OTH - Akademische Integration
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Syrer studieren hauptsächlich technische Studiengänge, um ihre Heimat wieder aufbauen helfen zu können, sobald der Krieg aus ist – Hoher Beratungsbedarf und intensive Betreuung von Seiten des Akademischen Auslandsamts erforderlich.
Im aktuellen Sommersemester 2017 machen 47 Studienbewerber der OTH Regensburg mit Fluchthintergrund einen studienvorbereitenden Deutschkurs. Weaam Almansour ist einer von ihnen – der 26-jährige Syrer kommt aus einem Ort nördlich von Homs. Im Jahr 2015 ist er über die Balkanroute, inklusive Bootspassage von Griechenland aus, nach Deutschland gekommen. Nur sein Cousin hat ihn auf dem Weg begleitet. In Deutschland angekommen wurde Weaam der Erstaufnahmeeinrichtung in Regensburg zugeteilt. Inzwischen hat er den Sprung aus der Flüchtlingsunterkunft in ein privates Ein-Zimmer-Appartement geschafft – und an die OTH Regensburg. Im Sommer steht für ihn die DSH-Prüfung an, die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang. Zum Wintersemester 2017/2018 will sich Weaam dann für den Bachelorstudiengang International Relations Management und Betriebswirtschaft bewerben. „Wenn ich das Studium schaffe und der Krieg aus ist, würde ich gerne zurück nach Syrien gehen“, sagt er.
Genauso geht es seinem Landsmann Hamid Zatari. Der 21-Jährige aus Aleppo hat bereits mit dem Fachstudium begonnen, er ist im ersten Semester Bauingenieurwesen. „Wenn der Krieg vorbei ist, kann ich mit dem Studium helfen, mein Land wieder aufzubauen“, hofft er. Bis dahin beschäftigen ihn allerdings noch ganz profane Dinge: Sein BAföG-Antrag ist zwar gestellt, doch noch nicht bewilligt. Und das Geld vom Jobcenter, auf das er bisher Anspruch gehabt hat, fließt nicht mehr, seit er immatrikuliert ist. Den finanziellen Engpass gilt es zu überbrücken. Einen festen Nebenjob hat er noch nicht; nur in Kelheim hat er mal bei einer Kinderfreizeit als Betreuer gearbeitet. Aber Hamid ist zuversichtlich – zumindest hat er mittlerweile ein Zimmer in einer WG gefunden. Der Verein Campus Asyl hat ihm dabei geholfen. Über das Mentoringprogramm „First steps“ der OTH Regensburg bekommt er immer wieder hilfreiche Tipps – vielleicht ist ja auch einmal ein Job dabei. Und obwohl Hamid gut mit seinen Kommilitonen vernetzt ist, verbringt er die Freizeit fast ausschließlich mit seinen Landsleuten. Er hat nämlich die gleiche Erfahrung wie Weaam gemacht: „Die Deutschen haben immer keine Zeit.“
Dass für Geflüchtete der Einstieg ins Studium eine Herausforderung ist, kann Anne Groll vom Akademischen Auslandsamt (AAA) der OTH Regensburg nur bestätigen: „Bei Geflüchteten ist eine intensivere Beratung notwendig als bei anderen Gruppen von internationalen Studierenden“, sagt sie. Als Grund nennt sie unter anderem die sehr begrenzten finanziellen Mittel, den unsicheren
Aufenthaltsstatus sowie fluchtbedingte Traumata. Dem „International Office“, wie sie es nennen, sind Weaam und Hamid extrem dankbar: „Anne Groll und die anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dort haben uns sehr viel geholfen.“ Die Hilfe besteht nicht nur aus Beratung und Information, sondern ganz konkret auch aus finanzieller Unterstützung: Über das Programm „Integra“ hat das AAA für den Zeitraum bis zum März 2019 Fördermittel von rund 130.000 Euro einwerben können, mit denen die Deutschkursgebühren für Geflüchtete bezuschusst werden. Auch die Beratung im AAA durch Studierende mit arabischen Sprachkenntnissen konnte über ein DAAD Programm verstärkt werden.
Weaam und Hamid sprechen inzwischen gut Deutsch. „Nur Bayerisch ist sehr schwer“, sagt Hamid. Insbesondere wenn sich seine Studienkollegen untereinander unterhielten, falle ihm das Verstehen sehr schwer. Auch das deutsche Essen ist für die beiden Syrer gewöhnungsbedürftig. „Ich esse eigentlich nur arabisch“, sagt Hamid. Bei Weaam ist es weniger das Essen als die Bürokratie, die er als sehr kompliziert empfindet. Da er in seiner Heimat bereits ein Jura-Studium abgeschlossen hat, hat er in Regensburg zunächst ein Praktikum in einer Rechtsanwaltskanzlei gemacht. Dabei musste er jedoch feststellen, dass er auf dem hiesigen Arbeitsmarkt kaum Chancen hatte. Nun versucht er an die wirtschaftswissenschaftlichen Fächer seines Jura-Studiums anzuknüpfen.
„Es ist zu erwarten, dass viele den Sprung ins Fachstudium mit Beginn des Wintersemesters schaffen werden“, sagt Anne Groll vom AAA. Was ihr in der Beratung aufgefallen ist: 90 Prozent der Studieninteressenten mit Fluchthintergrund geben einen technischen Studiengang als Wunsch an. Besonders Maschinenbau und Bauingenieurwesen werden häufig als Studienziel angegeben: Wie Hamid und Weaam wollen viele junge Syrer mit den hier erworbenen Kenntnissen ihre Heimat wieder aufbauen – wenn denn der Krieg endlich aus ist.