Hannes Ringlstetter ist neben seinen Auftritten als Kabarettist und Sänger in seiner Band Ringlstetter auch für seine Rolle als Yazid in „Hubert und/ohne Staller“ bekannt. Welche Eigenschaften er gerne von Yazid hätte, warum er den Selbstoptimierungswahn nicht unterstützen möchte und wie wichtig Humor und Selbstakzeptanz im Leben sind, hat er im Interview erzählt.
Im zweiten Teil des Interviews aus der filter-Jubiläumsausgabe sprach Kabarettist, Schauspieler und Sänger Hannes Ringlstetter mit dem filter und Regensburger Nachrichten über den aktuellen Selbstoptimierungswahn sowie die Wichtigkeit von Humor und Selbstakzeptanz für ein erfülltes Leben. Zudem erzählt er von seiner Rolle als Yazid in „Hubert und/ohne Staller“ – welche Eigenschaften er mit diesem teilt und welche er gerne von ihm hätte.
Als ehemaliger Germanistik Student kennen Sie bestimmt Hermann Hesse. Der Autor meinte einmal: „Aller Humor fängt damit an, dass man die eigene Person nicht mehr ernst nimmt.“ Stimmt das deiner Meinung nach und wenn ja, wann hast du aufgehört, dich ernst zu nehmen?
Also erstmal stimmt das natürlich, zumindest ist das ein Verständnis von Humor, das mir das liebste ist. Jeder, der behauptete, dass er das immer kann – sich selbst nie ernst zu nehmen – der lügt aber meiner Meinung nach. Ich denke, dass das nicht geht, weil man jegliche Form von Karriere, Arbeit oder Ehrgeiz nicht entwickeln würde, wenn man sich nicht zwischendrin ernst nimmt. Aber auf der Bühne habe ich wenig Ernsthaftigkeit mir gegenüber. Wichtig ist, dass man sich selbst im Weltlauf nicht zu ernst nimmt. Aber das hat nichts mit dem Beruf des Humoristen zu tun, das braucht jeder. Wenn du wirklich denkst, die Welt gäbe es ohne dich nicht, dann musst wahrscheinlich in die Psychiatrie.
Du bist ja unter anderem auch als Kabarettist sehr erfolgreich. Wie wichtig ist deiner Meinung nach Humor und Kabarett in bewegten Zeiten wie diesen?
Also erstmal würde ich behaupten, dass dadurch dass es die Form des Kabarett schon lange gibt und auch die Commedia dell‘arte schon sowas Ähnliches war, die Zeiten offensichtlich immer bewegt sind. Ich glaube, was jetzt gerade anders ist als die letzten 20 oder 30 Jahre ist, dass man früher sehr viel Aufklärungskabarett in Deutschland hatte – wenn man von politischem Kabarett gesprochen hatte. Weil die Halbwertszeit von Erkenntnissen im Moment aber bei zwei Minuten liegt, weil sich die Situation einfach so schnell wieder verändert, ist im Momente gar keine Zeit für ein pädagogisches Aufklärungskabarett. Ich denke, dass aktuell die Zeit für Selbstironie, Zweifel und Unterhaltung ist. So brutal das ist, aber Kriegszeiten – und es sind ja im Moment Kriegszeiten – neigen immer dazu, dass sie zur Unterhaltung werden, weil das die Menschen dann einfach brauchen. Ich finde das auch gar nicht so schlimm, ich finde aber dass man hier eine Unterscheidung treffen muss. In Zeiten wie diesen sollte man auf der einen Seite helfen und etwas tun, bewusst aktiv werden. Auf der anderen Seite braucht es auch eine Leichtigkeit, um das alles auszuhalten. Das Labern über „man könnte doch etwas tun“ auf der Bühne bringt denke ich nichts. Entweder man kümmert sich um den ersten Bereich und unternimmt tatsächlich etwas oder man versucht, gesellschaftliche Leichtigkeit zu erzeugen.
„Ich denke, dass Lachen immer ein Zeichen dafür ist, dass man etwas bewältigt hat oder es gar nicht mehr nötig hat, etwas zu bewältigen.“
Lachen und Humor dient oft als Bewältigungsstrategie in schwierigen Zeiten. Wo hilft dir Humor persönlich im Leben weiter oder hat dir in der Vergangenheit – bei Schicksalsschlägen, Ängsten oder Sorgen – weiter geholfen?
Ich denke, du hast etwas eigentlich erst verarbeitet, wenn du darüber lachen kannst. Ein Beispiel dafür ist eine Trennung: Wenn du durch diese zwei Jahre Hölle gegangen bist, kannst du irgendwann darüber lachen. Ich denke, dass Lachen immer ein Zeichen dafür ist, dass man etwas bewältigt hat oder es gar nicht mehr nötig hat, etwas zu bewältigen. Die Engländer zum Beispiel haben einen Humor entwickelt, der dafür sorgt, dass sie gar nicht anfangen, etwas zu bewältigen, sondern sie lachen sowieso erst mal alles nieder. Das ist aber auch eine Strategie. Dadurch haben sie natürlich auch einen heftigen Humor, der arbeitet brachial, ist aber auch relativ schnell wirksam.
Ich glaube, dass es zum Beispiel nach einem Schicksalsschlag auch Schmerz braucht, es braucht auch Trauer – nur wenn man wieder aus all diesen Gefühlen rauskommen möchte, dann braucht es definitiv Humor. Humor in Bezug auf sich selbst zu empfinden, finde ich aber viel schwieriger als ihn für andere auf der Bühne herzustellen. Es hilft aber immer, mal aus sich selbst rauszutreten und von außen auf sich draufzuschauen – ein ganz wichtiges Tool.
Gibt es beim Thema Humor Tabuthemen für dich?
Tatsächlich total viele. Aber das sind meine eigenen Tabuthemen und nicht weil jemand sagt „das macht man nicht“. Ich persönlich finde es langweilig, Tabus zu brechen, weil ich nicht denke, dass es die wirklich noch gibt. „Ficken“ ist hundert Mal gesagt. Ich möchte nicht über Schwache reden oder ausgrenzen, ich mache keine Frisurenwitze, ich fand das schon immer stocklangweilig – wenn dir nichts mehr einfällt, machst du über Merkel einen Frisurenwitz. Für mich ist künstlerisch alles ein Tabu, was nichts mit mir zu tun hat, alles was keinen Rückbezug zu meinem eigenen Leben hat. Warum soll ich das verzapfen?
Wann hast du gemerkt, dass du in deinem Leben Menschen zum Lachen bringen möchtest?
Ob ich das wollte, weiß ich gar nicht. Es ist einfach passiert. Ich habe irgendwann als Kind gemerkt, dass die Menschen gelacht haben, wenn ich irgendwas erfunden, erzählt oder parodiert habe. Das war eine sehr angenehme Reaktion und hat vor allem von mir abgelenkt, das habe ich glaube ich immer gut gefunden. Ich fand schon früher gut erzählte Geschichten immer super – wenn dich etwas fesselt und dir jemand was erzählt und du bist gespannt wie es ausgeht und vielleicht noch eine schräge Wendung nimmt, das fand ich immer schon das Angenehmste, womit man seine Zeit vertreiben kann. Ich hab auch schon immer viel lieber Gschichten erzählt, das war viel interessanter als Witze zu erzählen. Ich habe auch ein gutes Vorbild, mein Vater hat super Geschichten erzählen können. Meine Theorie, warum es bei mir dann zu mehr wurde, ist, dass zwar jeder das erlebt, was ich erlebe, ich mir Geschichten aber merke. Und dann denke ich mir meistens: „Es wäre noch geiler, wenn das noch passieren würde“ und dann erzähle ich das einfach mit und erfinde noch etwas dazu. Das ist übrigens ein beliebter Vorgang bei Humorarbeit, dass man sich Geschichten oder auch Sprache und Dialekte einfach merkt und diese dann wiedergibt. „Wenn die Leute dich mal kennen und du scheiterst und lässt alle daran teilhaben, dann sind das im Endeffekt immer die lustigsten Momente. Aber wenn du unbekannt bist und scheiterst, dann hat da Spaß a Loch.“
Wie schwierig ist es tatsächlich, „auf Kommando“ witzig zu sein? Ist es einfacher, auf der Bühne witzig zu sein oder etwa mit einem festen Skript wie in „Hubert und/ ohne Staller“?
Das sind komplette unterschiedliche Berufe und jeder davon hat seine Regeln. Wir reden ja hier über ein Handwerk. Im Filmbereich entwickle ich zum Beispiel gern ein Skript so weiter, dass ich es selbst auch lustig spielen kann. Was beim Drehen speziell ist, ist, dass es beliebig oft wiederholbar sein muss, weil du bis zu zwölf Einstellungen drehst und wenn du es jedes Mal anders machst, dann wird es schwierig mit dem Filmschnitt im Nachhinein. Es gibt außerdem diese alte Set-Regel: Wenn das Team lacht, ist der Witz schlecht, weil er dann ein interner Gag ist – intern lachst du über andere Dinge, die der Zuschauer aber nicht versteht.
Auf der Bühne ist es anders: Dadurch, dass das Publikum immer unterschiedlich ist, muss man je nach Situation reagieren können, was ich mir auch erst über die Erfahrung antrainieren konnte. Ich hatte Abende, da war das Publikum gar nicht spontan. Da schätze ich es dann, gut vorbereitet zu sein, eine Struktur, einen roten Faden zu haben, die handwerklichen Sachen eben. Wichtig ist auch, sich zu erlauben, scheitern zu dürfen. Wenn die Leute dich mal kennen und du scheiterst und lässt alle daran teilhaben, dann sind das im Endeffekt immer die lustigsten Momente. Da habe ich überhaupt kein Problem damit (lacht). Das kann ich ganz gut, ich schmeiße ja eh ständig was um. Aber wenn du unbekannt bist und scheiterst, dann hat da Spaß a Loch.
„Puh, lass mich damit in Ruhe, das musst du jetzt schon mit dir selbst ausmachen“
Du tourst mit deiner Band Ringlstetter ja durch ganz Deutschland und Österreich. In deiner Musik kommt sowohl deine witzige als auch deine nachdenkliche Seite zum Vorschein. Was möchtest du mit deiner Musik bewirken?
Ich will, dass alles vorkommt, was Leben ist. Ich hab selbst gemerkt, dass wenn ich mein Leben nicht vollständig in Kunstform abbilde, dann verhungere ich, weil ich dann immer einen Teil meines Lebens ausschließe. Ich will deshalb eigentlich gar nicht viel von den Leuten, sondern ich biete ihnen etwas an – sowohl Lustiges als auch Nachdenkliches oder mal Trauriges – dadurch bilde ich mich komplett ab in all meinen Gefühlslagen. Da diese verschiedenen Gefühlswelten jeder hat, entsteht ein ganzheitliches Gefühl. Hier entsteht sehr leicht der Eindruck „das ist einer wie wir“, damit kann ich persönlich nicht viel anfangen, weil das immer diese „Authentizitäts-Keule“ ist, die ich persönlich schwierig finde, weil trotzdem bleibt das, was du da machst, eine Form von Kunst. Ich bin auf der Bühne nicht genauso wie ich privat bin – das ist ja auch absurd. Aber Musik und Lieder haben eine totale Selbstreinigungsaufgabe, genauso wie das Lachen. Ich finde nur immer schwierig, wenn manche Künstler über die Musik den Leuten ihre Probleme zumuten, sodass eine Betroffenheit im Raum entsteht. Da Denk ich mir „puh, lass mich damit in Ruhe, das musst du jetzt schon mit dir selbst ausmachen“. Man kann es ja verarbeiten in einem Lied, einem Gedankengang, einem Monolog, aber irgendwo gibt es eine Intimitätsgrenze. Jeder, der meine Songs hört, soll damit machen können, was er will.
„Eine Zeit lang wirst du vielleicht cooler oder gscheider, aber wenn du immer in diesem Selbstoptimierungs-Wahn bist, verlierst du irgendwann auch deine guten Eigenschaften.“
„So bin I und so bin I gern“, singst du in deinem Song „So bin I“. Bist du wirklich immer froh, dass du so bist wie du bist oder würdest du manche Eigenschaften an dir gerne ändern?
Also ich habe mir abgewöhnt, mich ändern zu wollen. Ich finde mich selbst ok, ich kann ein paar Sachen ganz gut und andere Sachen kann ich überhaupt nicht. Man muss sich irgendwann so akzeptieren, wie man ist. Also wer sich mit 50 noch nicht akzeptiert hat, da wird’s dann auch echt schwierig. Dazu gehört, dass man Schwächen auch irgendwann offensiv zugeben kann, ich bin zum Beispiel ungeduldig und werde dann auch wahnsinnig seltsam, ich verliere total die Kontrolle und werde dann eben komisch. Ich sehe diese Seite mittlerweile aber auch positiv, weil ich durch meine Ungeduld auch immer wach durch die Gegend laufe, was eben auch bedeutet, dass ich viel mitbekomme.
Deshalb gibt es den Song „So bin I“. Übrigens gab es das Gitarrenriff dazu glaube ich acht oder neun Jahre, aber keinen Text dazu – und der Druck stieg, dass es jetzt etwas wahnsinnig Bedeutsames werden muss. Das hat mich irgendwann so aufgeregt, dass ich mir dachte, jetzt mache ich genau das Gegenteil, jetzt mache ich es Mini-thematisch, jetzt geht es nur um mich. Das war auch die Zeit, in der ich mir dachte, dass diese ganze Idee der ständigen Selbstoptimierung irgendwann an seine Grenzen kommt. Eine Zeit lang wirst du vielleicht cooler oder gscheider, aber wenn du immer in diesem Selbstoptimierungs-Wahn bist, verlierst du irgendwann auch deine guten Eigenschaften.
Du bist ja auch als Schauspieler aktiv und spielst unter anderem die Rolle des Yazid in der Kultserie „Hubert und / ohne Staller“. Würdest du sagen, dass du und Yazid euch in manchen Eigenschaften ähnlich seid? Oder hättest du manche Eigenschaften gerne von ihm?
Zum einen würde ich mich gerne mit handwerklichen und technischen Dingen auskennen, habe aber wie Yazid Gott sei Dank die Fähigkeit, eine gewisse Wurschtigkeit zu haben, sodass ich es doch nicht erlerne. Was mir beim Spielen von Yazid immer besonders auffällt und ich genial finde, ist, dass ihm das meiste wirklich wuaschd ist. Jegliche Form von Autoritäten – das kommt gar nicht an den ran. Das habe ich ein Stück weit schon, aber natürlich nicht in der Perfektion wie er. Was ich noch an ihm mag und was ich auch in die Rolle reingegeben habe, ist tatsächlich sowas Pumuckl-haftes. Solche Menschen mag ich auch im echten Leben total gern, die nicht aus Bösartigkeit etwas machen, sondern aus vermeintlicher Unwissenheit, und damit gut durchkommen.
Hier geht’s zum ersten Teil des Interviews mit Hannes Ringlstetter. In „Hannes Ringlstetter: (K)ein Bayerisch zur Prime Time?“ spricht er über Dialekt in den Medien, wie dieser seine Karriere vielleicht sogar befeuern konnte sowie seine Zeit beim filter.
Marina Triebswetter | filterVERLAG