Am 02. Februar hat im Turmtheater Regensburg Georg Kreislers „Heute Abend: Lola Blau“ Premiere. Der 1922 in Wien geborene Künstler floh 1938 mit seiner Familie nach Amerika. Im Leben machte er es sich nicht immer leicht und eckte an, wo es nur ging. Kein Wunder, dass er nicht nur Fans hatte...
April 1938: Als jüdische Schüler_innen von öffentlichen Schulen ausgeschlossen wurden, musste der damals sechzehnjährige Georg Kreisler unter dem Gespött der Mitschüler das Gymnasium verlassen. Kreislers Vater, ein bekannter Wiener Anwalt, hatte die Zeichen der Zeit jedoch richtig erkannt, rechtzeitig Ausreisedokumente besorgt, und bald konnte die Familie in die USA emigrieren.
Im Unterschied zu anderen Einwanderern fasste Georg Kreisler rasch Fuß. Richtige Bekanntschaften öffneten Tore in Hollywood, wo der musikbegabte junge Mann als Komponist einfacher Filmmusik ein Auskommen fand, das ihn aber nicht sonderlich befriedigte. Viele Emigranten „waren der Hölle entkommen und beklagten sich über das Paradies“ schreibt Kreisler über diese Zeit.
1943 wurde er als neuer US - Staatsbürger zur Armee einberufen und musste nach dem Krieg Übersetzerdienste leisten. Dabei begegnete er einigen Nazigrößen persönlich.
Das „Gefängnis“ New York
Nach dem Krieg blieb Kreisler in den USA, übersiedelte aber nach New York, wo er in der legendären Monkey-Bar Lieder auf Englisch zum Besten gab. Sein Humor wurde aber nicht immer verstanden, manche Texte durfte er erst gar nicht bringen. „New York ist ein Gefängnis mit netten Wärtern“ – so beschreibt er die Stadt, an die er wirtschaftlich gebunden war, in der ihm aber auch künstlerische Einschränkung und Antisemitismus entgegenschlugen. Es gab Lokale mit der Aufschrift „Nur für Arier“ – das war bis Mitte der fünfziger Jahre legal! Er verglich New York sogar in geschmackloser Weise mit einem „Konzentrationslager“ (Zitate nach „Letzte Lieder“, 2009), womit er den „Gefängnis“-Ausdruck noch toppte. Später schwächte er ab, die Situation in den USA wäre trotz McCarthy „nicht lebensbedrohend“ gewesen.
Altnazis in Wien
1955 kehrte er nach Europa zurück – ausgerechnet nach Wien, wo nun Juden den Altnazis lächelnd Hände schüttelten. Die einen dachten dabei: „Jetzt könnt ihr nicht mehr“, die anderen dachten: „Bald können wir wieder“. In Wien hatte man sich arrangiert und sprach nicht von der Vergangenheit. Gerade hier spielte er seine virtuos vorgetragenen, bitterbösen, aber wunde Punkte ansprechenden Lieder, die in seiner Heimatstadt nicht immer gut ankamen. Die Satire in Texten, etwa bei „Wie schön wäre Wien ohne Wiener“, wo Kreisler Messerfantasien wälzt, mit denen man sich der Einwohner entledigen könnte, traf auf wenig Verständnis. Auch fanden es nicht alle lustig, wenn er in „Biddla Buh“ – zwar auf ironische Weise – mit schmissigen Melodien Tötungsabsichten an Frauenbekanntschaften vortrug.
Einige seiner Lieder erhielten damals sogar Aufführungsverbot im ORF. In Deutschland war der Erfolg größer.
Plagiatsvorwürfe gegen Kreisler
In Wien wurde Kreisler auch mit bis heute ungeklärten Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Einige seiner Lieder (darunter „Tauben vergiften im Park“) sollte er angeblich von dem New Yorker Liedermacher Tom Lehrer, hauptberuflich ein hochbegabter Mathematiker, abgekupfert haben. Dessen Song hieß „Poisoning Pigeons in the Park“. Lehrer verzichtete trotz Textähnlichkeiten auf eine Klage, weil sich die Melodien unterschieden, freute sich aber in ironischer Weise, dass seine Lieder dem deutschsprachigen Publikum bekannt gemacht wurden („I would like to thank George Kreisler for introducing my songs to the German public.”).
Kreisler bestritt alle Vorwürfe.
Lehrer und Kreisler hatten nicht nur einige Lieder „gemeinsam“: Beide trugen in satirischer Form kritische Inhalte vor, beide begleiteten sich virtuos selbst am Klavier und nahmen fast dieselbe Körperhaltung zum Publikum ein.
Nach drei Jahren hatte Kreisler von Wien genug.
München
Es ging nach München, wo er mit Ehefrau Topsy Küppers (geb. 1931 in Aachen) lebte und mit ihr Liederabende gab. Auch dort hielt es ihn nur für drei Jahre, denn in Wien fühlte er sich sicherer vor den Wienern als in München. „In Wien war es mir unmöglich, Wiener zu werden, anderswo stand ich (...) im Verdacht, einer zu sein.“ Und das wollte er schon gar nicht. Immerhin gab er in München mehrere erfolgreiche Liederabende in den Kammerspielen.
Weitere Stationen waren nochmals Wien („In Wien habe ich oft an Selbstmord gedacht“), Berlin („Es gibt Erfreulicheres als Berlin“), Basel („Basel erinnerte mich an die Hölle“) und schließlich Hof bei Salzburg.
Topsy Küppers als Lola Blau bei der Premiere 1971 in Wien, Theater in der Josefstadt, © Theater in der Josefstadt, Wien
Erfolg mit „Heute Abend: Lola Blau“
1971 gelang Kreisler zusammen mit Topsy Küppers der wohl größte Erfolg: Das Stück für eine Person mit Klavierbegleitung war seiner Frau auf den Leib geschrieben und baute auf zahlreichen persönlichen Erfahrungen auf. Die junge Sängerin Lola flieht 1938 mittellos vor den Nazis aus Wien Richtung USA und hält sich mit Liedauftritten in Bars über Wasser. Der Antisemitismus wird genauso thematisiert wie das damalige Verhalten der Schweiz und die Gefahr einer Frau, sexuell ausgebeutet zu werden. Lola Blau kehrt nach dem Krieg, so wie ihr Autor, desillusioniert nach Wien zurück.
Das Stück war in Wien zwei Jahre lang ausverkauft und wird auch jetzt auf zahlreichen deutschsprachigen Bühnen gegeben, wie demnächst in Regensburg.
Als Topsy Küppers, inzwischen von Kreisler geschieden, das Stück 1984 in Wien nochmals herausbrachte und sich als Alleinautorin ausgab, klagte Kreisler. Die Urheberrechts- und Zivilverfahren zogen sich über vierzehn Jahre und kosteten ein kleines Vermögen. Schließlich bekam Kreisler Recht.
Kreisler: Oft unverstanden
Kreisler hatte inzwischen die Berliner Schauspielerin Barbara Peters (geb. 1942) geheiratet, mit der er zusammen auftrat, meistens in Deutschland. Das Paar wohnte nun in der Nähe von Salzburg.
Georg Kreisler legte sich in seinem Leben mit vielen Leuten an, seine Kinder wandten sich zeitweise von ihm ab, er fühlte sich oft unverstanden, wollte nicht nur als Kabarettist gesehen werden und verwand es nicht, dass er mit anderen Werken nicht denselben Erfolg wie mit den Liedern hatte. In seiner Schaffensliste finden sich zahlreiche nie aufgeführte Werke, auch Opern. Einige Stücke wurden nur in einer Serie gegeben, dann nie mehr.
Sein musikalisches Lustspiel „Polterabend“ (1953) wurde zwar in Zürich, Berlin und Wien gezeigt, war aber von mäßiger Qualität. Eine Festanstellung im Kulturbereich konnte er nie erreichen.
Kreislers Stärke waren eben vor allem seine bösen, manchmal zu bösen Lieder, bei denen er am Klavier richtig aufblühte und mit dem Publikum durch intensive Mimik Kontakt hielt.
Dass ihm die Republik Österreich die Staatsbürgerschaft nicht zurückgegeben hatte, empfand er zurecht als Affront. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2011 Amerikaner.
Georg Kreisler war am Klavier in seinem Element (um 1987), © Alamy, IY04033244
„Die alten bösen Lieder“
Es wäre nicht Kreisler, wenn er mit dem Erinnerungsbuch „Die alten bösen Lieder“ (1989) nicht auch noch Probleme gehabt hätte. Sein ursprünglicher Wiener Freund, der Kabarettist Gerhard Bronner, von dem er sich nach gegenseitigen Vorwürfen abgewendet hatte (Bronner hatte die Plagiatsvorwürfe initiiert), fühlte sich von Aussagen beleidigt. Das Buch wurde nach einem angeblichen Wasserschaden beim Wiener Verlag nicht mehr ausgeliefert. Ob der gut vernetzte Bronner da im Hintergrund agiert hatte, blieb ungeklärt.
„Heute Abend: Lola Blau“ im Turmtheater Regensburg
Das Theater im Turm zeigt „Heute Abend: Lola Blau“ mit Melanie Rainer und Ulli Forster am Klavier ab Freitag, den 02. Februar, an mehreren Abenden bis zum 24.02. Regie führt Andreas Wiedermann.
Wolfgang Ludwig