Explodierende Energiekosten und rasante Preissteigerungen bedrohen so gut wie alle Wirtschaftszweige im Freistaat: Die Gewerkschaft ver.di fordert nun, dass die Förderpakete von Minister Söder auch die Freie Szene stützen und durch die Krise bringen sollen.
Bayerische Kulturbetriebe und hier vor allem Einrichtungen, die nach wie vor unter den Auswirkungen und Einbußen durch „Lockdowns“ und andere Pandemieauflagen leiden, dürfen aus Sicht der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in der aktuellen Krise nicht erneut gefährdet werden. Die Organisation fordert daher konkrete Pläne von Seiten der Landesregierung um bedrohte Existenzen im Freistaat nicht einfach enden zu lassen.
Ländlicher Raum im Fokus
Luise Klemens, Landesleiterin von ver.di Bayern, betont: „Auch die Freie Szene sowie unabhängige, selbstständige Künstler:innen und Kulturschaffende sind in ihrer Existenz bedroht durch unbezahlbare Energierechnungen und weitere Sachkostensteigerungen. Dieses Szenario birgt die Gefahr, große Teile der Kunst- und Kulturlandschaft unwiderruflich zu vernichten, auch im ländlichen Raum oder in kleinen beziehungsweise finanzschwachen Kommunen.“
Engagierte Menschen angemessen entlasten
Insbesondere Freischaffende leiden bereits jetzt unter fehlenden oder sinkenden Einkommen beziehungsweise höheren Ausgaben für beruflich bedingte Kosten und den Lebensunterhalt, weil eine Vielzahl unter prekären Rahmenbedingungen arbeiten muss. „Diese ambitionierten, engagierten Menschen müssen angemessen entlastet und existenziell nachhaltig abgesichert werden - nicht nur in den Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen des Bundes: Auch der Freistaat Bayern hat hier eine Fürsorgepflicht, denn Kunst und Kultur gehören im ‚Kulturstaat‘ Bayern zur Daseinsvorsorge“, fordert Agnes Kottmann, Gewerkschaftssekretärin für Kunst, Kultur und Selbstständige in ver.di Bayern. „Die Hilfen müssen gezielt erfolgen und nicht nach dem Gießkannenprinzip, sodass Bestverdienende und Vermögende ebenfalls profitieren.“
Brücken zwischen gesellschaftlichen Schichten bilden
Danach sollten bei der Versorgung mit Strom und Wärme nicht nur Kulturgüter der sog. Hochkultur und des historischen kulturellen Erbes berücksichtigt oder gar priorisiert werden – auch die abseits davon vielfältiger Kunst- und Kulturlandschaft gelte es zu pflegen und zu bewahren, inklusive der Angebote für geflüchtete und mit geflüchteten Menschen. „Vielfalt und vielfältige Stimmen bereichern unsere Gesellschaft und stärken unsere Demokratie. Sie sind wichtige Inspiration für zukünftige Entwicklungen und Lösungen“, ist Tina Scholze überzeugt, stellvertretende Landesfachbereichsleiterin des neuen ver.di-Fachbereichs A und unter anderem zuständig für Kultur. „Sie bilden Brücken zwischen gesellschaftlichen Schichten und Generationen und stärken besonders in Krisenzeiten den Zusammenhalt.“
Energiesparmaßnahmen dürfen nicht zu Krankheit führen
Feste und freie Mitarbeiter in Kunst und Kultur dürfen für ver.di außerdem nicht unter Energiesparmaßnahmen wie abgesenkten Temperaturen gesundheitlich leiden. Die Gesundheit ist insbesondere bei freien Kulturschaffenden deren Kapital, auch weil sie meist keine Einnahmen beziehungsweise Honorarfortzahlungen haben, wenn sie krank sind. „Der Gesundheitsschutz all dieser Menschen ist für ver.di mindestens genauso wichtig wie der Erhalt der ‚alten Schätze‘“, so Luise Klemens.
Sinkende Kaufkraft durch Preisexplosion
Danach seien Theater, Kinos und Kultureinrichtungen weder zu schließen noch im Betrieb einzuschränken, um so auf Kosten des kulturellen Angebots und der Produzenten wie Besucher Energie zu sparen. Vernünftige, sinnvolle Energiesparkonzepte werden von ver.di begrüßt und unterstützt.
Die aufgrund von Preisexplosionen sinkende Kaufkraft könnte zu großen Einnahmeverlusten bei Eintrittsgeldern führen, befürchtet ver.di. Diese müssten durch öffentliche Zuschüsse oder Ähnliches kompensiert werden – beziehungsweise könnten auf diese Weise Angebote im Preis günstiger werden. Was wiederum eine verstärkte Nachfrage nach sich ziehen und Kultur für alle ermöglichen würde.
Gerechtere Steuerpolitik gefordert
Ein Bayerischer Rettungs- beziehungsweise Schutzschirm ist für ver.di das Gebot der Stunde – und zwar für die Daseinsvorsorge mit Kunst und Kultur als einem der lebensnotwendigen Bestandteile. Statt unter anderem bei den sogenannten freiwilligen Leistungen in Kunst und Kultur besonders in bayerischen Kommunen zu kürzen oder damit zu drohen. „Die bayerische Staatsregierung muss sich zusätzlich beim Bund für bessere kommunale Finanzen stark machen und außerdem die Forderungen von ver.di und kommunalen Beschäftigten, unter anderem in Theatern und Musikschulen, in der anstehenden Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes unterstützen“, verlangt Tina Scholze.
Eine Finanzierung ist für ver.di möglich unter anderem durch eine gerechtere Steuerpolitik wie Reichensteuer, Vermögenssteuer (stärkt den Landeshaushalt), höhere Erbschaftssteuer, Übergewinn- beziehungsweise Krisengewinnsteuer oder Ähnlichem.
Kulturelles Erbe bleibt schützenswert
Die Angestellten wie Selbstständigen in Kunst, Kultur, Soziokultur und kultureller Bildung sind aus ver.di-Sicht unser wichtigstes Kulturgut und einer der wichtigsten Zukunftsfaktoren, auch angesichts der Endlichkeit von Rohstoffen. Ohne Kulturschaffende können wir unser kulturelles Erbe nicht schützen und die vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft nicht bewahren und ausbauen. Agnes Kottmann dazu: „Wenn nur noch jene Kultur schaffen, die sich das ‚leisten‘ können, verlieren wir Vielfalt, unkonventionelle Stimmen, innovative Perspektiven und die Fähigkeit, Vorgegebenes und Eingefahrenes neu zu denken und anzugehen.“
ver.di Bayern / RNRed