Ab morgen müssen sich Bahnreisende erneut mit Zugausfällen und Verspätungen herumschlagen. Denn die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (DGL) ruft seine Mitarbeiter zum längsten Streik der Bahn seit ihrer Gründung 1994 auf. Bis Montag früh sollen Lokomotivführer, Zugbegleiter und Bordgastronomen ihre Arbeit niederlegen.
Bereits fünf Mal hat die GDL im Zuge des aktuellen Tarifkonflikts die Deutsche Bahn bestreikt. Zuletzt am vorletzten Wochenende im Oktober für insgesamt 50 Stunden. Nach gescheiterten Tarifgesprächen über die künftige Zusammenarbeit zwischen der Bahn, der GDL sowie der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) droht die GDL nun mit einer vier-tägigen Arbeitsniederlegung.
Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Forderung der GDL, nicht nur für Lokführer, sondern auch für das übrige Zugpersonal Tarifverträge aushandeln zu dürfen. Die Interessen anderer Berufsgruppen im Betrieb wie Zugbegleiter oder Rangierführer werden nämlich bisher von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten. Diese Aufteilung war bis vergangenen Sommer in einem Kooperationsabkommen geregelt, nach dessen Ablauf jedoch wollen jetzt beide Gewerkschaften jeweils das gesamte Personal vertreten. Die Bahn fürchtet eine Spaltung der Belegschaft aufgrund unterschiedlicher Löhne und Arbeitszeiten und möchte konkurrierende Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe daher unbedingt vermeiden.
Für das Scheitern der Gespräche gibt die Bahn der GDL die Schuld, da diese am Wochenende den Entwurf eines Tarifvertrags, der auch ein Abkommen für Zugbegleiter umfasst hätte, kurzfristig ablehnte. Das Angebot sah vor, dass die GDL für Zugbegleiter verhandeln darf, die EVG für Lokführer, sodass beide Gewerkschaften Tarifgespräche führen hätten können. Bei Konflikten jedoch wäre alles beim alten geblieben: Die GDL hätte die Lokführer vertreten, die EVG die Zugbegleiter. Sollte keine Einigung erfolgen, sollen die Ergebnisse der Verhandlungen mit der EVG gelten. Der GDL-Chef Claus Weselsky sprach daher von einer "Scheinzuständigkeit für die Zugbegleiter", die die GDL nicht akzeptiere.
In dem Tarifkonflikt geht es aber auch um mehr: Die GDL fordert mehr Geld für die Beschäftigten, nämlich fünf Prozent bei zwei Stunden weniger Wochenarbeitszeit. Neu dabei und der Kern des Konflikts ist, dass die Gewerkschaft dies nicht mehr allein für die 20.000 Lokführer fordert, sondern auch für rund 17.000 Zugbegleiter und Rangierführer.
Den Anspruch auf die Ausdehnung ihrer Verhandlungsmacht erhebt die Gewerkschaft aus dem Grundgesetz Artikel 9: Die dort festgehaltene Koalitionsfreiheit spricht allen Berufen das Recht zu, eine Gewerkschaft zu gründen. Die GDL folgert daraus, dass sie für die Gesamtheit der Mitglieder Tarifverträge aushandeln darf. Weselsky sieht dieses Grundrecht in Gefahr und damit die Funktion von Gewerkschaften bedroht. Die Bahn erwidert die Befürchtungen des GDL-Chefs jedoch damit, dass das Grundgesetz keine Spielregeln zwischen einzelnen Gewerkschaften verbiete. Als Lösung plädiert die Bahn wie auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die EVG für das Mehrheitsprinzip: je nach dem, welche Gewerkschaft in der betreffenden Berufsgruppe die Mehrheit hat, soll die Tarifverträge aushandeln. Das heißt: Die GDL vertritt wie bisher die Lokführer, die EVG den Rest. Weselsky will sich mit den Vorschlägen der Deutschen Bahn nicht zufrieden geben, der geplante vier-Tage Streik wird kommen.
Der bevorstehende Megastreik trifft auf Unverständnis sowohl von Seiten der Bahn als auch der Politik. Schäden in Millionenhöhe sind zu erwarten: Das Institut der deutschen Wirtschafft (IW) sieht voraus, dass er bei einem ununterbrochenen Ausstand von mehr als drei Tagen zu gravierenden Unterbrechungen in der Produktion kommen wird. Im schlimmsten Fall müsse man mit 100 Millionen Euro Schaden pro Tag rechnen.
Am härtesten und direktesten betroffen sind Bahnreisende und Pendler. Denn neben Fernzügen werden auch Regionalzüge und die S-Bahnen der Deutschen Bahn für vier Tage lahm gelegt.
Ab Betriebsbeginn am Donnerstag gilt bis Sonntag um 24 Uhr ein Ersatzfahrplan, nach welchem DB-Fernzüge ganztägig fahren. Im Internet ( www.bahn.de/liveauskunft ) und auf dem DB Navigator-App werden tagesaktuelle Reiseverbindungen angezeigt. Der Ersatzfahrplan für den Nahverkehr und der S-Bahnen wird über die Fahrplanauskunft der Bahn veröffentlicht.
Wer dem Chaos und Schlangen an Bahnhöfen aus dem Weg gehen möchte oder überfüllte Abteilungen vermeiden will, dem wird geraten, sich nach einer Alternative umzusehen.
Eine günstige und praktische Möglichkeit ist eine Fahrgemeinschaft.
Pendler, die morgens eine weitere Strecke mit dem Auto zurücklegen müssen, können sich mit Kollegen zusammentun und gemeinsam in die Arbeit fahren. Vielleicht hat ein Freund oder Bekannte in etwa dieselbe Strecke zu fahren und kann Sie mitnehmen.
Für weitere Strecken lohnt sich ein Blick auf eine Mitfahrerzentrale, wie beispielsweise www.blablacar.de , wo sich die Mitfahrer die Spritkosten aufteilen.
Stark im Kommen und mit einem immer größer werdenden Verkehrsnetz sind Fernbusse, wie von den Anbietern MeinFernbus oder Flixbus. Auf www.busliniensuche.de können Sie sich ganz einfach einen Überblick verschaffen.
Ausgenommen vom Streik der GDL sind die meisten privaten Bahnunternehmen, die vor allem im Regionalverkehr Abhilfe schaffen. So bringen Sie die nächsten Tage Bahnunternehmen wie Agilis, Alex und die Vogtlandbahn zu den gewohnten Abfahrtszeiten zum Reiseziel.
Eine weitere sichere Alternative ist die Beschaffung eines Mietwagens. Diese kann man entweder persönlich bei der Niederlassung des Autovermieters abholen, oder per Telefon oder Internet vorbestellen. Ein Kleinwagen könnte sich pro Tag auf rund 60 Euro berufen.
Falls Sie sich doch für die Deutsche Bahn entscheiden sollten, haben Sie als Reisender folgende Rechte:
Bei Zugausfall und Verspätung während eines Streiks können Sie ohne Aufpreis auf andere Züge ausweichen, auch wenn diese Verbindung teurer sein sollte.
Entscheidet man sich aufgrund des Streiks gegen die geplante Reise, kann das Ticket samt Reservierung ohne zusätzliche Kosten erstattet werden.
Bei Verspätungen besitzt der Betroffene einen rechtlichen Anspruch auf Entschädigung. So wird bei einer Verspätung von einer Stunde 25 Prozent des Fahrpreises erstattet, bei zwei Stunden sogar 50 Prozent.
Kommt man aufgrund des Streiks zu spät zur Arbeit, ist es nicht möglich, dem Zugverkehr die Schuld zu geben. Letztendlich ist man selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen und gegebenenfalls auf Alternativen zurückzugreifen.
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Foto:manwalk / pixelio.de
Rekordstreik der Lokführer
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