Bayern halten am stärksten zusammen
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Bayern ist das Bundesland, in dem die Menschen auf das größte Maß an Hilfsbereitschaft und Solidarität treffen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann Stiftung, die untersucht, wie sich in Deutschland seit der Wiedervereinigung die sozialen Beziehungen zu anderen Menschen, die emotionale Verbundenheit mit dem Gemeinwesen und die Orientierung am Gemeinwohl entwickelt haben.
Das "Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt" zeigt, dass während der vergangenen 25 Jahre nicht nur in Bayern, sondern in Deutschland insgesamt der Zusammenhalt gewachsen ist. Allerdings hat der Abstand zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern weiter zugenommen.
Deutlich wird das gute Abschneiden Bayerns in vielen der 31 Indikatoren, die die umfangreiche Vergleichsstudie ausgewertet hat. Die Daten hat ein Forscherteam aus Sozialwissenschaftlern der privaten Jacobs University Bremen neun Dimensionen zugeordnet, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland seit 1990 zu beschreiben. In drei dieser neun Dimensionen gehört Bayern zur Spitzengruppe, in lediglich einer Dimension liegt es unter dem Durchschnitt. Besonders stark ausgeprägt sind in Bayern Solidarität und Hilfsbereitschaft. Lediglich in Baden-Württemberg sind die Bürger häufiger ehrenamtlich tätig als im Freistaat, und nur die Saarländer spenden mehr für gemeinnützige Zwecke. Während im Bundesdurchschnitt 73 Prozent die eher pessimistische Ansicht vertreten, die meisten Menschen kümmere es nicht, was mit ihren Mitmenschen geschieht, sagen dies nur 69 Prozent der Bayern. Beim Vertrauen in Mitmenschen schneidet der Freistaat ebenfalls gut ab. Lediglich in den Stadt-staaten und in Baden-Württemberg ist es höher. Demgegenüber akzeptieren die Bayern gesellschaftliche Vielfalt nicht stärker als der Bundesschnitt.
Toleranz, aber mit Abstrichen
Zwar nahm wie in fast allen westdeutschen Ländern die Toleranz gegenüber Homosexualität deutlich zu, jedoch verhalten sich die Bayern im Umgang mit Zuwanderern ambivalent. Positiv ist, dass sie sich seit Beginn des Untersuchungszeitraums für ein gesellschaftspolitisches Engagement von Ausländern zunehmend öffnen. Demgegenüber gibt es in Bayern allerdings, wie in Deutschland insgesamt, einen negativen Trend: Die Menschen akzeptieren es immer weniger, wenn Zuwanderer ihren traditionellen Lebensstil pflegen. Diesem Befund steht die Erkenntnis aus der Studie entgegen, dass in den Bundesländern mit den höchsten Ausländeranteilen die Bürger am engsten zusammenhalten. "Offenbar empfinden noch immer viele Deutsche Zuwanderung als Bedrohung. Wir sollten stattdessen Vielfalt als Chance begreifen", sagt Liz Mohn, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung.
Wohlstand als Indikator
Ihre Lebensumstände empfinden die Bayern aktuell als überdurchschnittlich gerecht. 57 Prozent sind der Auffassung, dass sie einen gerechten Anteil am Wohlstand erhalten. Bundesweit sagt dies nicht einmal jeder Zweite. Nur in Hamburg sagen das mit 61 Prozent mehr Menschen. Mit ihrer Analyse, welche Einflussgrößen für den Grad des Zusammenhalts in einer Gesellschaftentscheidend sind, liefert die Studie auch Erklärungen, warum die süddeutschen Bundesländer im Bundesvergleich insgesamt recht gut abschneiden: "Je höher das Bruttoinlandsprodukt eines Bundeslandes, je niedriger das Armutsrisiko, je urbaner das Wohnumfeld und je jünger die Bevölkerung, desto höher der Zusammenhalt", fasst Kai Unzicker, Experte für gesellschaftliche Entwicklung in der Bertelsmann Stiftung, die Ergebnisse der Studie zusammen. Bereits im vergangenen Jahr hatte eine internationale Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung belegt, dass Wirtschaftskraft und Wohlstand förderlich sind für das innere Gefüge einer Gesellschaft. Der innerdeutsche Vergleich zeigt zusätzlich, dass auch ein städtisches Umfeld und eine positive demographische Entwicklung helfen, eine Gesellschaft zusammenzuhalten.
Informationen zum "Radar Gesellschaftlicher Zusammenhalt"
Das "Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt" ist ein Index der Bertelsmann Stiftung, den ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Klaus Boehnke und Prof. Jan Delhey von der Jacobs University in Bremen erstellt hat. Bereits im Juli 2013 ergab ein internationaler Vergleich, dass die skandinavischen Staaten und die angelsächsischen Einwanderungsländer einen besonders hohen Zusammenhalt aufweisen. Deutschland landete hierbei im Mittelfeld der 34 untersuchten Länder, mit deutlichen Schwächen bei der Akzeptanz von Diversität. Für den innerdeutschen Vergleich der Bundesländer wurden verschiedene Befragungsstudien sowie Daten der amtlichen Statistik in einer sogenannten Sekundäranalyse zusammengeführt und ausgewertet. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird durch 31 Einzelindikatoren in neun Dimensionen erfasst, die sich den drei Themenbereichen "Soziale Beziehungen", "Verbundenheit mit dem Gemeinwesen" und "Gemeinwohlorientierung" zuordnen lassen.
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