Mit „Harraga - Those who burn their lives“ kommt ein ganz besonderer Film nach Regensburg. Er handelt von den marokkanischen Teenagern Imad, Nourdine, Walid und Hamza, die in Melilla in einer Höhle leben und jede Nacht ihr Leben riskieren, um auf das spanische Festland zu gelangen. Regisseur Rost und sein Kameramann wurden selbst Teil ihres gefährlichen Lebens.
Der Debütfim von Regisseur Benjamin Rost „Harraga - Those who burn their lives“ kommt am 09. Juni auch ins Ostentorkino nach Regensburg. Der Film hatte Festivalpremiere beim ZÜRICH FILM FESTIVAL und auf den Hofer Filmtagen, wo er großartige Kritiken erhalten hat. Jetzt war er auch beim DOK.fest München für den Deutschen Dokumentarfilm – Musikpreis nominiert. Ein Teil des Filmteams und der Protagonist sind am 09. Juni für Gespräche selbst vor Ort.
„Harraga - Those who burn their lives“: Ergreifender Dokumentarfilm
Imad, Nourdine, Walid und Hamza wohnen in einer Steinhöhle unter einem Leuchtturm in Melilla. Jede Nacht brechen die marokkanischen Teenager in den naheliegenden Hafen ein. Dort versuchen sie unbemerkt auf Schiffe zu klettern, die zum spanischen Festland fahren. Sie und Dutzende andere Kinder haben im Schutz der Felsen ihre eigene Gesellschaft gegründet. Regisseur Benjamin Rost dokumentiert das beeindruckende Leben der Jugendlichen fünf Jahre lang. Der Filmtitel beschreibt die verbreitete Praxis, dass die illegalen nordafrikanischen Einwanderer bei einer Festnahme durch die Polizei ihre Papiere und somit auch ihre Identität verbrennen. Ein ergreifender Dokumentarfilm, der einen Einblick in eine unbekannte Welt bietet.
„Wir waren wirklich beeindruckt von Benjamins Geschick, einen Raum der Kontraste zu erschaffen. Durch eine atemberaubende Kamera werden wir Zeuge der erschütternden, bisweilen rastlosen Reise junger Migranten, die versuchen, Europa zu erreichen. Der Film weckt in uns tiefes Mitgefühl und überbrückt die Kluft zwischen ihren Erfahrungen und unserer eigenen Realität, die meilenweit voneinander entfernt sind. Wir sind an einen verallgemeinernden, migrationsfeindlichen Diskurs gewöhnt, der die Existenz von Individuen leugnet – der Film tut das Gegenteil“, ZURICH FILM FESTIVAL
Bereits 2017 mit Recherchen begonnen
Dokumentarfilmer und Regisseur Benjamin Rost möchte mit diesem Film Ungerechtigkeiten aufzeigen: „Ich möchte Brücken zwischen Welten bauen, wo vorher keine existierten. Im Jahr 2017, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, als autoritäre Regime Zäune und Mauern um Europa bauten, beschloss ich, einen Film über Grenzen zu drehen. Ohne genau zu wissen, was ich filmen wollte, reisten mein Kameramann Jonas Schneider und ich auf eigene Kosten nach Ungarn, wo Orbán gerade einen Grenzzaun um sein Land errichtete, und dann nach Melilla, dem Ort auf dem afrikanischen Kontinent, wo der größte Grenzzaun in Europa steht: 12 Meter hoch, elektrifiziert und auf beiden Seiten mit Waffen bewacht.“ Dieser umgebe die gesamte Stadt.
Melilla: Tagsüber Kleinstadt-Normalität, abends zeigt sie ein anderes Gesicht
So wenig Melilla in den Medien vertreten sei, aus filmischer und politischer Sicht stecke sie voller Kontraste. Tagsüber spanische Kleinstadt-Normalität: „Moscheen und arabische Teeläden säumen die Straßen zwischen spanischer Kolonialarchitektur und Tapas-Bars. Aber wenn es dunkel wird, zeigt Melilla ein anderes Gesicht. An den Grenzen versuchen jede Nacht Dutzende von Kindern den Zaun zu stürmen. Sie werden von der Polizei und dem Militär verprügelt. Pushbacks sind traurige Routine. Deshalb ist Melilla für uns als Filmemacher zu einer tragischen filmischen Allegorie für Europas gescheiterten Asylpolitik Europas“, so der Regisseur.
„Seid vorsichtig, die sind gefährlich“
Für den Film haben er und sein Kameramann Jonas Schneider die Jugendlichen, um die es in dem Film geht, selbst begleitet und wurden zehn Tage lang Teil ihres Lebens. Noch während ihrer Suche nach der richtigen Form für ihren Film, sind sie zufällig auf die Protagonisten gestoßen: „Als wir ahnungslos einen Sonnenuntergang am Hafen filmten, kroch ein Dutzend Kinder aus den Felsen. Sie winkten uns zu, aber die Fußgänger hielten uns zurück: 'Seid vorsichtig, die sind gefährlich'.“ Einen Tag später kehrten sie mit zwei Taschen voller Frühstück zurück, kletterten über die Zäune und fanden eine verborgene Welt. Eine Mikrogesellschaft von Hunderten von Kindern und Jugendlichen, die in den Höhlen rund um den Hafen leben – mit mit ihren eigenen Regeln, Gesängen und Hierarchien.
Fünf Jahre lang begleitet – von den Höhlen in Melilla auf das spanische Festland
„Sie alle warteten hier auf ihre Chance, auf ein Schiff nach Europa zu kommen, darunter auch der 15-jährige Imad und seine Gruppe, die wir zehn Tage und Nächte lang mit unserer Kamera begleiten durften“, beschreibt Benjamin Rost. Das sei der Beginn eines langjährigen Filmprozesses gewesen. „In den folgenden fünf Jahren haben wir ihn immer wieder gesucht und sind ihm auf seinem Weg von den Höhlen in Melilla auf das spanische Festland gefolgt.“
So haben sie das Vertrauen der Harraga-Jungs gewonnen
Geduld, Ausdauer und echtes Interesse sei der Schlüssel dafür gewesen, dass die Jugendlichen Vertrauen zu ihnen aufgebaut hätten. „Imad und die anderen Harraga-Jungs waren es gewohnt, dass Journalisten ab und zu vorbeikamen, um sie zu fotografieren, und dann sofort wieder gingen. Umso überraschter waren sie, dass Jonas und ich uns über Monate und Jahre hinweg so intensiv für ihren Alltag interessierten.“ Am Anfang seien sie sogar irritiert gewesen, dass die beiden wissen wollten, wie sie leben und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.
„Wir kletterten mit ihnen über die Zäune, verbrachten die Nächte in den Höhlen am Lagerfeuer, kochten, sangen und hörten zu“
„Also haben wir alles mitgemacht, was zu ihrem Leben gehörte. Wir kletterten mit ihnen über die Zäune, verbrachten die Nächte in den Höhlen am Lagerfeuer, kochten, sangen und hörten zu. Als eines Tages ein Harragas unsere SD-Karte vor einer polizeilichen Beschlagnahmung rettete, war das Eis zwischen uns gebrochen.“ Obwohl die Gegend um den Hafen nicht von der Polizei überwacht worden sei, seien sie nur selten in gefährliche Situationen gekommen. Benjamin Rost ist überzeugt: „Um eine so enge Beziehung zu unseren Protagonisten zu haben, brauchte es auch eine gehörige Portion Naivität und Neugierde.“
Heute ist Imad Fitness-Model, macht seinen Studienabschluss in Robotik und wird die spanische Staatsbürgerschaft bekommen.
„Harraga - Those who burn their lives“: Im Ostentorkino Regensburg
Der Film wird in verschiedenen Städten übertragen. In Regensburg wird er am 09. Juni, um 15:00 Uhr, im Ostentorkino ausgestrahlt. Pünktlich zur Europawahl. Ein Teil des Filmteams kommt außerdem zusammen mit dem Protagonisten Imad zum Publikumsgespräch und wird den Film persönlich vorstellen.
Alle Termine
Berlin│ 13.04.2024 │20:30│ ACUD
Berlin│ 14.04.2024│ 18:30│ Babylon
München│ 05.06.2024│ 20:00│ Neues Rottmann
München│ 06.06.2024 │20:00│ Bellevue di Monaco
Weingarten │07.06.2024 │20:15│ LINSE Kino
Regensburg │09.06.2024│ 15:00 │Ostentor Kino
Bamberg│ 11.06.2024 │18:30 │Lichtspiel Kino
Augsburg│ 13.06.2024│ 20:00 │Lilliom Kino
Landshut│ 15.06.2024 │18:00│ Kinoptikum
Ludwigsburg│ 19.06.2024 │17:00 │Caligari
Stuttgart│ 20.06.2024 │21:45│ Innenstadt Kinos
Wiesbaden │tba. │Caligari Kino
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