Mit "Sommer in Regensburg" hat die Stadt eine Hymne auf ihre vermeintlich schönste Jahreszeit erhalten. Diese stammt aus der Feder von Lukas Buczek und Nico Reitmeier, besser bekannt als Bucci und Marveni. Im Gespräch mit dem filterMAGAZIN haben sie Hintergründe zum Entstehungsprozess verraten.
Die Reise in die musikalische Welt des Raps beginnt mit einer Fahrt in den Westen von Regensburg. In der Herman-Köhl-Straße befindet sich ein Studio, das mit allerlei Instrumenten und Geräten gefüllt ist. Während am Wochenende viele junge Leute an der Donau sitzen, Wein trinken und Musik hören, geschieht hier die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Lifestyle vieler junger Regensburger. Dieser ist durchsetzt vom jeweiligen „Vibe“, der sich durch die Straßen von der Stadt schlängelt. Zwei junge Musiker haben es geschafft ihn einzufangen und in einen Song zu verwandeln: „Sommer in Regensburg“.
Gemeint sind die beiden Musiker Nico Reitmeier alias „Marveni“ und Lukas Buczek alias „Bucci“, die seit ein paar Monaten miteinander Musik produzieren. Aus dieser Kooperation wurde ein Hit, der auf den Streaming-Plattformen gerade viele Hörer findet. Es sind vor allem Hörer aus der Region, die das Heimatthema, die bekannten Clubs und Orte, die besungen werden, lieben. Fans, die dann unter der steinernen Brücke sitzen oder über den Eisernen Steg mit der Bluetooth-Box im Rucksack laufen. Der Ausflug ins Studio ist dazu da, um die Musik und die Produzenten besser kennenzulernen. Hier haben sie erklärt, woher ihre Inspiration kommt und wie sie es geschafft haben, über Regensburg einen Song zu produzieren.
Kleine Schritte, große Wirkung
Es braucht relativ viel technisches und künstlerisches Können, um einen fertig produzierten Song auf die Zuhörer dieser Stadt loszulassen. Ein Können, das für Bucci beim Freestylen begann, sich während der Auseinandersetzung mit Poetry Slams weiterentwickelte und schließlich beim Hip-Hop endete. „Meine erste Studioaufnahme, die ich zum Geburtstag geschenkt bekam, schickte mich dann in die Rapszene“, erinnert sich Lukas Buczek. Er begann das Leben zu besingen: die Freundschaft, die Heimat, Partys – einfach all das, was einen jungen Menschen ausmacht. Sein Produzent und Freund Marveni fing mit Klassik- und Rock-Musik an und sammelte seine eigenen Erfahrungen.
Diese münden in einer wichtigen Erkenntnis: „Irgendwann hab ich einfach festgestellt, dass man in der Populärmusik alles vereinen kann und Rap gehört da eben auch dazu. Man kann heute einfach gar keinen Bogen mehr um Rap machen.“ Rap ist seit Jahrzehnten nicht mehr aus der Musikwelt wegzudenken, aber die Kombination aus einer eigenen Produktion, eigenen selbstgedrehten Videos und Stilelementen wie „Adlibs“, wie Bucci und Marveni sie verwenden (Anm. d. Red. Adlibs sind kurze Einsprecher, die dem Text Nachdruck verleihen), ist neu.
Am besten ergänzt man sich
Wichtig für einen guten Song wie „Sommer in Regensburg“ ist auch, dass die Zusammenarbeit harmonisch abläuft und sich Künstler begegnen, die ein ähnliches Verständnis von Musik mitbringen. Nico Reitmeier berichtet: „Bucci hat ein eigenes Set-Up und versteht die Technik, die beim Produzieren angewendet wird.“
Lukas Buczek kann sich dafür auf das Auge seines Partner verlassen: „Marveni hat den Beat dann auf meine Demo angepasst und brachte dabei das richtige Gespür mit, welche Teile wir rauslassen und welche wir beibehalten wollen.“ Das Wichtigste für Marveni ist das Gesamtpaket, das Bucci ausmacht: „Er bringt eine klare Vision mit, gestaltet hochwertige Songs, ist als Künstler interessant und kann am Mikrofon abliefern“, wie der Produzent zusammenfasst. So wurde aus der Demo und den Beats, die Marveni im Kopf hatte, ein runder, stimmiger Track.
Sound and Vision
Hinter einem Song steckt eine lange Vorarbeit, die meist mit einem spontanen Geistesblitz beginnt. Doch noch viel wichtiger ist die Vision, die dieser zugrunde liegt. Lukas stellte fest, dass der Fokus der Jugend stark auf Berlin liegt. Er sei wie viele andere nicht in die Hauptstadt, sondern nach Regensburg gezogen und dabei sei ihm aufgefallen, dass dieser Stadt ein musikalisches Gesicht fehle, wie Bucci erzählt. Gerade aus dieser Erkenntnis heraus entstanden Zeilen wie „Wir hängen am Bismarckplatz und haben keinen Plan, aber Richtung Dichtung ist die richtige Richtung“. Bekannte Plätze werden in das Gesamtkonzept aufgenommen und zu einem Mosaik der Stadt zusammengefügt. Herauskommt eine Erinnerung oder einfach nur ein kurzes Gefühl, das von dem losen Mundwerk von Bucci unterstrichen wird.
Die einzelnen Bauteile zu diesem Gesamtbild haben ihre Besonderheit im Detail. Die Aufnahme unterschiedlicher Instrumente, die normalerweise nicht mit Hip-Hop in Verbindung gebracht werden, ist ein Alleinstellungsmerkmal. Eines, das an die Rap-Crew 01099 aus Dresden erinnert. Aber nichts wird abgekupfert, sondern mit eigenen, individuellen Ideen versehen. So wird auch eine eher untypisches Instrument Teil der Tonspuren: „Wir haben eine Mandoline für den italienischen Flair und die Line ‚Man sagt, dass Italien hier seinen nördlichsten Teil hat‘ eingebaut.“, erklärt Marveni. Hinzu kommen ein Akkordeon und eine Slide-Gitarre für den gewissen Urlaubsvibe. Das Vorbild 01099 sei hier Inspiration gewesen, wie Bucci hinzufügt.
Der rote Faden
Neben diesen Ideen ist der rote Faden sehr wichtig. Gerade wenn das eigene Leben mit vielen Höhen und Tiefen versehen ist, kann die Story, die man gerne erzählen würde, holprig werden. Oftmals sind die Auslöser bekannt: Drogen und Exzesse. Doch „Sommer in Regensburg“ ist keiner dieser klassischen Hip-Hop-Tracks über übermäßigen Alkoholkonsum und Abstürze. Haben die Künstler also einen Wandel durchgemacht und sich seit Songs wie „Durch die Stadt“, der noch von explizitem Drogenkonsum handelt, weiterentwickelt?
Jeder Künstler braucht einen Wandel
In der Rapszene sind Drogen ein allgegenwärtiges Thema, weil sie oft zum Leben der Interpreten, wie Captial Bra, BHZ oder GZUZ gehören. Es wird darüber gesungen, was man in seiner Freizeit macht und das ist oft der Konsum von psychoaktiven Substanzen. Schaut man sich den Text von „Sommer in Regensburg“ genauer an, dann fällt vor allem auf, dass Alkohol zwar erwähnt wird, aber sich nicht in den Mittelpunkt drängt. Härtere Drogen werden dagegen gar nicht thematisiert. Der Künstler machte hat sich einer Veränderung unterzogen: Aus regelmäßigem Alkoholkonsum am Bismarckplatz wurde eine Anti-Drogen-Haltung. Denn er sei schon so ein vollkommen offener Mensch und brauche diese Extras gar nicht, wie Bucci erklärt. Für ihn ist es provokant, wenn er gegen den Strom schwimmt.
Von rollenden Skatern oder Papes, die gerollt werden?
Bucci war es wichtig, sich weniger auf Drogen zu fokussieren, sondern mehr auf seine Freundin, seine Freunde und was sonst noch in dieser Welt passiert. So wurde aus der Line „Häng' ab mit Skatern beim Neupfi, ja, das Pape, das rollen sie“ stattdessen „dort skaten, das sollen sie“. Was hinsichtlich der Debatte um den „Skater-Terror“ am Neupfarrplatz ein klares Statement ist. Laut einer lokalen Tageszeitung stören die Skater nämlich ihre Umgebung, die Touristen und Anwohner. Der Song beinhaltet damit eine fein dosierte Kritik und fasst nebenbei die coolsten Orte, wie den Bismarckplatz und Clubs und Bars, wie das Sax oder das Heart zusammen.
Der Vibe muss stimmen
Wichtig für eine breite Masse an Zuhörern ist der richtige „Vibe“, der sich hinter Bieren in billigen Bars und Kippen in überfüllten Clubs versteckt. Dieser Modebegriff, der in vielen aktuellen Rap-Texten angewendet wird, beschreibt ein ganz eigenes Gefühl, das mit der Musik und dem Leben in Verbindung steht. Für Bucci und Marveni sind das die Tour durch das
Regensburger Nachtleben und gute Gespräche mit Freunden. Oder wie es Marveni beschreibt: ein Netz an Stimmungen.
Das perfekte Zusammenspiel
„Wenn du die Stadt magst, wenn man über sie erzählen will, wenn die Worte stimmen, die man verarbeitet und die vermittelte Energie die Richtige ist und alles zusammen in die Performance passt, dann kann man diesen Vibe einfangen“, philosophiert der Musiker. Hat man diesen Vibe eingefangen, dann wird daraus auch ein stimmiger Track. Für einen guten Track braucht es also viel mehr als nur Glück, sondern ein jahrelang antrainiertes Gespür für Texte, technisches Verständnis und ein stetiges, aufregendes Leben.
Denn ohne Leben, auch kein Vibe!
filterMAGAZIN, Denis Sadiku/RNRed