Von Ober- und Niederwinzer-Kager, über die Innenstadt und das Kasernenviertel, bis hin zu Burgweinting - Harting. Ostbayerns Hauptstadt Regensburg hat eine Vielfalt an interessanten Stadtteilen zu bieten. Unsere erste Spurensuche führt uns in den Stadtwesten.
Regensburg bietet eine große Auswahl an Stadtteilen, die alle auf ihre Weise einzigartig sind und eine Menge Geschichte und Kultur ausstrahlen. In unserer neuen Serie stellen wir nach und nach Regensburgs interessanteste Viertel vor. Und zwar nicht nur ihre Institutionen und Sehenswürdigkeiten, sondern auch ihre Geschichte und Besonderheiten, die vorher vielleicht noch gar nicht bekannt waren und überraschen könnten. Dies gilt auch für den 15. Stadtbezirk der Stadt: das Westenviertel. Der aus fünf Unterbezirken bestehende Stadtteil ist nicht nur Regensburgs größter (680 Hektar) und bevölkerungsreichster (etwa 29.000 Einwohner) Stadtteil, sondern möglicherweise auch ihr vielfältigster. Was das Viertel so alles auszeichnet, welche Geschichte dahintersteckt und wieso es auf jeden Fall immer einen Ausflug wert ist, lesen Sie in unserer Vorstellung.
Vom Arnulfsplatz aus in die Natur
Westlich der Innenstadt, aus dem Stadttor vom Arnulfsplatz und der engen Altstadt kommend, wartet mit dem Stadtpark bereits eine erste Grünanlage, die sich perfekt zum Joggen oder einfach zum Entspannen eignet. Ein Rosengarten voller unterschiedlicher farbenfroher Blumen lädt dabei zu romantischen Spaziergängen ein und ist ein beliebtes Motiv für Fotos. Mit der Ostdeutschen Galerie befindet sich hier ein Kunstmuseum mit ganz besonderem Fokus: dem Kunstgeschehen im östlichen Europa. Hier kann man nicht nur in die Kunstgeschichte der einzelnen Kunstwerke eintauchen, sondern auch etwas über die Kunstschaffenden selbst erfahren, die früher hier lebten und wirkten. Die Sammlung umfasst etwa 2.000 Gemälde, 500 Plastiken und Skulpturen, dreidimensionale Objekte sowie rund 40.000 Papierarbeiten – von der Druckgrafik bis zur Fotografie.
Doch auch für Kultur- und Musikliebhaber gibt es besonders während den Sommermonaten zahlreiche Veranstaltungen im Freien, wie Konzerte oder Festivals. Um dem städtischen Trubel zu entkommen, ist die angenehme Umgebung des Parks ebenso wie geschaffen. Und doch ist man durch die Lage des Stadtteils nur wenige Bus- oder Gehminuten von der Altstadt, dem nächsten Krankenhaus (Barmherzige Brüder) oder dem nächsten Café entfernt. Ein Ort der Gegensätze also, an dem Tradition und Moderne aufeinandertreffen.
Das Westenviertel: Historische Wurzeln
Um die Geschichte des Westenviertels besser verstehen zu können, muss man erst einmal in die Vergangenheit eintauchen. Das Westenviertel kann nämlich auf eine lange Geschichte zurückblicken, die bis in die Römerzeit reicht. Im 2. Jahrhundert n. Chr. gründeten die Römer hier das Lager Castra Regina, das die Basis für die spätere Stadt Regensburg bildete. Die strategisch günstige Lage am Zusammenfluss von Donau und Regen machte das Lager zu einem bedeutenden Militärstützpunkt. Mit dem Rückzug der Römer wurde die Siedlung allmählich zu einem Zentrum für Handel und Kultur.
Ursprünglich also von Handwerkern und Arbeitern bewohnt, entwickelte sich das Viertel im Laufe der Jahrhunderte weiter. Die enge Verbindung zur Donau und die damit einhergehenden Handelsrouten machten die Stadt zu einem bedeutenden Mitglied der Hanse, einem norddeutschen Städtebund, der den Handel in Europa prägte. Das Westenviertel wurde in der Folge von mächtigen Patrizierfamilien geprägt, die prunkvolle Patrizierhäuser errichteten. Die verwinkelten Gassen und Fachwerkhäuser zeugen noch heute von dieser Zeit.
Das Westenviertel im Wandel der Zeit
Im Laufe der Jahrhunderte hat sich das Westenviertel immer wieder verändert und weiterentwickelt. Die industrielle Revolution brachte neue Herausforderungen und Chancen. Fabriken und Manufakturen siedelten sich an und das Viertel wurde von einer arbeitenden Bevölkerung geprägt. Alte Fabrikgebäude wurden später im Zuge der Deindustrialisierung zu hippen Loftwohnungen umgewandelt, was zahlreiche junge Kreative und Künstler anzog und dem Stadtteil unter anderem seine heutige Gestalt verlieh. Durch behutsame Stadtplanung und Sanierung wurde versucht, den historischen Charme des Viertels zu bewahren. Die Bewohner schätzten die Nähe zu Grünflächen und den Erhalt der historischen Bausubstanz. Heute finden sich im Westenviertel neben den historischen Gebäuden auch moderne Architekturelemente, die sich harmonisch in die Umgebung einfügen.
Prüfening: Ein Stadtteil im Stadtteil
Stellvertretend dafür steht das alte Dorf Prüfening, das erstmals im Jahr 1.000 urkundlich als „Bruveningun“ erwähnt wurde und seit 1938 offiziell zu Regensburg gehört. Sein Name stammt dabei wahrscheinlich von „Bribinacho“ oder „Pirbinacho“ ab, was auf seine ursprüngliche Gestalt als Siedlung hinweist. Die Gegend bestand früher nämlich hauptsächlich aus Feldern und Grünflächen und verlockte mit zahlreichen Gasthäusern und einem Strandbad unterhalb der Eisenbahnbrücken zu Ausflügen. Erst ab den 1950ern bauten reiche „Städter“ hier ihre Sommersitze mit großen Gärten. So ist Prüfening auch heute sowohl ein beliebtes Wohngebiet als auch ein populäres Naherholungsgebiet, beispielsweise mit dem Römerpavillon am Kornweg. Durch den sich dort befindenden Bahnhof ist natürlich auch die Verbindung zum Rest der Stadt gegeben.
Genau wie das gesamte Westenviertel kann Prüfening aber auf eine weitreichende Geschichte und bedeutende Bauten blicken. Ein aus dem 11. Jahrhundert stammendes, bedeutendes Benediktinerkloster zum Beispiel, das großen Einfluss auf die damalige wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung von Regensburg hatte und von dem auch heute noch einige Gebäude erhalten geblieben sind. Oder das Prüfeninger Schloss, das im 17. Jahrhundert auf den Überresten einer mittelalterlichen Burg erbaut wurde, in dem sich heute ein Restaurant befindet, wo Gäste in historischer Atmosphäre speisen können.
Messerschmitt: Treiber des Aufbaus und der Zerstörung
Doch am historisch bedeutsamsten waren wohl das Zweigwerk der Messerschmitt-GmbH und der Flugplatz, der sich zu der Zeit ebenfalls noch in Prüfening befand. Prüfening wurde gar 1938 erst eingemeindet, damit die Messerschmitt-GmbH dort ein Werk zum Bau von Jagdflugzeugen für das Dritte Reich errichten konnte. Durch die Bombardierungen während des Zweiten Weltkrieges wurde das Zweigwerk allerdings komplett zerstört. Im Anschluss folgte dann schließlich die flächendeckende Bebauung des „Äußeren Westens“ Prüfening, so wie man den Stadtteil heute kennt.
Eine Fülle an Freizeiteinrichtungen & Sehenswürdigkeiten
Einen Ausflug wert sind auch die zahlreichen Freizeiteinrichtungen und Sehenswürdigkeiten, die sich im Regensburger Westen befinden. Neben den bereits genannten Bauwerken und Parks ist hier vor allem das Westbad zu nennen, das sowohl im Sommer als auch im Winter einiges an Badespaß verspricht. Auch der Donaupark (Westpark), der seinem Namen nach nahe an der Donau liegt, verspricht durch das glitzernde Wasser des sich dort befindenden Baggersees einen ganz besonderen Flair. Doch mit dem Dörnbergpark und seinem unter Denkmalschutz stehenden Palais oder dem Herzogpark und seinem wunderschönen Renaissancegarten gibt es im „Westen“ auch noch viele weitere Grünflächen, die zum Entspannen einladen.
Unter anderem befindet sich im inneren Stadtwesten auch die traditionelle Bischofshof-Brauerei, die seit 1649 Regensburg und die Region mit seinen Bierspezialitäten versorgt. Ursprünglich im Bischofshof am Dom im Zentrum der Innenstadt gelegen, zog die Brauerei nach Vollendung des Bauwerks in den Stadtwesten um. Brauerei-Führungen geben einen Einblick in die traditionelle bayerische Braukunst. So ist der Regensburger Westen sowohl für die Regensburger selbst als auch für Besucher immer einen Ausflug wert.
Kulturelle und soziale Vielfalt
Neben den Sehenswürdigkeiten machen auch die Menschen den Westen zu dem, was er ist – einen bunten Stadtteil mit einer großen kulturellen Vielfalt. Menschen unterschiedlicher Herkunft bringen ihre Traditionen und Kulinarik mit und machen diese für alle erlebbar. Die kleinen ethnischen Restaurants und Lebensmittelgeschäfte spiegeln diese Vielfalt wider und bereichern das kulinarische Angebot Regensburgs. Das Westenviertel zeichnet sich außerdem durch eine starke Gemeinschaft aus. Dies beweisen die zahlreichen existierenden Bürgerinitiativen und gemeinnützigen Organisationen, die sich für den Erhalt von Grünflächen, den Umweltschutz und die Förderung von Kultur und Bildung einsetzen. Durch diese aktive Zivilgesellschaft entsteht folglich eine lebendige und einladende Atmosphäre, die auch zu spüren ist.
Herausforderungen und Zukunftsausblick
Trotz stetig steigender Mieten ist das Westenviertel der Stadtteil, in dem die meisten Regensburger leben. Stand 2020 waren es bereits knapp 29.000 Menschen. Die Kombination aus historischem Charme, kultureller Vielfalt und einem starken Gemeinschaftsgefühl macht es bis heute zu einem der attraktivsten Wohnviertel Regensburgs. Ein Ort voller Tradition und Wandel.
Bilder im Text: Christian Kaister & Stefan Effenhauser
RNRed