Als Ettmannsdorf, damals noch Etmatesdorf genannt, im Jahr 1010 erstmals „in den Büchern verzeichnet wurde, lebten hier nur wenige Menschen. Krieg und Frieden bestimmten in den letzten tausend Jahren das Leben. Die Häuser der kleinen Leute und die Schlösser der einst Wohlhabenden prägten das Ortsbild. Das Dorf ist gewachsen, mit Schwandorf verwachsen und heute ein Teil der Stadt“, schreibt der gebürtige Ettmannsdorfer Hans Weingärtner in seiner Publikation „Ettmannsdorf - tausend Jahre Dorfgeschichte dürfen nicht vergessen werden.“ Die Vorfahren von Weingärtner zogen übrigens bereits 1766 in den Ort.
Es ist ein Schwandorfer Stadtteil mit einer langen, bewegenden Geschichte. Ein Ort, der heute regelrecht aufblüht – nicht zuletzt wegen seiner wundervollen Lage am Wasser. Ettmannsdorf liegt am Ufer der Naab, wird quasi einmal vom Fluss durch quert und befindet sich etwa drei Kilometer südwestlich von Schwandorf. Seit 1972 ist die Gemeinde im Zuge der Gemeindegebietsreform Teil der großen Kreisstadt. Wir tauchen ein in jahrhundertealte Genuss-Geschichte, alte Schlösser und modernes Vereinsleben.
Gespeist wurde schon immer gern
Es wirkt im ersten Moment wie ein Haus, das die besten Zeiten hinter sich hat. Doch hinter den alten Ziegeln steckt eine lange Tradition: Die Geschichte des ehemaligen „Gasthaus zur Schwanne“, direkt an der Naab gelegen, reicht zurück bis ins 16. Jahr hundert und war einst eine echte Goldgrube. Sehr stark mit dem Gasthaus verwurzelt ist die Familie Weingärtner, die das Anwesen immer wieder an ihre Nachkommen überschrieb. Metzger Andreas Weingärtner aus Schwandorf kaufte das Grundstück im Jahr 1766. Die Familie zählte mit dem gut florierenden Wirtshaus, der Metzgerei und der Landwirtschaft zu den Wohlhaben den im Dorf. Um 1900 baute Anton Weingärtner neben dem Gasthaus einen Eisla gerturm, der auch heute zum Teil noch erhalten ist. Das Eis wurde im Winter in der Naab geschlagen, im Turm eingelagert und lieferte fast das ganze Jahr über konser vierende Kälte. Sein Erbe Johann Baptist Weingärtner verstarb 1928, doch Ehefrau Barbara führte das Wirtshaus bis 1961 weiter. Für viele Jahre hielt sie die Zügel in der Hand, während des Zweiten Weltkrieges war im Saal ein Strohlager für Soldaten eingerichtet, die die Hausherrin mit Schweinebraten und Knödel versorgte. Ihre Hinterlassenschaft übernahm dann Tochter Therese mit ihrem Mann Franz Scheuerer. Damit war der Name Weingärtner nach fast 200 Jahren aus dem geschichtsträchtigen Haus erloschen. 1973 eröffneten die Nachfolger einen Bootsver leih, seit 1985 wird das Haus von Thereses Sohn Hans Scheuerer geführt, der sich bald dem Handel von Fahrzeugteilen für Oldtimer verschrieb. Der Gastraum im Erdgeschoss existiert noch, bewirtet wird die „Schwanne“ aber schon lange nicht mehr.
© Repro, Stadtarchiv Schwandorf
Dafür sind in Ettmannsdorf heute andere zuständig, wie zum Beispiel die Fischerhütte, das Vereinsheim des örtlichen Angelvereins oder auch das moderne Hotel Ziegelhütte auf der anderen Seite des Flusses, welches seine Restaurantgäste mit gut-bürgerlicher Küche und einem herrlichen Blick über das Naabtal verwöhnt.
Ein besonderes Denkmal: das alte Hammerschloss
In Ettmannsdorf wird nicht nur königlich gespeist, sondern auch königlich ge haust. Eingebettet in alte Bäume und ebenfalls direkt an der Naab gelegen, in der Ettmannsdorfer Straße, steht das um 1600 von Wilhelm Neumayer erbaute Ham merschloss. An der Ostseite befindet sich eine Steintafel, auf der die Initialen des Erbauers und das Jahr der Errichtung eingetragen sind.
Das ehemalige Schloss wechselte im Laufe der Jahre einige Male seine Besitzer, Ende des 19. Jahrhunderts wurde es im Stil des Neoklassizismus umgestaltet. Eine Zeit lang wohnten dort Mitarbeiter des benachbarten Wasserkraftwerks. 1945 bis 1956 mietete die Gemeinde das Haus und richtete dort ihre Kanzlei ein. Sie küm merte sich aber nicht besonders um das Schloss, das nahe dem Verfall war. Der baufällige Turm wurde abgerissen. 1991 kauften Dieter und Sybille Leushacke das Schlösschen, ließen es nach alten Plänen renovieren und bauten auch den Turm wieder auf. Der inzwischen denkmalgeschützte Bau ist auch heute noch in Privat besitz und kann nur von außen besichtigt werden.
Einstiges Kloster geht neue Wege
Direkt gegenüber befindet sich das neue Schloss in Ettmannsdorf, das um 1700 von Peter Wenzel, Freiherr von Rußwurm, erbaut wurde. Von 1866 bis 1992 war es ein Kloster und im Besitz des Ordens der Schwestern vom Guten Hirten. Lange Zeit wurden dort auch eltern- und heimatlose Kinder untergebracht.
Die katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg richtete 1981 im neuen Schloss eine Berufsschule zur individuellen Lernförderung ein und übernahm 1992 die gesamte Einrichtung. In den folgenden Jahren wurden Werkstätten für Holz, Metall und Farbe sowie eine Gärtnerei mit Gewächshäusern, eine Wäscherei, Wohn gruppen für männliche Jugendliche und Freizeiträume mit Cafeteria, Töpferei, Grill platz und eine Turnhalle geschaffen. 2015 wurde die Anlage gründlich renoviert, heute ist das neue Schloss ein Zentrum für Berufsvorbereitung und berufliche Aus bildung mit Internat.
© Fotograf und Jahr unbekannt, Stadtarchiv Schwandorf
Wasserkraftwerk liefert seit 128 Jahren Energie
Im Jahr 1859 wurde in Schwandorf feierlich der Bahnhof eröffnet, mit wichtigen Verbindungen nach Nürnberg, Regensburg und bald auch nach Tschechien. Da die Petroleum-Beleuchtung bald nicht mehr ausreichte, wurde der deutsche Bauinge nieur Oskar von Miller beauftragt, eine Lösung zu finden. Dieser baute zunächst ein Dampfkraftwerk in Schwandorf, welches mit Kohle der Mathias-Zeche, einem nahegelegenen Bergwerk, betrieben wurde. Nach der Inbetriebnahme im Jahr 1895 waren nun nicht nur der Bahnhof, sondern auch Wirtshäuser und einige Straßen in Schwandorf hell erleuchtet.
Nur ein Jahr später, im April 1896, wurde einen Kilometer Naab-abwärts noch ein weiteres Elektrizitätswerk in Betrieb genommen, das mit umweltfreundlicher Energie betrieben wurde: Die Hammermühle in Ettmannsdorf, die in der Lage war, Strom durch die Wasserkraft der Naab zu erzeugen. Klaus Weigelt beschreibt in seiner Publikation „125 Jahre Elektrifizierung von Schwandorf“ den Vorgang: „Beim Wasserkraftwerk wird die potentielle Energie des Wassers in mechanische Energie durch die Wasserturbine und dann in elektrische Energie durch den Generator um gewandelt.“
© Postkarte, Stadtarchiv Schwandorf
Schwandorf verfügte mit den beiden Werken als erste Stadt in der Oberpfalz über elektrische Energie. Das Wasserkraftwerk Ettmannsdorf wurde im Laufe der Jahre mehrere Male modernisiert und liefert bis heute zuverlässig umweltfreundliche Energie.
Der Oberpfälzer Jakobsweg
Für alle, die das Stadtviertel und die umliegen de Region gerne zu Fuß erkunden möchten, bietet sich eine ausgiebige Wanderung an. Der Oberpfälzer Jakobsweg ist eine wichtige euro päische Pilger-Achse von Ost nach West, er star tet in Tillyschanz an der tschechischen Grenze und führt durch den Oberpfälzer Wald bis nach Nürnberg. Die etwa 16 Kilometer lange Strecke von Schwandorf nach Ensdorf ist die vierte von insgesamt neun Etappen, sie führt auch an Ett mannsdorf vorbei. Um die Schlösser zu besich tigen, muss der Pilger die Naabbrücke überque ren und hinterher wieder über die Brücke auf den Weg zurückkehren, der sich weiter nach Süden zum 1,5 km entfernten Naabsiegenhofen fortsetzt.
Der Pilgerweg von Tillyschanz nach Nürnberg wurde mit einer weißen Muschel auf blauem Grund in beide Richtungen markiert, sodass die Wege auch ohne Karte gewandert werden können. Sollte eine Markierung mal nicht pas sen oder fehlen, einfach dem Oberpfälzer Wald verein Bescheid gebe, der für die Strecke von Schwandorf nach Ensdorf zuständig ist.
Blühendes Vereinsleben
Der Gartenbau- und Ortsverschönerungsverein, der Kirchenbauverein, diverse Sportvereine oder die freiwillige Feuerwehr: In Ettmannsdorf bewegt sich etwas und durch die Vielfalt an Vereinen kommen die Bewohner zusammen. Wer Lust auf Sporteln hat, wird unter anderem auf dem riesigen Gelände des SV Schwandorf-Ettmannsdorf – direkt an der Naab – fündig. Egal ob Fußball, Tennis, Schwimmen, Volleyball oder Darts, aktuell 1.475 Mitglieder gehen dort ihrer Lieblingssportart nach. Wer sich eher für Turnen, Gymnastik oder Tischtennis interessiert, kann sich der Gemeinschaft der DJK Ettmannsdorf anschließen.
© Kirwaverein Ettmannsdorf
Ein ganz besonderer Verein, der einmal im Jahr für ein rauschendes Fest im Stadtviertel sorgt, ist der Ettmannsdorfer Kirwaverein „Drei Brücken“. Vor ziemlich genau neun Jahren wurde dieser von drei Freunden ins Leben gerufen, zu denen auch Tobias Kölbl gehört. Im Interview hat er uns erzählt, dass der Name von den drei Naabbrücken abgeleitet wurde, die das obere und untere Ettmannsdorf miteinander verbinden. „Die Idee für unseren Verein kam dadurch zustande, dass unser Dorf bereits vor mehreren Jahrzehnten einen Burschenverein hatte, der aber leider nicht weitergeführt wurde. Auch wollten wir das Dorf und vor allem auch die Kirche hervorheben und das bayerische Brauchtum an die nächsten Generationen weitergeben. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass sich Jung und Alt, Freunde und Bekannte, ehemalige Klassenkameraden und Lehrer, alte und neue Bekanntschaften wieder gemeinsam treffen können“, so Tobias. Mittlerweile hat der Verein über 330 Mitglieder und richtet seit 2017 einmal im Jahr – abgesehen von der Corona-Pause – die Ettmannsdorfer Kirwa direkt am Naabufer aus. Schon eine Woche vorher wird traditionell das ganze Dorf eingeladen, am Kirwawochenende selbst – gerade erst Mitte August fand die diesjährige Kirwa statt – gibt es dann unterschiedlichste Tänze und Auftritte der Vereinsmitglieder. Und auch für soziale Projekte setzt sich der Verein „Drei Brücken“ ein, von der Altkleidersammlung für den guten Zweck bis zu bayerischen Tanzkursen.
Ettmannsdorf hat also einiges zu bieten, ist mit seiner beachtlichen Geschichte ein wichtiger Teil Schwandorfs und auf jeden Fall einen Besuch wert.
Jennifer Schaller | filterVERLAG