Missbrauchsfälle Regensburger Domspatzen: „Es wird gesehen, was geschehen ist“
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Die Regensburger Domspatzen sorgten Anfang des Jahres für Schlagzeilen, nachdem Ulrich Weber, Rechtsanwalt aus Regensburg, über Fälle des sexuellen Missbrauchs und der körperlichen Gewalt berichtete. Am 12. Oktober 2016 hat das Aufarbeitungsgremium mit Regensburgs Bischof Dr. Rudolf Voderholzer an seiner Spitze die ersten Ergebnisse anstrengender Arbeit der letzten acht Monate der Öffentlichkeit präsentiert.
Insgesamt geht es um 422 Betroffene, die im Zeitraum von 1945 bis Anfang der 1990er Jahre von Priestern und Lehrern des Bistums verprügelt oder sexuell missbraucht wurden. „Ich möchte alles was in meiner Macht steht machen, um mich mit den Opfern persönlich zu treffen und um Vergebung zu bitten“, sagt Bischof Dr. Rudolf Voderholzer. Seit Februar 2016 suchte das Aufarbeitungsgremium im vertraulichen Rahmen nach nachhaltigen Lösungsmöglichkeiten. Als Vorbild für das Maßnahmenprogramm wurde der Fall des Klosters Etall gewählt, in dem nach einem Kindermissbrauchsskandal ein Mönch zu sieben Jahren Haft verurteil wurde. „Wir haben auch alternative Möglichkeiten in den Blick gezogen, aber am Ende sind wir wieder zum Etall-Model zurückgekommen“, erklärt Rainer Schinko, Internatsdirektor der Regensburger Domspatzen. In Folge der konstruktiven Arbeit wurde ein Maßnahmenkonzept entwickelt, das vier Elemente umfasst: Eine unabhängige Anlaufstelle mit therapeutischer Hilfeleistung, monetäre Anerkennungsleistung, eine historische, sowie auch eine soziologische Studie. Als unabhängige Anlaufstelle wurde das Münchner Informationszentrum für Männer e. V. (MIM) gewählt. „Mit dem MUM konnten wir einen Partner ins Boot holen, dessen Angebot für uns passend war“, erklärt Rainer Schinko. Am 4. Oktober hat das Zentrum seine Arbeit aufgenommen: Alle Betroffene haben ein Recht auf kostenlose qualifizierte Beratung. „Die Opfer können dorthin gehen und mit geschulten Spezialisten sprechen“, sagt Rainer Schinko. Der zweite Meilenstein des entwickelten Programms ist ein Anerkennungsgremium, das drei Spezialisten aus verschiedenen Feldern einschließt. Das Anerkennungsgremium wird die einzelnen Anträge begutachten und darüber entscheiden, welche monetäre Anerkennungsleistung gezahlt wird. Die Zahlungen liegen je nach Schwere der Fälle zwischen 5.000 und 20.000 Euro. „Allerdings ist das Geld hier nicht das Maßgebliche“, erklärt Alexander Probst, Vertreter der Betroffenen. Die vorgesehene sozialwissenschaftliche Studie wird an die Kriminologische Zentralstelle e. V. in Wiesbaden unter Leitung von Dr. Martin Rettenberger geführt. Die historischen Aspekte der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen werden an den Lehrstuhl von Professor Dr. Bernhard Löffler an der Universität Regensburg gegeben. Die Fertigstellung beider Studien dauert etwa zwei Jahren.
„Wir sind mit den Ergebnissen der gemeinsamen Arbeit des Aufarbeitungsgremiums sehr zufrieden. Zu Beginn der Verhandlungen hatten wir einen Förderungskatalog und er ist jetzt dank konstruktiver Gespräche vollständig erfüllt“, so Alexander Probst. „Für die Opfer ist besonders wichtig, dass Bischof Dr. Rudolf Voderholzer an allen Sitzungen teilgenommen hat und zu jeder Zeit an einer konstruktiven Gesamtlösung interessiert war. Nach Jahren des Stillstandes haben wir relativ schnell eine Lösung gefunden, auf die viele Leute sehr lang gewartet haben. Die Rolle des Bischofs ist also nicht hoch genug zu bewerten“, zieht Peter Schmitt, der die Betroffenen im Aufarbeitungsgremium vertritt, Bilanz.