Prognosekriterien für Leberzellkrebs entdeckt
- Details
- Kategorie: Panorama
- | filterVERLAG
Forschern des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) gelang es erstmals, zelluläre und genetische Faktoren zu identifizieren, mit denen sich der Krankheitsverlauf bei Leberzellkrebs prognostizieren lässt.
Leberzellkrebs ist mit bis zu 85 Prozent weltweit die häufigste Form bei Krebserkrankungen der Leber. Ursache ist zumeist eine Leberzirrhose, die infolge übermäßigen Alkoholkonsums, einer Infektion mit dem Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Virus oder starken Übergewichts entsteht. Die Leber reagiert darauf mit einer Entzündungsreaktion und unterstützt somit die Tumorentstehung.
In den letzten Jahren steigen die Fallzahlen von Leberzellkrebs immer weiter an. Doch trotz intensiver Forschung und Entwicklung verschiedener Therapiemöglichkeiten weist diese Tumorerkrankung nach wie vor eine schlechte Prognose auf. Dies liegt zum einen am relativ späten Auftreten klinischer Symptome, wodurch die Krebserkrankung häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird, zum anderen an der hohen Rezidivrate nach Therapie. Um die Prognose für Betroffene zu verbessern und wirksamere Therapien zu entwickeln, muss die Entstehung und Entwicklung von Leberzellkrebs noch besser verstanden werden.
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Regensburg haben unter Federführung der Klinik und Poliklinik für Chirurgie zusammen mit der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I (Professor Dr. Andreas Teufel, Leitender Oberarzt) und dem Institut für Pathologie der Universität Regensburg (PD Dr. Petra Rümmele, Leitende Oberärztin) in einer Studie nun die Immunarchitektur von Leberzellkrebs analysiert und dabei erstmals ein für Patienten günstiges immunologisches und genetisches Muster identifiziert. Darauf aufbauend haben sie ein Punktesystem, den sogenannten Leberzellkrebs-Immun-Index, entwickelt, welcher eine Risikostratifikation für den einzelnen Patienten ermöglicht.
Die Regensburger Studie basiert auf unterschiedlichen Erkenntnissen und eigenen Vorarbeiten zu Interleukin 33 (IL-33), einem Botenstoff des Immunsystems. Einerseits werden IL-33 entzündungs- und wachstumsfördernde Eigenschaften bei Tumoren zugeschrieben. Andererseits wurde entdeckt, dass IL-33 als eine Art Alarmsystem für die Immunantwort agiert, wodurch eine Tumorantigen-spezifische Reaktion durch CD8+-T-Zellen aktiviert wird. Diese Zellen, die Krankheitserreger abwehren oder entartete Zellen abtöten, sind auch wichtige Akteure der meisten bisher durchgeführten immuntherapeutischen Behandlungskonzepte bei Leberzellkrebs und wurden mit einer längeren Überlebenszeit der Patienten in Zusammenhang gebracht. „Als Ausgangspunkt für unsere Untersuchung haben wir daher angenommen, dass ein Vorkommen von IL-33 in Tumorgewebe positiv für die Prognose von an Leberzellkrebs erkrankten Patienten ist, da durch sie die Aktivität der CD8+-T-Zellen gesteigert wird“, erläutert Professor Dr. Stefan Fichtner-Feigl, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des UKR.
In der Studie wurden Proben aus Tumor- und Lebergewebe von 119 Patienten, deren Leberzellkrebs in den Jahren 2004 bis 2011 operativ entfernt wurde, immunhistologisch auf ihre einzelnen Zelltypen hin untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass eine hohe Konzentration von IL-33 und CD8+-T-Zellen in tumornahem Gewebe oder im Tumorgewebe unabhängig voneinander mit einer besseren Prognose für die Patienten korrelieren. Das Immun-Infiltrat in tumorfernem Lebergewebe war für die Prognose nicht von Bedeutung.
Darauf aufbauend entwickelten die Wissenschaftler ein Punktesystem, um die Patienten in immunologische Risikogruppen einzuteilen. Ein Punkt wird dabei jeweils für eine hohe Konzentration von CD8+-T-Zellen oder IL-33 im Tumorgewebe oder tumornahen Lebergewebe gegeben. Patienten mit zwei Punkten wiesen eine signifikant längere Überlebenszeit auf als Patienten mit einem oder keinem Punkt. Patienten mit zwei Punkten wurden dementsprechend als Patientengruppe mit niedrigem Risiko, an Leberzellkrebs zu sterben, klassifiziert – jene mit einem Punkt als mittlere und jene mit null Punkten als hohe Risikogruppe.
Nachdem die zelluläre Zusammensetzung von Tumor und tumornahem Lebergewebe mit der Prognose korrelierte, wollten die Forscher wissen, ob sich die Risikogruppen zusätzlich auch in ihrem genetischen Profil unterscheiden. Zum Vergleich wurde dafür DNA aus Tumorgewebe von Patienten aus der Niedrig-Risikogruppe und der Hoch-Risikogruppe isoliert und untersucht. „Die Genexpressionsanalyse zeigte, dass sich die Tumoren neben der zellulären Infiltration auch in ihrem Genprofil unterscheiden“, erklärt Dr. Stefan Brunner, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des UKR. Die Genexpressionsanalyse der Niedrig-Risikogruppe wies im Gegensatz zur Hoch-Risikogruppe eine signifikant erhöhte Aktivität von Genen auf, die für Wachstum und Zellmigration zuständig sind. Gene, die für Zellteilung oder die Vermeidung von Zelltod verantwortlich sind, waren dagegen inaktiv.
„Unsere Forschungsergebnisse tragen im nächsten Schritt mit dazu bei, Therapie und Nachsorge individuell anpassen zu können, um dadurch die Prognose von Leberzellkrebs-Patienten zu verbessern“, erläutert Professor Dr. Hans Schlitt, Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des UKR.
------------------