Bloggen als Traumatherapie
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Was bewegt Menschen dazu, ihr Heimatland zu verlassen und wie können die erlebten Traumata verarbeitet werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich zwei Veranstaltungen am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) im Mai 2017.
Über 740.000 Asylanträge wurden 2016 in Deutschland gestellt. Bis März 2017 waren es bereits über 60.000. Nach wie vor suchen immer noch zahlreiche Menschen aus anderen Ländern Zuflucht in Deutschland. Doch wer sind diese Menschen? Und was haben sie alles erlebt? Auf diese Fragen geht Amir Ahmad Nasr in der Vorstellung seiner Autobiographie „Mein Isl@m – Bloggen für die Freiheit“ am Donnerstag, dem 11. Mai 2017, von 19:00 bis 20:30 Uhr im Großen Hörsaal des UKR ein. Die Veranstaltung ist kostenlos und für alle Interessierten offen. Die Moderation übernimmt Professor Dr. Thomas Loew, Leiter der Abteilung für Psychosomatische Medizin, der in einem eigens konzipierten Programm am 6. und 7. Mai selbst Traumahelfer für geflüchtete Kinder und Jugendliche ausbildet.
Vom Märtyrer zum Aufklärer
Die meisten der Menschen, die in Deutschland und Europa Schutz suchen, stammen aus arabischen Ländern. Damit wird der Islam in unserer Gesellschaft immer präsenter. Amir Nasr ist Blogger und Buchautor und möchte anhand seiner eigenen Geschichte Aufklärungsarbeit leisten.
Früh kam er in seiner Kindheit im Sudan, in Katar und Malaysia mit dem radikalen Islamismus in Kontakt. Mit elf Jahren wollte er sogar als Märtyrer sterben. Amir Nasr kamen aber Zweifel, und er begann, seine Religion und Tradition mit Unterstützung der neuen Medien und inspiriert von jungen Aktivisten, die schließlich zur Kraft hinter dem Arabischen Frühling wurden, kritisch zu hinterfragen.
Als anonymer Blogger „The Sudanese Thinker“ diskutierte er die Dogmen seiner religiösen Erziehung, von denen er sich immer mehr eingezwängt fühlte, und fand schnell Gleichgesinnte. Bloggen wurde für Amir Nasr der Weg, sich mit dem Trauma des religiösen Fanatismus auseinanderzusetzen, sein Recht auf Meinungsfreiheit zu entdecken und zu leben. Diesen Weg zeichnet er in seiner Autobiografie „Mein Isl@m: Bloggen für die Freiheit“ nach und eröffnet so den Blick auf eine ganze Generation junger Muslime, die sich mithilfe moderner Technologie an engen fundamentalistischen Strukturen vorbei Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung und Vernetzung suchen.
Kriegsschauplatz Gehirn
Professor Dr. Thomas Loew hat 2015 ein innovatives Programm zur Ausbildung von Traumahelfern initiiert. Auslöser war damals der immense Flüchtlingsstrom, der die bestehenden Strukturen der medizinischen Flüchtlingshilfe vor enorme Herausforderungen stellte. Besonders für Kinder und Jugendliche standen zu wenige Angebote zur psychotherapeutischen Unterstützung zur Verfügung. In seinem Traumahelfer-Programm greift er deswegen auf engagierte Laien zurück. Sie werden so qualifiziert, dass sie Flüchtlingskindern und -jugendlichen seelische Unterstützung anbieten können. „Die Kinder erhalten dadurch die Möglichkeit, mit spielerischen Methoden ihre Geschichte zu erzählen und sich so davon zu befreien“, führt Professor Loew aus. „Die Hauptaufgabe der Laienhelfer besteht dabei darin, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen und ihnen zuzuhören“. Die Geschichten der Kinder und Jugendlichen werden dann mit Experten besprochen, analysiert und bewertet. Stellt sich dabei heraus, dass ein Kind oder Jugendlicher an einem besonders starken Trauma leidet, wird es an einen Experten überwiesen.
Der nächste Kurs findet am 6. und 7. Mai 2017 im Universitätsklinikum Regensburg statt. Die Teilnahme kostet 150 Euro pro Person. Alle Informationen und das Anmeldeformular finden sich auf der Internetseite www.gewiss-ev.de.