Eine Begegnungsstätte mit Herz
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Vor vierzehn Jahren gründete Stadtrat Josef Troidl den Strohhalm e.V., einen Verein zur Unterstützung Obdachloser und hilfsbedürftiger Menschen. Wohl jedem Regensburger ist dieser ein Begriff, doch nur wenige wissen um die vielen Menschen und die harte Arbeit, die hinter dem Verein stehen.
Das niedrige Häuschen in der Keplerstraße, das in einem freundlichen Gelb gestrichen ist und einen gemütlichen Eindruck macht, lässt auf den ersten Blick gar nicht vermuten, was sich dahinter verbirgt - würde da nicht in großen dunkelroten Buchstaben "Strohhalm" über der Eingangstür stehen. Vom Eingang aus gelangt man in einen kleinen Flur, rechts davon befindet sich ein Bürozimmer, in dem sich Strohhalm-Prospekte stapeln. Zudem gibt es ein Badezimmer mit Toiletten, Duschen und Waschmaschinen. Dann führt Stadtrat Josef Troidl in das Herz des Hauses: Die offene Küche mit dem Essensbereich, in dem fünf große Tische stehen, die zum gemeinsamen Essen einladen.
Im hinteren Bereich des Gebäudes befinden sich Kühlschränke im Wert von rund 27.000 Euro. Alles finanziert durch Spenden und sein Stadtratsgeld, wie Troidl stolz erklärt. Über eine kleine Teppe geht es hinauf in den zweiten Stock, in dem alles gelagert wird, was der Strohhalm an Sachspenden bekommt: Von Geschirr über Kaffeevollautomaten bis hin zu PCs. Wer etwas braucht, bekommt es. Im dritten Stock befinden sich neben einem kleinen Büro, das von einer ehrenamtlich arbeitenden Sekretärin geführt wird, ein paar Fahrräder für den Fall, dass einer der Obdachlosen eine Arbeit bekommt, zu der er einen weiteren Weg zurücklegen muss. Im Jahr vermittelt der Strohhalm durchschnittlich fünfzehn Jobs an bedürftige Menschen und verhilft ihnen so zurück ins Leben.
Sonne für die Schattenseite des Lebens spenden
"Wir müssen jeden Menschen als Mensch betrachten. Die Leute, die zum Strohhalm kommen, sind keine Aussätzigen. Wir befinden uns auf der Sonnenseite des Lebens, die eben auf der Schattenseite und es ist unsere Aufgabe, ihnen etwas Sonne zu spenden", erklärt Josef Troidl. Dieser Meinung sind auch die 35 ehrenamtlichen Mitarbeiter des Vereins. Bezahlt wird nur die Putzfrau, die täglich für Sauberkeit sorgt, denn laut Troidl hat Hygiene oberste Priorität im Strohhalm. Doch der Stadtrat betont auch: Wenn sie nur einen einzigen Lohn mehr zahlen müssten, müsste der Strohhalm schließen.
Geöffnet hat die Begegnungsstätte mit Herz im Sommer übrigens von 9 bis 14 Uhr, im Winter bis 17 Uhr. Somit ist zumindest in der kalten Jahreszeit für einen fließenden Übergang mit den Öffnungszeiten der Notunterkunft der Stadt Regensburg gesorgt, die um 18 Uhr ihre Pforten öffnet und diese um 8 Uhr morgens wieder schließt. Bis die Obdachlosen also dann den Fußweg zur Keplerstraße hinter sich gebracht haben, hat der Strohhalm bereits geöffnet.
Aber was macht der Strohhalm eigentlich? Was sind die Ziele der ehrenamtlichen Helfer? Initiator Josef Troidl zeigt anhand seiner Führung die drei Standpfeiler des Vereins:
Kein Regensburger soll hungern. Das Geräusch von Besteckklappern mischt sich mit leise und laut geführten Gesprächen und ausgelassenem Lachen. Hier und da huscht ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht, angesichts des Essens, das die Bedürftigen gerade verspeisen und des Gemeinschaftsgefühls, das beim gemeinsamen Zusammensitzen aufkommt. Jeder kennt und mag sich. Eine kleine Familie für die, die sonst niemanden mehr haben.
Um für die vollen Mägen der Bedürftigen zu sorgen, bietet der Strohhalm jeden Tag Frühstück für 50 Cent und Mittagessen für einen Euro an. Suppe gibt es kostenlos. Ein- bis zweimal im Jahr gehen alle miteinander essen, wenn sie beispielsweise um Weihnachten, zur friedlichsten Zeit des Jahres, von einem Lokal eingeladen werden. Und zur Dult-Zeit hat Stadtrat Troidl Kontakte zum Hahn-Zelt, um "seinen" Bedürftigen eine Freude bereiten zu können.
Zuständig für das Essen ist normalerweise ein meist drei- bis vierköpfiges, eingespieltes Team, das pro Tag durchschnittlich 40 bis 50 Portionen kocht. Oft wird anstelle von Geld auch mit Essensmarken bezahlt, die von den Pfarreien an Bettler verteilt werden. Diese Methode wurde erst vor Kurzem eingeführt, um die Obdachlosen davon abzuhalten, sich von dem erbettelten Geld Alkohol oder Drogen zu kaufen. Doch auch wer weder Geld noch eine Essensmarke hat, wird hier nicht abgewiesen. Jeder bekommt das, was er braucht, denn niemand soll hungern müssen. Alkoholkonsumenten aber bekommen nur Suppe, mehr nicht. Sollten diejenigen allerdings alkohol- und drogenfrei werden wollen, hilft der Strohhalm, wo er nur kann. Solange der Wille jedoch nicht vorhanden ist, gibt es auch kein Essen.
Kein Regensburger soll schmutzig sein. Nicht nur das Gebäude des Strohhalms soll sauber und hygienisch sein, sondern auch die Bedürftigen, die hier Hilfe suchen. Niemand, egal wie arm und mittellos, soll dreckig sein müssen. Daher gibt es in einem kleinen Hinterbereich des Hauses ein Badezimmer, das blau beleuchtet ist. Warum blau? Damit Drogenabhängige keine Chance mehr haben, eine Vene zu finden. So will der Strohhalm den Konsum von Drogen ausmerzen, erklärt Josef Troidl. Sollte jemand ins Krankenhaus oder auf Reha müssen, wird seine Wäsche regelmäßig vom Strohhalm gewaschen. Außerdem vergibt die Kleiderkammer des Vereins nur Klamotten, die noch in einwandfreiem Zustand und somit noch tragbar sind.
Kein Regensburger soll frieren. Um dies den Obdachlosen zu gewähren, gibt es gleich neben dem Hauptgebäude des Strohhalms die Kleiderkammer, in der jeder so viele Klamotten bekommt, wie er braucht. Seit sechs Jahren wird sie ehrenamtlich von Margit Dürschmid geleitet. Für ihre Tätigkeit erhielt sie beim Sparkassen-Bürgerpreis den dritten Platz ? zu Recht. Immer montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr vergibt sie Kleidung an neue Besitzer, ist aber schon ab 9 Uhr in der Kammer, um die Klamotten zu sortieren, die außerhalb der Öffnungszeiten abgegeben wurden.
Meist ist noch eine weitere ehrenamtliche Mitarbeiterin da, die selbst HartzIV- Empfängerin ist, aber Margit trotzdem gerne hilft. Hilfe erhält Dürschmid momentan auch von Praktikant Tim, der sich aufgrund eines Schülerpraktikums bewusst gegen einen Kindergarten und für den Strohhalm entschieden hat, denn er weiß, dass er hier etwas fürs Leben lernt: "Jeder kann von heute auf morgen auf der Straße landen ? auch ich."
Margit Dürschmid verweist lächelnd auf die Bereitschaft der Menschen zu helfen und erklärt, dass sie mehr Kleidung "rein- als rauskriegen". Laut der Leiterin der Kleiderkammer wird von original verpackter Neuware bis zerschlissener Kleidung alles abgegeben. Was nicht mehr tragbar ist, verkauft der Strohhalm. Pro Tonne bekommt der Verein 300 Euro, davon werden die Miete und sonstige Anschaffungen wie Lebensmittel oder Renovierungen gezahlt.
Um den Überblick und die Kontrolle zu behalten, werden immer nur so viele Kunden bedient, wie Mitarbeiter in der Kleiderkammer anwesend sind. Da die Sortierung der Kleidung hier anders ist als in normalen Läden und nur die Mitarbeiterinnen genau wissen, wo sie hinfassen müssen, herrscht keine Selbstbedienung. Außerdem will Margit Dürschmid sehen, was mitgenommen wird. Sind beispielsweise nur sechs Hosen in Größe 38 vorhanden, jemand will aber fünf davon mitnehmen, wird das nicht genehmigt. Auch müssen die Kleidungsstücke in der Kleiderkammer anprobiert werden, denn die ehrenamtlichen Helfer haben auch schon erlebt, dass Leute nicht passende Sachen mitnehmen wollen, um sie gewinnbringend weiterverkaufen.
Generell gibt es aber kein Maximum an mitnehmbaren Klamotten, denn das Ziel ist es, den Menschen so viel zu geben wie möglich. Und möglich ist hier vieles: Von Kinder- bis Übergrößen, von Tops und Flip-Flops bis Winterjacken und Stiefel ist alles dabei. Margit erzählt lachend: "Einmal kam einer zu uns und hat gefragt, ob wir ein Zelt da haben. Und wir hatten tatsächlich eins!"
Von der Straße in eine warme Stube
Der Strohhalm e.V. bietet nicht nur Essen und Kleidung, sondern auch Unterkünfte für die Bedürftigen. Denn Josef Troidl und seine Helfer wissen: Ohne Wohnung und feste Adresse gibt es keine Arbeit und ohne Arbeit gibt es keine Wohnung. Für diejenigen, die weder das Eine noch das Andere haben, gibt es nun durch ein von der Stadtbau GmbH gemietetes Haus in der Metgebergasse ein Entkommen aus dem Teufelskreis. Insgesamt 62 Quadratmeter auf drei Stockwerke verteilt hat das kleine Häuschen, das künftig mit mehreren Einzelbetten eingerichtet werden und den Obdachlosen als Start in ein besseres Leben dienen soll.
Ein Meilenstein für Troidl, dessen Herzenswunsch schon lange eine solche Unterkunft ist. Angefangen hat alles, als der Sozialausschuss der Stadt die Einrichtung von Wärmestuben beschloss. Der Initiator des Strohhalm besichtigte die dadurch entstandene Notunterkunft der Stadt Regensburg und wusste sofort: "Das geht gar nicht." Die Untergekommenen waren fast ausnahmslos betrunken, essen und trinken innerhalb der Wohnung war untersagt. Doch auf seine Kritik erhielt Troidl nur die Antwort: "Mach's doch besser".
Gesagt, getan. Er mietete eine Zweizimmer-Wohnung, richtete sie mit Stockbetten ein. Schnell wurde die Wohnung aber zu voll, also musste etwas Größeres her: Eine Vierzimmerwohnung. Doch mit der Größe kam das Chaos, die Kontrolle ging verloren und der Alkoholkonsum kehrte wieder ein. Schließlich wurde das Konzept umgeworfen. Von der Stadtbau GmbH erhielt Josef Troidl eine neue Vierzimmerwohnung, in die eine Familie einzog, die zuvor in einem Wohnwagen gelebt hatte. In einer anderen Zweizimmerwohnung brachte man eine ältere obdachlose Dame unter, die regelmäßig wegen epileptischer Anfälle ins Krankenhaus eingeliefert worden war. In dieser Wohnung ist noch ein Zimmer frei, gesucht wird eine Frau, Nichtraucherin, Alkoholkonsum ist streng verboten.
Die Menschen sind bereit zu helfen
Der Strohhalm e.V. lebt von Sponsoren und Spenden. So liefert beispielsweise die Bäckerei Ebner seit über zehn Jahren täglich Brot und Semmeln, dreimal wöchentlich versorgt die Bäckerei Frischeisen die Bedürftigen mit Gebäck und Kuchen. Die Wurst, die zum Frühstück serviert wird, stellt die Metzgerei Dollmann. Auch der Internetauftritt und ? anschluss des Strohhalm sowie die Plakate, Flyer und Prospekte werden von diversen Unternehmen gesponsert. Einen großen Beitrag leistete außerdem die Gärtnerei Hauner aus Lappersdorf: Durch den Verkauf der Benefizpflanze "Sterntaler" konnten 2.500 Euro gesammelt werden, die dem Strohhalm zugute kommen.
Nachdem der Erlös des Projekts "Benefizpflanze" in den letzten Jahren an die Kuno-Stiftung ging, wollen Gerhard und Elisabeth Hauner nun zukünftig den Strohhalm e.V. unterstützen. Die Hauners haben auch ihre fünf Auszubildenden mit in die Aktion einbezogen. Ihr Ziel war es, ihnen zu zeigen, dass jeder in einer sozialen Verantwortung steht und man sich den Menschen, die um einen herum wohnen, in einer gewissen Art und Weise verpflichtet fühlen sollte. Elisabeth Hauner betont außerdem lächelnd: "Ich merke es deutlich an der Kasse, dass die Leute ganz bewusst noch eine Benefizpflanze zu ihren anderen Sachen dazu kaufen, um etwas Gutes zu tun. Die Menschen sind gewillt zu helfen, das ist spürbar."
Auch Sie wollen den Strohhalm e.V. unterstützen? Hierfür stehen Ihnen einige Möglichkeiten zur Verfügung: Egal ob Sie nun Mitglied im Verein werden und somit fünfzehn Euro im Jahr spenden wollen, ob Sie lieber ehrenamtlich vor Ort arbeiten oder Kleidung, Essen und andere Gegenstände zur Verfügung stellen wollen ? Josef Troidl und sein Team freuen sich über jede Art von Hilfe. Schauen Sie nicht weg, denn auch Ihnen könnte es schon morgen genauso ergehen wie den Bedürftigen, die in der Begegnungsstätte Strohhalm Hilfe erhalten.
Nähere Infos bekommen Sie auf www.strohhalm-regensburg.de oder telefonisch unter 0941 6980154.