Die neue Bayernausstellung „Ois anders: Großprojekte in Bayern 1945-2020“, die ab Donnerstag im Haus der Bayerischen Geschichte startet, ist als Baustellte inszeniert und bietet eine 50 Meter umspannende Projektionsfläche und ein großes digitales Angebot, das die Besucher aktiv teilhaben lässt. Zudem überzeugt sie durch ein besonderes Nachhaltigkeitskonzept.
Vom Main-Donau-Kanal zur Isental-Autobahn, vom Fränkischen Seenland zum Flughafen im Erdinger Moos: Der Freistaat Bayern erlebt in den vergangenen Jahrzehnten eine umfassende Modernisierung und ändert sein Gesicht. Die Bayernausstellung spürt vom Donnerstag, den 19. April, bis 22. Dezember 2024 bayerischen Großprojekten nach und beschreibt den Wandel des Landes von 1945 bis heute. Die Ausstellung ist selbst als Baustelle inszeniert und präsentiert sich mit einer 50 Meter umspannenden Projektionsfläche und vielen digitalen Angeboten als interaktives Erlebnis.
Ökologischer Fußabdruck spielt große Rolle in der neuen Ausstellung
Das Thema Nachhaltigkeit hat sich das Haus der Bayerischen Geschichte besonders auf die Fahne geschrieben. Im Ausstellungsbau sollen ausschließlich wiederverwendbare Elemente eingesetzt werden. Bei allen Anschaffungen steht eine gute Nachnutzbarkeit im Mittelpunkt. Der ökologische Fußabdruck der Bayernausstellung soll insgesamt so gering wie möglich ausfallen. So ist etwa das Trägersystem der Ausstellung ein Gerüstsystem, dass von einer Baufirma ausgeliehen und im Anschluss an die Ausstellung wieder zurückgegeben wird. Das ist nur eine der Möglichkeiten, die das HdBG im Zuge der Nachhaltigkeit nutzt. Alle Maßnahmen werden auf www.hdbg.de dokumentiert.
Von Wiederaufbau und Planungseuphorie
Die Ausstellung setzt in der Nachkriegszeit ein: Viele bayerische Städte liegen in Trümmern, fast zwei Millionen Vertriebene und Flüchtlinge kommen in Bayern an und benötigen Arbeit und Unterkunft. Mit Vertriebenenstädten wie Traunreut, Waldkraiburg oder Neutraubling entstehen auf ehemaligen Militäranlagen und Flugplätzen gänzlich neue Orte. Bald schon geben Wirtschaftswunder und Planungseuphorie den Takt im Freistaat vor. Großprojekte wie der Main-Donau-Kanal oder das erste kommerzielle Atomkraftwerk der Bundesrepublik im schwäbischen Gundremmingen entstehen. Seit den 70er Jahren nehmen Denkmal-, Umwelt- und Naturschützer die großen Bauvorhaben zunehmend kritisch in den Blick.
© Haus der Bayerischen Geschichte
Tourismus, Energie und Mobilität
Der bundesweit erste Nationalpark wird 1970 im Bayerischen Wald gegründet und unter anderem aufgrund des dort wütenden Borkenkäfers lange heftig bekämpft, während das Fränkische Seenland zu den weniger umstrittenen Projekten zählt. Beide Regionen sind inzwischen beliebte touristische Ziele und erleben breiten Rückhalt. Eine Gratwanderung ist lange Zeit das Bauen in den bayerischen (Vor-)Alpen. Ganzjährige, klimafreundliche und nachhaltige Angebote werden seit einigen Jahren vermehrt zum Ziel erklärt.
Eine abschließende Bewertung ist bei vielen Bauvorhaben und Großprojekten weder einfach noch eindeutig, wie ein Beispiel aus Schwaben zeigt: Der Lech, einst der wildeste der bayerischen Alpenflüsse, dient einerseits mit seinen rund 30 Wasserkraftwerken als zuverlässiger Lieferant erneuerbarer und CO 2-neutraler Energie. Andererseits wird sein ökologischer Zustand aufgrund der Schäden an Tier- und Pflanzenwelt durch Staustufen und Hochwasserbauten nur mit “mäßig“ bewertet.
Neben der Energieproduktion zielen viele Großprojekte auf eine Steigerung der Mobilität. Aufgrund des zunehmenden Verkehrsaufkommens wird das Straßennetz im Freistaat weiter ausgebaut. Zu den umstrittensten Strecken gehört die Isental-Autobahn. Ein jahrzehntelanger Konflikt inklusive juristischer Auseinandersetzungen begleiten den Bau der Teilstrecke der A94. Anders im Erdinger Moos: An der Notwendigkeit eines neuen Großflughafens für München gibt es in den 1960er Jahren kaum Zweifel. Der 1992 eingeweihte Flughafen entwickelt sich bald zum wirtschaftlichen Motor und wird stetig erweitert.
Belebender Bauboom in Regensburg
Hitzige Kontroversen gibt es seit Kriegsende über die Entwicklung von Bayerns Städten. Soll Altbausubstanz erhalten bleiben oder Neubauten und Verkehrswegen Platz machen? Die Bayernausstellung veranschaulicht den Weg vom strukturschwachen Sorgenkind zur „Boomtown“ am Beispiel Regensburgs, wo trotz einiger Eingriffe ins historische Stadtbild eine Stadtautobahn und so manch andere Bauprojekte verhindert werden. Alles in allem: Aufbau, Umbau, Ausbau, wohin man schaut. Die einen jubeln über den Fortschritt, die anderen klagen über die Naturzerstörung.
Moderne Fragestellungen und Anreiz zur Diskussion
Vieles ist heute aus unserer Wohlstandsgesellschaft kaum mehr wegzudenken. Das HdBG präsentiert die Projekte mit Pro und Kontra ohne sich selbst festzulegen. Es sieht seine Aufgabe darin, eine Diskussionsgrundlage zu bieten. An der Lösung, wie zukünftig Großprojekte anzugehen sind und was dabei zu berücksichtigen ist, können sich am Ende der Ausstellung die Besucherinnen und Besucher selbst versuchen.
Die Ausstellung ermöglicht auch durch zusätzliche vereinfachte Modelle und interaktive Spiele auch Kindern einen vereinfachten, spielerischen Einblick in die Geschichte Bayerns.
Eigenes Magazin zur Ausstellung
Mit dem Titel „Ois anders: Großprojekte in Bayern 1945-2020“ widmet sich das HDBG Magazin Nr. 7 dem Thema der Bayernausstellung. Der Band stellt einzelne Großprojekte im Rückblick und in der Zusammenschau vor und illustriert diese mit zahlreichen Abbildungen. 15 Expertinnen und Experten beleuchten Bayerns bauliche Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten. Das Magazin ist für 10 Euro im Online-Laden des HdBG oder im Museumsladen in Regensburg zu erwerben.
Weitere Infos zur Ausstellung und dem Haus der Bayerischen Geschichte
Wo? Im Haus der Bayerischen Geschichte | Museum: Donaumarkt 1, 93047 Regensburg
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 09:00 bis 18:00 Uhr. Montags geschlossen. Fällt ein Feiertag auf einen Montag, so ist das Museum geöffnet. Geschlossen am 24.12., 25.12., 31.12., 01.01.
Haus der Bayerischen Geschichte / RNRed