Gehen der Region die Fachkräfte aus?
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Der Fachkräftemangel stellt in Deutschland seit Jahren ein gravierendes Problem dar, das manche schon jetzt für unlösbar halten. Dagegen sieht die Lage in Bayern noch entspannter aus, der Fachkräftemangel hält sich in Grenzen. Die Ruhe vor dem Sturm. Auch die Arbeitslosenquote im Agenturbezirk Regensburg glänzt, sogar von Vollbeschäftigung ist die Rede. Die Wirtschaft läuft rund. Und trotzdem: Bestimmte Branchen kämpfen auch hier in der Region mit zu wenig spezialisierten Arbeitskräften.
Die Situation stagniert, verschärft sich. Schon seit drei Jahren gibt es viele Stellen, die durch Fachkräfte nicht besetzt werden können. Die Gründe sind genauso einfach wie schockierend. Es gibt schlichtweg zu wenig Fachkräfte, hinzu kommt der demografische Wandel, der in der Zukunft zur negativen Entwicklung beitragen wird. „Zunächst ist wichtig, dass wir keinen flächendeckenden Fachkräftemangel haben. Wir sprechen aktuell noch von einem Fachkräfteengpass“, erklärt Robert Brüderlein, Pressesprecher der Agentur für Arbeit. Am stärksten betroffen sind im Agenturbezirk Regensburg die medizinischen Gesundheitsberufe, Pflegeberufe, sowie Mechatronik-, Energie- und Elektroberufe. „Die Nachfrage im Gesundheits- und Pflegebereich ist wohl dem demografischen Wandel geschuldet, einhergehend mit der gestiegenen Zahl an Pflegeplätzen.“ Besonders im Metall- und Elektrobereich fehlen in Regensburg viele Fachkräfte, da hier große Industrie- und Automobilunternehmen angesiedelt sind. Von den Entwicklungen verschont bleiben das Schutz-und Sicherheitsgewerbe, der Handel und Büroberufe.
Das Problem des Fachkräftemangels kennt das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg nur zu gut. „Der Fachkräftemangel insbesondere in der Pflege ist tatsächlich eine Herausforderung“, so Svenja Uihlein, Pressesprecherin der Barmherzigen Brüder. „Das Thema wird sich in den kommenden Jahren wohl bundesweit verschärfen.“ Mit den eigenen Berufsfachschulen für Krankenpflege- und Kinderkrankenpflege versucht das Krankenhaus dem Wandel entgegenzuwirken. Außerdem wird auf ausgebildete Pflegekräfte aus der EU oder Drittländern zurückgegriffen.
Auch dem Universitätsklinikum Regensburg fällt es vor allem im Bereich der Pflegekräfte schwer, erfahrene Fachkräfte zu gewinnen.Spezialberufe wie Kardiotechniker oder Medizintechniker sind weniger bekannt und deshalb auch weniger auf dem Arbeitsmarkt verfügbar. Trotzdem hat das Universitätsklinikum das Problem relativ gut im Griff: „Derzeit können alle offenen Positionen in einem angemessenen Zeitrahmen besetzt werden“, erklärt Dr. Isolde Schäfer, Pressesprecherin des Universitätsklinikums Regensburg. „Es ist durchaus möglich, dass durch die Migration wie in den 90er Jahren vermehrt Fachkräfte in Deutschland verbleiben und eingestellt werden können.“
Bewusst ist das Problem des Fachkräfteengpasses den meisten Unternehmen. Auch Continental Regensburg plant viele Projekte, um seine Arbeitsplätze attraktiv zu halten. Vor allem in Zeiten der Krise. „Der Fachkräftemangel wird uns künftig im Rahmen der Demografie in allen Bereichen beschäftigen“, weiß Continental Pressesprecherin Susanne Reimann.
Auch wenn die Deckung der Fachkräftestellen bei der Maschinenfabrik Reinhausen hoch ausfällt, blickt man dort in eine ungewisse Zukunft. „Der Fachkräftemangel wird sich auf jeden Fall auch in unserer Region stärker bemerkbar machen“, so Gerold Hasel, Leiter Personal bei der MR. Um dem bereits früh entgegenzuwirken, streckt die Firma ihre Fühler in alle Richtungen aus. Ein breites Angebot an Ausbildungs- und dualen Studienstellen sorgt für die bestmögliche Ausbildung des Nachwuchses. Gesucht wird dieser auf Messen, in sozialen Netzwerken und auf verschiedenen Jobplattformen. Durch ein großes Netzwerk aus 25 Tochtergesellschaften, wird auch im Ausland nach geeigneten Kräften gescoutet.
Genauso knapp sind die Fachkräfte schon seit langer Zeit im Handwerk. „Aus einer Sonderumfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks unter Handwerksbetrieben 2013 ging hervor, dass fast jeder vierte Handwerksbetrieb mit offenen Stellen kämpfen musste. Dieser Trend hat sich bis heute nicht entschärft, im Gegenteil“, weiß Andreas Keller, Bereichsleiter des Geschäftsbereiches Beratung bei der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. Deshalb wurde zur Unterstützung der Betriebe die kostenfreie „Fachkräftebörse“ eingeführt. Darin finden sich momentan rund 60 unbesetzte Stellen. „Die Suche nach Fachkräften ist für kleine und mittlere Betriebe bisweilen ein schwieriges Unterfangen. Oft müssen sie einen großen Aufwand betreiben, um geeignete Bewerber zu finden.“
Dabei ist gerade der Nahrungsmittel-Bereich betroffen. Viele Bäckereien und Metzgereien finden keine geeigneten Fachverkäufer mehr. In der gesamten Handwerksbranche fehlt es allerdings auch an Gesellen und Facharbeitern. Die Lage entspannt sich aber auch beim Nachwuchs laut Expertenmeinungen nicht. „Bis zum Jahr 2020 wird mit einem Schülerrückgang in Bayern von knapp 15 Prozent gerechnet“, so Keller. Handwerksbetriebe müssen sich für die Jugendlichen attraktiver präsentieren und ihre Stärken breit kommunizieren, um den Markt zu verbessern. Bis dahin werden auch im Handwerk weiter ausländische Fachkräfte einbezogen.
„Der zunehmende Fachkräftemangel im Handwerk wird sich weiter fortsetzen und sich sogar weiter verschärfen. Wahrscheinlich wird er auch Betriebe erreichen, die heute noch kein Problem haben. Deshalb ist es für Unternehmer immens wichtig, schon jetzt vorzusorgen, um dann bestmöglich gewappnet zu sein. In den nächsten Jahren stehen in Ostbayern außerdem zahlreiche Betriebsübergaben an, die personell geregelt werden müssen. Das ist eine Herausforderung für das ostbayerische Handwerk, aber auch eine große Chance für die jungen Nachwuchshandwerker. Für diese bietet das Handwerk facettenreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten mit anschließenden Aufstiegschancen. Das kann nach dem Gesellenabschluss der Meisterbrief sein oder der Betriebswirt im Handwerk, mit der Möglichkeit anschließend zu studieren. Danach steht einer Betriebsübergabe, einer Neugründung oder der Übernahme einer verantwortungsvollen Führungsaufgabe nichts im Weg. Das verspricht neben einer eigenständigen Arbeitsorganisation auch ein lukratives Einkommen“, gibt Keller zu denken.
Keller empfiehlt den betroffenen Firmen, vor allem an ihrem Image zu arbeiten und gezieltes Ausbildungsmarketing zu betreiben, um den Nachwuchs zu gewinnen und zu halten. Außerdem muss die innerbetriebliche Kommunikation verbessert werden. „Generell ist das Gespräch zwischen Arbeitnehmer und -geber ein unerlässliches Instrument der Unternehmensführung. Unzufriedenheit muss rasch geklärt werden – egal auf welcher Seite sie herrscht. Hilfreiche Mittel sind u.a. Weiterbildungen, eine strukturierte und offene Personalpolitik sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu garantieren.“ Auch die Politik ist bei dem Thema gefragt, denn der Fachkräftemangel wirkt sich auf die Attraktivität einer Region aus.
Auch in der Industrie fehlt es schon am Nachwuchs. In den Jahren 2013 und 2014 blieben rund 600 Ausbildungsstellen unbesetzt. Die Gründe für diese Lücke sind laut IHK vielfältig. Im Großteil der Fälle waren die Bewerber schlicht ungeeignet. Aber auch die falsche Vorstellung vom Beruf, das Nichterscheinen zum Eignungstest oder die fehlenden Verkehrsmittel spielten eine Rolle. Für über 40 Prozent der Stellen, gab es aber erst gar keine Bewerber. „Bis zum Jahr 2025 verliert die Oberpfalz knapp 100.000 Arbeitskräfte, das sind 15.3 Prozent der Erwerbstätigen. Der Trend zur höheren Schulbildung (FOS, Gymnasium, Abitur) verknappt den Bewerbermarkt für die duale Ausbildung“, erklärt Ralf Kohl, IHK-Betriebsleiter für Berufsausbildung.
Betroffen von diesen Entwicklungen und dem folglichen Fachkräftemangel sind alle Betriebe in der Industrie- und Handelsbranche. „Bekanntheit und Beliebtheit der Berufe spielen eine Rolle. In allen Bereichen sind offene Stellen zu verzeichnen, vom Koch bis hin zum Industriemechaniker, wenngleich in Dienstleistung, Handel, Hotel und Gastronomie weiterhin am stärksten Bewerber gesucht werden.“
Dabei unterstützt die IHK die Betriebe und Schulabgänger bereits mit einer eigens eingerichteten Lehrstellenbörse. Diese enthält Ausbildungsangebote der regionalen Wirtschaft, auch in Form einer App. Über ein Matching-System, ähnlich wie es Partnerbörsen anbieten, werden Firmen und Bewerber über passende Profile informiert. Auch die Politik beteiligt sich an der Nachwuchsgewinnung. „Die Bayerische Staatsregierung unterstützt die Wirtschaft in diesem Bemühen und fördert mit der Ausbildungsinitiative Fit for Work die Berufsausbildung der bayerischen Jugendlichen. Mit den maßgeschneiderten Förderprogrammen werden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds und aus dem bayerischen Arbeitsmarktfonds eingesetzt, um gezielt die Ausbildungschancen von Jugendlichen zu verbessern, die einem besonderen Wettbewerb unterliegen“, so Kohl.
Auch wenn Bayern und gerade Regensburg im landesweiten Vergleich gut dastehen, wird die Entwicklung auch die Region zunehmend treffen: „Auch die großen Unternehmen im Raum Regensburg merken einen Rückgang der Bewerberzahlen. Bis zum Jahr 2030 steigt die Fachkräftelücke in Bayern auf 364.000 Personen“, weiß der Betriebsleiter. Um die aufkommende Situation zu simulieren und mögliche Problemen vorbeugen zu können, bietet die IHK ihren Mitgliedsunternehmen einen Demografie-Rechner an. Dieser zeigt, wie sich der Stellenmarkt über die folgenden Jahre darstellen könnte.
Von dem Problem betroffen sind also sowohl kleine, als auch mittelständische Unternehmen. Die Größe spielt dabei keine Rolle. Arbeitnehmer flüchten sich natürlich lieber in die Industrie, da hier oft höhere Löhne gezahlt werden. Kleine Handwerksbetriebe können da oft nicht mithalten und versuchen mit guten Arbeitsbedingungen zu punkten. „Die klein- und mittelständischen Unternehmen müssen versuchen, die Potenziale ihrer Mitarbeiter durch Qualifikation auszuschöpfen“, so Robert Brüderlein, Pressesprecher der Agentur für Arbeit. Aus- und Weiterbildung ist beim Fachkräftemangel der erste Schritt in die richtige Richtung. „Es gilt alle Möglichkeiten der stillen Reserve zu nutzen und nicht zuletzt wird in den kommenden Jahren das Thema `'Zuwanderung' eine immer größere Rolle spielen.
„Eine Prognose für die nächsten Jahre ist nur schwer möglich“, weiß Brüderlein. Denn viele verschiedene Faktoren spielen eine Rolle. „Natürlich wird die Demografie die Situation noch verschärfen, andererseits kann niemand verlässlich die Konjunktur voraussagen. Die Krisenherde in Europa und weltweit werden auch in Zukunft Einfluss auf die Konjunktur und in der Folge auf unseren Arbeitsmarkt haben.“
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Bilder:
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