club, aber Maria „Mary“ Aumeier ist mit kurzer Unterbrechung schon fast genauso lange dabei. Die 80-Jährige hat über die Jahre viel Herzblut in den Verein gesteckt und ihren Mann Bernhard „Ben“ Aumeier bei einer Feier im Saloon kennengelernt. 1985 war Ben zusammen mit einem Freund eher zufällig beim Verein gelandet und gleich hellauf begeistert von „Wolf Canyon City“.
Eine dauerhafte Bleibe für eine Handvoll Dollar
Die ersten drei Jahre mussten die Cowboys noch in ihren metaphorischen Planwägen umherziehen. Dann fand sich ein Stück Land an der Schwalbenneststraße. Die stillgelegte Mülldeponie verwandelte sich mit Hilfe der US Army und einer Menge eigenen Schweißes in die heutige Westernstadt „Wolf Canyon Town“. Großer Vorteil der ehemaligen Mülldeponie war laut Ben neben dem günstigen Preis auch die Tatsache, dass die Stadt kaum Auflagen verhängen konnte. Der Cowboy Club konnte also nach Lust und Laune feiern: „Auch 1985 war das noch so. Silvester haben wir unsere kleine Kanone mit zwei Handvoll Schwarzpulver geladen und ich hab' sie mit meinem Vorderlader-Revolver angeschossen. Da war die Siedlung aber auch noch nicht da. Da war hier noch ein leeres Feld, da konnten wir machen, was wir wollten“, berichtet Ben Aumeier aus der Zeit, als er gerade frisch dazugestoßen war. „Früher hatten wir unten an der Messerwand noch richtige Colt-Duelle mit Luftballons. Heute vollkommen undenkbar!“
The Devil went to Ratisbona
Mary erinnert sich gerne an die Jahre des Aufbruchs. Früher hätte es mehr Aktionen und Besuche bei anderen Vereinen gegeben. Square Dance, Rodeo, Tomahawk-Werfen und das Schießen mit echten Gewehren. „Da ist’s schon rund gegangen! Das war natürlich auch ein Teil der Faszination. Wo sonst konnte man sowas schon machen?“ Bens Augen funkeln, als er von seiner Anfangszeit im Verein spricht. „Unser ehemaliger Vorstand kam aus den USA. Als hier gebliebener GI brachte der natürlich viel ‚Know-How‘ mit, was authentisch ist und was nicht“, berichtet Bastian Sykora. Früher tingelte der Cowboy Club oft von Fest zu Fest und zeigte eine Show, basierend auf den Cowboy-Künsten, die man im Verein gelernt hatte. So kam natürlich auch Geld in die Satteltaschen der Mitglieder.
Feiern mit zahlreichen auswärtigen Besuchern: Szenen wie sie der Cowboy Club in Zukunft gerne wieder öfter sehen will.
Momentan scheint die Western-Sonne über dem Cowboy Club unterzugehen, doch kampflos aufgeben wollen die Revolverhelden nicht. Bastian Sykora ist der Schäfer für momentan 32 wackere Schäfchen, die ihre Mitgliedschaft im Verein noch pflegen. Später gab es auch in Regensburg Überlegungen, den Verein zu einem Freizeitpark wie „Pullman City“ im bayerischen Wald zu verwandeln: „Ich bin im Juli 2021 Vorstand geworden und eine meiner ersten Fragen war, ob wir den Cowboy Club auch in diese Richtung entwickeln wollen.“ Bei der ersten Versammlung sei die Ansage jedoch klar gewesen: „Wir bleiben beim Hobby. Wir veranstalten zwar gerne Konzerte und Feste, aber der Verein hat eindeutig entschieden, dass das Hobby im Mittelpunkt bleiben soll.“ Der erste Vorstand Sykora hat eine klare Idee, wie es weitergehen soll: „Wie das nach meinen vier Jahren als Vorstand sein wird, kann man jetzt nicht sagen.“
Dechbetten statt Death Valley
Das Herz von „Wolf Canyon City“ bildet immer noch die Liebe zum Wilden Westen. Zufluchtsort für Anhänger des Sehnsuchtsorts – das soll der Cowboy Club seinen Mitgliedern bieten. „Ich habe hier oft Nachmittage im Schaukelstuhl auf der Terrasse verbracht. Mit einem Glas Whisky oder Bier in der Hand und habe einfach genossen, hier runterzuschauen – in eine andere Person zu schlüpfen“, schwärmt Ben. Er und seine Frau Mary sind auch bei unserem Gespräch in historischen Outfits gekleidet.
Um Bens Hals hängt eine beeindruckende Kette mit Insignien amerikanischer Ureinwohner. An seiner Hüfte steckt in einem Holster ein nicht minder beeindruckender Revolver. Im Cowboy Club erhält „dem Alltag entfliehen“ eine neue Bedeutung. „Früher stand der Cowboy Club im Zeichen von Hollywood und das wandelt sich seit etlichen Jahren in Richtung Authentizität“, weiß Sykora zu berichten. Die Möglichkeit in eine ganz andere Person zu schlüpfen steht im Mittelpunkt des Vereinslebens und hat auch 2022 noch seinen berechtigten Reiz.
Die beiden Vorstände Ben Sickinger und Bastian Sykora (v.l.) hinter der Saloon-Bar
The Devil Wears a Suit and Tie
So hatte auch Ben „Red“ Sickinger als jüngstes Mitglied des Vereins kein Problem damit, sich entsprechend einzukleiden. Sickinger war über den Auftritt einer Freundin auf der Open Stage im Saloon kurz vor Corona beim Verein gelandet. Trotz seiner kurzen Zeit im Verein ist der 26-Jährige bereits zum zweiten Vorstand aufgestiegen und ist damit mit Bastian Sykora zusammen Hoffnungsträger der Cowboys. „Für mich war klar: Wenn man in einen Cowboy Club geht, zieht man sich auch dementsprechend an“, bestärkt Sickinger den Wunsch zur Authentizität. Über die Jahre hat sich ein ordentlicher Fundus an Kleidung im Club angesammelt, auf den Frischlinge beruhigt zurückgreifen können. Heute gäbe es natürlich auch Online-Händler, bei denen man sich problemlos eine Komplett-Ausstattung bestellen könnte.
Vor 40 Jahren lief es aber noch bedeutend anders ab, weiß Ben Aumeier: „Ich habe mir damals mein erstes Outfit aus meinem alten Hochzeitsanzug gebastelt! Vieles hab' ich später auf Flohmärkten besorgt, alte Kleidung zerlegt und neu zusammengenäht.“ Auch seine Frau Mary berichtet Ähnliches: „Früher haben wir uns die Schnitte aus Büchern geholt und unsere Outfits selbst geschneidert.“ Auch veranstaltetet der Cowboy Club Regensburg, genau wie der Rest der Szene, regelmäßig Flohmärkte auf denen Liebhaber stundenlang stöbern, shoppen und sich austauschen können.
Die alten Helden sterben aus
Unsere Gesprächspartner liegen alterstechnisch jeweils beinahe eine oder zwei Generation auseinander und trotzdem haben sie alle irgendwann ihre Liebe zum Wilden Westen entdeckt. „Als Bua läufst ja an Fasching schon als Cowboy oder Indianer rum und das konnte man hier dann als Erwachsener auch machen“, scherzt Ben Aumeier. Neben den damals immens populären John Wayne oder Richard Widmark Filmen, brachte Ben vor allem die Country Musik auf den Wild-West-Geschmack. Später kam eine tiefe Faszination zur Welt der amerikanischen Ureinwohner hinzu. Ähnlich erging es auch Ben Sickinger, nur dass der 26-jährige eher mit Bud Spencer und Terence Hill Filmen aufgewachsen ist.
Damals hatte der Wilde Westen noch einen ganz anderen Stellenwert: Revolverhelden und edle amerikanische Ureinwohner ritten auch noch öfter über die Leinwände und Fernsehgeräte der Nation. „„Die Italo-Western haben vermutlich noch mehr Einfluss als die amerikanischen Klassiker“, vermutet Sykora. Natürlich denkt man auch sofort an Pierre Brice, der als Häuptling Winnetou durch die kroatische Steppe ritt. Lagerfeuerromantik und die Sehnsucht nach Abenteuern, wie sie in den Karl May Büchern angepriesen wurden, stehen auch heute noch im Mittelpunkt des Cowboy Clubs und sollen Zuflucht in einem von politischen Krisen und Kriegen bestimmten Alltag bieten. „Hier kann man abschalten. An den Grill- und Lagerfeuerabenden fällt so viel von einem ab. Mehr als mir gerade einfällt“, erklärt Mary Mary Aumeier mit Blick auf den Außenbereich des Clubs.
Wikinger statt Wigwam
Bastian Sykora hat verschiedene Erklärungsansätze, warum die Mitgliederzahlen seit Jahren stagnieren. Die Begründung, dass immer weniger junge Menschen Zeit und Lust hätten, sich neben ihrem Beruf in einem Verein zu engagieren, träfe dabei nicht nur den Cowboy Club. Auf der anderen Seite steht die Frage, wie viele sich heute überhaupt noch nach dem Wilden Westen sehnen. Zwar kamen in den letzten Jahren immer wieder Filme, Videospiele, Bücher und andere Medien aus dem Western-Genre auf den Markt, doch den ganz großen Hype haben diese nicht ausgelöst.
Der Fokus liegt seit geraumer Zeit eher auf Superhelden und Wikingern. „John Wayne ist mittlerweile komplett am Thema vorbei und nicht mehr zeitgemäß“, weiß Sykora. Der Vorstand ist sich jedoch auch sicher, dass der Hype irgendwann wiederkommt: „Es bedarf eigentlich nur der richtigen Serie, die auf einem Streamingdienst durchstartet und dann wird Western wieder ein Thema werden.“ Dass das Thema Western nie ganz verschwunden ist, zeigen auch Filme wie „Django Unchained“, die Serie „Westworld“ oder Games wie die Red Dead Redemption Reihe, die ein Millionenpublikum begeisterten. Auch wenn Cowboys nicht mehr wie früher im ganz großen Scheinwerfer der Medienschaffenden stehen, so sind sie doch nie ganz verschwunden.
„Wolf Canyon City“: Eine Western-Stadt im Herzen der Oberpfalz.
Amerika ist (nicht) wunderbar
Problematisch bleibt das Herkunftsland des Westerns: Das Bild der USA im Rest der Welt hat sich nicht erst mit der Präsidentschaft von Donald Trump gewaltig verändert. Vorbei ist die Zeit, in der der „American Dream“ als das Nonplusultra aller Lebensträume galt. Auch bei den Mitgliedern des Cowboy Clubs ist die Motivation, selbst einmal in das Ursprungsland ihrer Leidenschaft zu reisen, merklich gesunken. Denn auch wenn der Club strikt unpolitisch ist – konform mit den Einstellungen der heutigen USA ist man nicht. „Wir stellen eine Epoche in einem Land dar – nicht mehr und nicht weniger. Die moderne Politik Amerikas hat mit uns überhaupt nichts zu tun“, erklärt der erste Vorstand. Am ehesten reizt die Mitglieder noch die Natur der Staaten. Damit könne die Oberpfalz leider nicht mithalten, gibt Sickinger zu. „Die Landschaft und die Natur haben natürlich ihren Reiz“, sagt auch Sykora. Das könne man in Regensburg natürlich nur schlecht darstellen, so viel ist klar.
Auch Ben Aumeier möchte nicht mehr in die USA – auch wenn dort das Herz der seiner geliebten Country-Musik schlägt. „Wenn man sich anschaut, was da rumkreucht und fleucht und was die von sich geben und was die am liebsten hätten – kein Bedarf, danke!“, schließt das Alt-Mitglied mit Blick auf die Südstaaten. Höchstens in einem Indianerreservat würde Ben in seinem Leben eigentlich noch gerne vorbeischauen. Der Traum, die richtigen amerikanischen Ureinwohner zu besuchen ist noch da.
Red Regensburg Redemption
Die Regensburger Cowboys, Cowgirls und Trapper bleiben lieber in ihrem beschaulichen Städtchen, anstatt ihr Glück in der Ferne zu suchen. Tatsächlich sieht man „Wolf Canyon Town“ sein Alter von 60 Jahren kaum an. Das liegt mit großer Sicherheit an der vielen Liebe und Freizeit, die die Mitglieder in ihr Fleckchen Paradies stecken und gesteckt haben. Arbeitsintensiv ist es sicher, aber das hat nicht nur Schlechtes, weiß Sickinger: „Ich werkel' generell recht gern und hier oben gibt es immer was zu tun. Glücklicherweise muss nicht immer alles perfekt und passgenau sein. Durch die Freiheit macht die Arbeit auch richtig Spaß.“
Wer irgendwo in sich einen kleinen Cowboy oder einen gewieften Trapper finden kann, ist im Verein willkommen. „Wenn es nach dem Lebensgefühl oder der Lebensweise geht, dann eigentlich wöchentlich“, antwortet Sykora auf die Frage, ob denn bereits ein „echter“ Cowboy zu Besuch war. „Die Vereine erwachen gerade erst wieder richtig zum Leben“, freut sich Ben Sickinger. Die zwei Jahre Corona-Unterbrechung kamen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, denn eigentlich wollte man 2020 das sechzigjährige Bestehen feiern. Die gute Nachricht: Die Feierlichkeiten sind auf diesen September verschoben worden.
Der harte Kern des Cowboy-Clubs. In der Mitte: Unsere Gesprächspartner und Alt-Mitglieder Ben und Mary Aumeier. Jeweils links und rechts außen: die beiden Vorständen des Vereins.
Come Hell or High Water
„Es immer wie ein Nachhause-Kommen, wenn man das tolle Gelände betritt und so auch mal Sorgen und den Stress des Alltags hinter sich lassen kann. Sowas findet man nicht an jeder Ecke“, schließt der Vorstand. Wer dann auf den Geschmack kommt, ist willkommen, zu bleiben und zu lernen, wie man Lasso wirft und Whisky trinkt, ohne das Gesicht zu verziehen. „Mit der Mitgliedschaft hat man erstmal keine Verpflichtungen und das Bier kostet die Hälfte“, erklärt einer der Vorstände mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
Über Jahre war der Verein für Außenstehende geschlossen oder nur mit einem Bürgen aus dem Verein betretbar. Ein Zustand, zu dem man auf keinen Fall zurück möchte, erklärt der Vorstand. „Es ist ein schöner Fleck Erde, den man ruhig teilen kann“, weiß Sickinger. Es wäre eine Schande, wenn dieses Stück Wilder Westen irgendwann nur noch in Erinnerungen und Bildern weiterexistieren würde. Wer sich selbst einen Eindruck von Wolf Canyon Town machen will, ist jeden Freitag ab 18.00 Uhr herzlich eingeladen vorbei zu schauen. Eine bessere Ausrede aufzusatteln und hinzureiten wird es so schnell nicht mehr geben. Hier geht es zur Website des Vereins.
Lucas Treffer/RNRed