„Sechs auf Kraut“: Diese Bestellung gibt es so oder so ähnlich seit mehr als 600 Jahren, denn seit 1378 werden in einer kleinen Hütte in der Regensburger Altstadt Bratwürste gegrillt. Die historische Wurstkuchl darf sich damit offiziell „älteste Würstchenbude“ der Welt nennen. Eine Retrospektive.
Bereits im Jahr 1378 sind in einer kleinen Hütte am Ufer der Donau in der Regensburger Altstadt – urkundlich bestätigt – Bratwürste gegrillt worden. Das war die Geburtsstunde der ersten Schnellimbissbude der Welt. Nirgendwo sonst auf der Welt aber gibt es einen älteren Bratwurst-Imbiss als in Regensburg.
Aus mittelalterlichen Bauarbeitern wurden Amerikaner
Der Ursprung der historischen Wurstkuchl war ein kleines, an die Stadtmauer angelehntes Gebäude, das während des Baus der Steinernen Brücke von 1135 bis 1146 als Baubüro diente. Als das - seinerzeit als achtes Weltwunder gefeierte - Bauwerk vollendet war, zog das Baubüro aus und das kleine Gebäude wurde zur „Garküche“. Die Kundschaft der Garküche waren Hafen- und Bauarbeiter. Wo sie einst ihren Hunger stillten, kehren heute Tag für Tag Tausende Touristen ein – auch immer mehr Amerikaner, die eine urige kulinarische Abwechslung von den überfüllten Einheits-Buffets auf der wachsenden Zahl von Donau-Kreuzfahrtschiffen suchen. Während die Gäste aus Übersee sich die Würstchen am Originalschauplatz schmecken lassen, versenden gleich nebenan die Mitarbeiter der „Wurstkuchl“ einen der beliebtesten Regensburger Export-Artikel: In Dosen verpackte Regensburger Bratwürste vom berühmten Holzkohlengrill, hausgemachtes Kraut und Senf via Luftpost an Kunden in Asien, den USA oder nach Australien.
Den Köchen über die Schulter schauen
Die Fans schwärmen: Regensburger Bratwürste sind etwas Besonderes. Mit zehn Zentimetern Länge im Miniformat, kaum kleinfingerdick sind sie wohltuender Kontrast zu den nicht weniger bekannten „Regensburger Knackern“, einer Kurzwurst mit fast fünf Zentimetern Durchmesser. „Noch heute wird jede Wurst über offenem Holzkohlenfeuer gebraten“, sagt die Köchin am verräucherten Wurstkuchl-Grill. Jeder kann dabei zusehen: Wer die Wurstkuchl betritt geht auf dem Weg zum Gastraum mitten durch die Küche. Er kann die harte Arbeit der Würstlbraterinnen hautnah erleben, die gelegentlich allenfalls durch Hochwasser der nahen Donau oder - was auch schon geschah - durch den Brand im Küchenkamin unterbrochen wird.
Fans in USA, Asien oder auch Australien
Der Begeisterung der Würstlfans aus der ganzen Welt für die rauchig schmeckenden Mini-Bratwürste aus Regensburg tut das keinen Abbruch. Diese wohlschmeckenden Botschafter aus Deutschlands am besten erhaltener mittelalterlichen Großstadt zählen zu den kulinarischen Exportartikeln Ostbayerns. „Wir haben regelmäßig Bestellungen aus den USA, Asien oder auch Australien“, berichtet Andreas Meier, Chef der Wurstkuchl. Der historische Schnellimbiss ist seit 1806 im Besitz seiner Familie.
Würstl fürs Schlüsselloch
Um das Miniformat der Würstchen, die mit rund einem Zentimeter Durchmesser und maximal zehn Zentimetern Länge als „Liliputaner“ in der Bratwurstwelt gelten, ranken sich so manche Legenden. Eine davon erklärt die „Kleinwüchsigkeit“ damit, dass die Würstl so klein sein mussten, damit Angehörige im Gefängnis sitzende Verwandte durchs Schlüsselloch mit der Spezialität versorgen konnten. Eine andere besagt, dass hungrige Gäste auch noch nach der Sperrstunde mit der Spezialität durchs Wirtshaus-Schlüsselloch versorgt worden sein sollen.
obx-News/RNRed