Der Deutschpop-Star Wincent Weiss im Interview mit dem filter. Der Sänger spricht offen über Einsamkeit, Schubladendenken und verrät einige seiner witzigen Konzert-Rituale. Außer erklärt Wincent, wie er das Pendeln zwischen München und Berlin verkraftet.
Wincent Weiss wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten Künstler in der deutschen Musiklandschaft. Der Sänger mit dem Wuschelkopf ist für Songs mit Tiefgang bekannt. Kaum ein zweiter bringt seine Gefühle so offen zum Ausdruck wie er. Ob ihm das manchmal schwer fällt, was er mit seinen Songs bewirken möchte und warum Einsamkeit besonders in seinem Beruf eine große Rolle spielt, hat er uns im Interview verraten. Welche witzigen Rituale er mit seiner Band vor Konzertbeginn pflegt und die Vorfreude auf die kommende Festival-Saison waren aber natürlich auch Thema.
Servus Wincent, schön, dass du dir heute Zeit für uns genommen hast. Wo erwischen wir dich gerade?
Servus. Ich bin in Berlin und komme gerade aus München. Ich war die ganze Woche in München im Studio und bin jetzt in Berlin im Büro.
Ist Pendeln zwischen München und Berlin für dich Standard?
Genau. Ich habe mein Pendler-Dreieck Berlin – München – Lübeck und fahr‘ deshalb auch relativ viel durch die Gegend. Das ist dann wirklich mal Zeit, die ich ganz für mich habe, wenn ich sechs Stunden am Stück im Auto sitzen darf.
„Ich geh' meistens mit meinem Pianisten zusammen nochmal ‚pinkeln‘“
Du bist bald wieder viel unterwegs, da du ab Mai wieder auf Tour gehst.Genau. Endlich wieder. Die Tour wurde ja schon so oft verschoben, aber jetzt im Mai ist es soweit und unsere große Tour steht endlich an. Dadurch geht’s im Rahmen des Jahn-Open-Air für mich natürlich auch nach Regensburg.
Wie ist bei dir die Stimmung? Wie blickst du auf diese Tour?
Eigentlich wie auf jede Tour: Ich genieße die Vorfreude. Wir bereiten uns jetzt natürlich schon lange darauf vor, haben laufend Band- und Produktionsproben und überlegen uns, wie wir das Bühnenbild designen könnten. Und dann findet dieses Mal hoffentlich alles wie geplant statt. Die letzten Touren wurden ja relativ kurzfristig abgesagt oder verschoben, aber dieses Mal sieht es denke ich ganz gut aus. Ich drücke auf jeden Fall allen die Daumen.
Wie bereitest du dich auf deine Auftritte vor? Was gehört für dich alles dazu? Hast du hier bestimmte Rituale oder Traditionen?
Ich geh' meistens mit meinem Pianisten zusammen nochmal „pinkeln“ bevor es losgeht und wir nehmen uns immer als Band noch einmal in den Arm, stimmen uns ein bisschen auf den Abend ein, schreien einmal laut durch die Gegend und dann geht’s los auf die Bühne. Meistens gibt es vorher noch einen Ingwerschnaps.
„Ich stehe auch vor viertausend Leuten auf der Bühne und danach komme ich allein ins Hotelzimmer, nachts um zwei.“
In einem deiner neuesten Songs „Alleine Bin“ thematisierst du das Gefühl von Panik und Einsamkeit. Wie gehst du selbst damit um, vor tausenden Menschen über so private Themen du singen?
Ich bin eigentlich immer ein sehr offenes Buch gewesen, deshalb hatte ich nie ein Problem damit, vor egal wie vielen Menschen, über meine Gefühle zu quatschen oder solche Songs zu veröffentlichen und zu performen. Ich schreibe die Songs immer aus meinen Gefühlen und meinen Emotionen heraus und hoffe, dass sich so viele Menschen wie möglich damit identifizieren.
Gerade bei „Alleine Bin“ will ich eben auch aufgreifen, dass es vielen Menschen so geht: Sie denken, mit ihren Problemen alleine zu sein und dass keiner nachvollziehen kann, wie sie sich fühlen. Ich will in dieser Situation jemand sein, der sagt, ich verstehe das schon, denn ich fühle mich in vielen Fällen genauso. Ich stehe auch vor viertausend Leuten auf der Bühne und danach komme ich allein ins Hotelzimmer, nachts um zwei. Und von 10.000 auf null ist für mich doch ein ganz großer Cut.
Ich kann mir vorstellen, dass gerade, wenn man so viel unterwegs ist, Einsamkeit ein Gefühl ist, dass man wahrscheinlich häufiger spürt als andere Leute?
Genau. Aber auch, weil es einem einfach so extrem vorgehalten wird, da der Sprung eben so krass ist. Wenn man sonst im Alltag mal alleine ist, fällt einem das vielleicht manchmal gar nicht so bewusst auf. Wenn man zum Beispiel im Büro ist oder – je nachdem, welchen Job man hat – einfach unter normal vielen Menschen ist. Aber dieser Extremfall eines riesigen Publikums, alle schreien, danach gibt es noch Interviews und Meet-and-Greets – das ist schon etwas ganz Spezielles. Man hat zunächst so eine Masse an Informationen und Einwirkungen und wenn man dann ins Hotelzimmer kommt, fällt natürlich auf einmal alles von einem ab.
Deine Stimmung, deine Gefühle und deine Launen sind ja öfter Teil deiner Texte. In welcher Gefühlslage machst du am häufigsten oder am liebsten Musik?
Am liebsten ist man glaube ich natürlich immer glücklich. Aber die besten Songs lassen sich dann doch schreiben, wenn die Stimmung etwas melancholischer ist und man ein bisschen in sich gekehrt ist, weil man in dieser Situation auch die meisten Gedanken aufschreibt – man diskutiert auch die meisten Themen in so einer Stimmung. Wir schreiben natürlich mittlerweile auch viele Songs, die in glücklicher Stimmung verfasst wurden und die positiv sind. Aber ich glaube, die längsten und ausgiebigsten Gespräche führt man halt dann doch über Themen, die einen berühren, die einen treffen, die einen traurig machen.
„Wir leben in einem Land, in dem die meisten Menschen in Schubladen denken“
Gerade, wenn man sich deutschsprachige Texte anschaut – du singst ja primär deutschsprachig – ist diese Stimmung tatsächlich häufig Thema. Gerade im Deutschpop, der von Männern gesungen wird, spielen Gefühle immer eine große Rolle. Fühlst du dich in deiner Rolle als deutscher Popmusiker auch leicht in eine Schublade gesteckt?
Ja klar. Also ich glaube, ich fühle mich, bei allem was ich mache, in Schubladen gesteckt, weil wir einfach doch in einem Land leben, in dem die meisten Menschen in Schubladen denken. Gerade wenn man auf Instagram zum Beispiel sieht oder hört „Wincent Weiss ist ein Deutschpop-Sänger“, dann hat man sofort diese Schublade auf. Da werden dann alle Klischees für Deutschpop erfüllt und dann gehen die Schubläden auch wieder zu. Das ist aber denke ich ein allgemeines Problem, das nicht nur den Deutschpop betrifft. Ich glaube, das ist genauso bei Deutschrap, bei Schlager und bei Deutschrock.
„Vielleicht irgendwann mal so bekannt werden wie Andreas wäre toll
Es ist einfach dieses Genre-Denken, das sich in der Musik schnell etabliert. Trotzdem wirst du im gleichen Zug häufig mit Namen von Deutschpop-Ikonen wie Tim Bendzko oder Max Giesinger erwähnt, die sich bereits über Jahre bewährt haben. Hast du auch eigene Vorbilder?
Ich wollte natürlich schon immer, seit ich damals angefangen habe, Musik zu machen, irgendwann ein bekannter Musiker werden. Dass es so schnell geht, dass ich die Sperrspitze im Deutschpop erreichen darf, hätte ich natürlich niemals gedacht. Zu meinen Anfängen war gerade Andreas Bourani riesengroß. Da dachte ich, vielleicht irgendwann mal so bekannt werden wie Andreas wäre toll. Dann kam noch Mark Forster, mit dem man sich dann messen musste. Messen klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich bin tatsächlich ein sehr „competition-reicher“ Typ (lacht). Ich möchte eigentlich immer oben mitspielen und das habe ich im Deutschpop ganz erfolgreich gelöst, sodass ich jetzt an der Spitze mitspielen darf.
Dass du sehr erfolgreich bist, sieht man ja auch daran, dass du im Sommer praktisch durchgehend auf Tour bist. Besonders freuen wir uns natürlich, dich am Jahn-Open-Air in Regensburg zu sehen. Was brauchst du persönlich, um wirklich in Festival- und Open-Air-Stimmung zu kommen?
Wenn ich privat auf Festivals gehe, dann frisches Bier. Und wenn ich selbst auf der Bühne stehe – dann auch (lacht). Ne, also bei Auftritten ist es natürlich immer, dass meine Band – also meine Zweitfamilie – da ist und natürlich gut gelaunte Menschen vor der Bühne. Ich glaube, jedes Konzert ist immer nur so gut, wie das Publikum vor der Bühne. Da können wir Künstler noch so viel machen, aber wenn der Funke nicht überspringt, dann wird das Festival nicht gut. Das beeinflusst ebenso, wie wir auf der Bühne performen und auf der Bühne drauf sind. Das Wetter muss mitspielen. Es kommen so viele Dinge zusammen, um einen perfekten Abend daraus zu machen, aber ich glaube, man kann aus jedem Konzertabend einen unvergesslichen machen.
Worauf dürfen die Regensburger:innen gespannt sein, wenn du zu uns in den Süden kommst?
Wir haben natürlich viele Songs dabei. Ich glaube alle Songs, die man aus den letzten Alben kennt oder kennen wird – denn Album Nummer vier kommt ja jetzt noch. Wir haben viele Chöre mit dabei, wir haben viele Aktionen dabei, bei denen das Publikum gefragt ist – weshalb wir sehr darauf hoffen, dass das Publikum voll engagiert ist. Ich glaube, es wird einfach ein unfassbar schöner Abend für die ganze Familie. Mittlerweile stehen ja von vier bis 80 Jahre alle vor der Bühne und singen und tanzen mit.
Warst du schon mal hier in Regensburg?
Ich war erst einmal in Regensburg und hoffe, dass ich dieses Mal auch mehr von der Stadt sehe. Wenn du als Artist in die Stadt kommst, dann siehst du meistens nur das Festival-Gelände, wobei die Leute natürlich auch sehr fixiert darauf sind, dass der Künstler auch mal durch die Stadt läuft. Das wiederum endet dann jedoch meistens natürlich eher in vier Stunden Selfies machen anstatt einer Erkundung der Stadt. Aber ich bin mit einem kleinen Oldtimer unterwegs und vielleicht werde ich gleich bei der Hinreise schon etwas durch die Straßen schlendern.
Wir haben auf jeden Fall eine wunderschöne Innenstadt und nennen uns selbst vor allem im Sommer die nördlichste Stadt Italiens – darum würde ich dir eine Stadtrunde auf jeden Fall wünschen. Ich wünsche Dir ganz viel Spaß und viel Erfolg auf deinen nächsten beiden Touren und bin sehr gespannt. Wir sehen uns in Regensburg!
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Nicole Michalak / RNRed