Das Sommermüllmärchen
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Der Regensburger Sommer ist Gold wert. Die nördlichste Stadt Italiens lockt schließlich mit Promenaden und Plätzen verschiedenster Art. Dennoch haben sie alle eines gemeinsam: Je länger und wärmer die Tage werden, umso so vermüllter werden auch Donau, Bismarckplatz und Co.
Noch 1993 forderte die CSU, laut Umweltamt der Stadt Regensburg, die Entfernung aller öffentlichen Müllbehälter, damit die Regensburger ihren Müll nicht in der Stadt, sondern zuhause wegwerfen. Ende Mai, gute 25 Jahre später, wird eingelenkt: „Regensburg soll sauberer werden“ und zu diesem Zweck sollen mehr Mülleimer aufgestellt werden, fordert die CSU. Doch weniger Müll heißt nicht gleich sauber oder gut(!), wissen vor allem die Regensburger Ladenbesitzer…
Denn die Probleme lauern im Sommer nicht nur an allen Ecken und Winkel in Form von Pappbechern, Pizzaschachteln oder Restmüll, sondern vor allem am Boden der zahlreich gelehrten Bierflaschen. Wer den morgendlichen Arbeitsweg durch die Altstadt beschreitet, dem begegnen nicht nur liegengebliebene oder zerbrochene Bierflaschen, sondern auch Flecken von Erbrochenem an unzähligen Winkeln der Altstadt. Oftmals kommt der öffentliche Reinigungsdienst gar nicht mehr hinterher, sodass die Ladenbesitzer auch selbst Hand anlegen, um die Straßen vor ihren Läden sauber zu halten. „Ich hab’ mich mal mit einem von den Straßenreinigern unterhalten. Die müssen täglich zehn Straßen sauber machen. Und wenn man eine Straße mit mehreren Bars hat, dauert diese einzige Straße schon anderthalb Stunden“, erklärt ein Altstadtladenbesitzer. Da verwundert es nicht, dass fast jeder der Ladenbesitzer mithilft und fast täglich damit beschäftigt, die Straße zu kehren, zerbrochene Flaschen aufzusammeln oder mit mehreren Kannen Wasser klebrige Stellen vom Pflaster zu entfernen.
Das Problem liegt wohl in den vielfältigen Anreizen der Stadt selbst. Mit ihrem Charme, den historischen und verwinkelten Gassen und vor allem mit ihrer legendären Kneipendichte zieht sie nicht nur Nachtschwärmer aus dem gesamten Landkreis an. Hier werden runde Geburtstage, Junggesellenabschiede oder das Semesterende im schönsten Ambiente feucht fröhlich begossen. „Ich war selbst mal Jung, und alle sollen in Regensburg ihren Spaß haben und lachen können“, beginnt ein weiterer Altstadtladenbesitzer. „Aber es kann doch nicht sein, dass die Leute schon um 16 Uhr betrunken vom Bahnhof in die Stadt stapfen, um hier dann alles zu verwüsten? Erst gestern wurde mir in einer Nacht dreimal vor den Laden gekotzt.“ Und so geht es in einem fort. Es werden die Fensterscheiben bespuckt, Eisenpfosten aus dem Pflaster gerissen, Blumenkübel umgeworfen und zerbrochen und den Ärmsten wird sogar in den überdachten Hauseingang gesch***en, was auch eine Videokamera bildlich festgehalten hat. So hängt der Stadtsegen vor allem im Sommer schief und Regenburg verkommt zur unfairen Partymeile. Dabei gäbe es die Initiative „Nette Toilette“, die jedem Besucher Regensburgs ermöglicht, in die teilnehmenden Lokale zu gehen, um sich dort kostenlos zu erleichtern. Und am Neupfarrplatz stünde ja noch das öffentliche WC, das 24 Stunden für alle geöffnet hätte. Im Suff allerdings wird so mancher Mensch eben zum Tier.
Nicht anders verhält es sich mit einem anderen Problem, mit dem Regensburg zu kämpfen hat. „Wie Hunde markieren sie ihr Revier in der ganzen Stadt“, ärgert sich wieder ein anderer Ladenbesitzer. „Die verhalten sich gerade so, als gäbe es in Regensburg zwei große Fußballvereine, die in Konkurrenz stehen.“ Mit Bombings oder Stickern wird plakativ mit „SSV Ultra“ geworben und die Stadtfassaden beschädigt. „Dabei sind alle Schäden und Reinigungen mit Kosten verbunden“, ärgert sich der Nächste. Kaum steht eine neue Laterne auf der neu eingeweihten Steinernen Brücke, schon klebt irgendetwas dran. Hier ein SSV Ultra-Sticker, dort ein SSV-Ultra-Sticker, und an der nächsten klebt Ähnliches… Oftmals schlägt hier auch der Broken-Window-Effekt zu buche. Ist etwas erstmal beschädigt –so die Theorie – fällt es dem nächsten Schmierer gleich leichter, weitere Schäden zu verursachen. Dies ließe sich auch auf die Feier- und Vermüllungswut so manchen Besuchers oder Regensburgers übertragen… Denn weshalb sollen sich die einen beim Feiern fair verhalten, wenn um die Ecke schön gegrölt wird?
Wer will, dass seine Stadt sauber bleibt, der muss sich aktiv dafür einsetzen und die Stadt sauber halten und die vielfältigen Angebote wahrnehmen. Prinzipiell gäbe es genügend öffentliche Mülleimer in der Stadt. Nur sind wir zu eitel geworden, diese zu benützen. Und falls der nächste tatsächlich voll sein sollte, dann könnte man den Müll auch zuhause entsorgen. Wie bei fast allen gesellschaftlichen Problemen handelt es sich um eine Frage des Charakters und der Erziehung. Denn niemand schmeißt seinen Müll zuhause auf den Boden oder erleichtert sich bei einer heimischen Familienfeier im eigenen Flur…
Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer
Was sagen Sie zu der alljährlich wiederkehrenden Müll- und Wildpinkler-Problematik im sommerlichen Regensburg?
Mit dem Thema „Vermüllung“ - besonders in den Sommermonaten - hat die Stadt jedes Jahr zu kämpfen. Die Mitarbeiter des Amts für Abfallentsorgung arbeiten sieben Tage die Woche sehr engagiert dafür, dass unsere Stadt sauber bleibt. Und auch der Kommunale Ordnungsservice hat nachts die Aufgabe gegen „Wildpinkler“ vorzugehen und grölende Menschen zu verwarnen.
Zusätzlich hat die Stadt zusammen mit den Altstadtgastronomen im Bündnis „Fair Feiern“ bereits seit vielen Jahren auf das Problem der „Party-Hinterlassenschaften“ aufmerksam gemacht. Auch im Rahmen der Aktion „Sauber beinand“ durch Bürgermeister Jürgen Huber wurde auf die Problematik der Müll-Hinterlassenschaften auf der Jahninsel aufmerksam gemacht. Ein sehr großes Müllbehältnis von „Sauber beinand“, das von den städtischen Mitarbeitern regelmäßig geleert wird, soll daran erinnern, seinen Müll nicht einfach liegen zu lassen.
Doch nicht nur die Verwaltung ist hier gefragt, sondern jede Bürgerin und jeder Bürger! Denn sie haben es in der Hand, wie es in unseren Parks oder am Donauufer ausschaut und wie viel Müll insgesamt produziert wird.
Gerade an der Donaupromenade, wo sich am Sommer hunderte aufhalten, existieren zu wenige Mülleimer, und erst kürzlich forderte die CSU mehr Mülleimer in Regensburg aufzustellen und eine häufigere Entleerung. Wie wird die Stadt hier handeln?
Der Ruf nach mehr Abfalleimern wird immer wieder geäußert. Doch ist das wirklich die Lösung des Müllproblems? Liegt es nicht eher an uns, dass wir beispielsweise die Grillsachen wieder mitnehmen, die wir auch auf die Jahninsel getragen haben? Sollten wir nicht überlegen, auf welche Verpackungen man verzichten kann, damit erst gar nicht so viel Müll entsteht?
Trotzdem müssen natürlich Abfallbehälter vorhanden sein. Allein im Altstadtbereich mit Stadtamhof haben wir rund 480 Abfallbehälter. Und im Zuge der neuen Altstadtmöblierung werden noch weitere Behälter hinzukommen und schon bestehende in bis zu 120-Liter-Behälter vergrößert.
In Städten wir Singapur drohen bei achtlosem Müllwegwerfen Strafen von ca. 100 €. Wäre eine ähnliche Vorgehensweise für Regensburg nicht auch denkbar? Welche Befugnisse hat das Ordnungsamt, wenn sie Vermüller oder Wildpinkler in flagranti erwischt?
Selbstverständlich kann auch der Kommunale Ordnungsservice Verwarnungen aussprechen, die zwischen 15 bis 35 Euro liegen. Er darf auch Personalien feststellen und Platzverweise erteilen.
Letztes Jahr gab es deswegen eine Stickeraktion vom Regensburger Jugendbeirat, der mit Sprüchen wie „Gib’s mir – dreckig“ die Regensburger auffordern sollte, den Müll in die vorgesehenen Mülleimer zu werfen. Ist dieses Jahr eine ähnliche Aktion geplant?
Die Stickeraktion hatte der erste Jugendbeirat initiiert. Aktuell hat der neue Jugendbeirat keine ähnliche Aktion geplant.
Einige Ladenbesitzer sind der Ansicht, dass den nächtlichen Alkoholexzessen und Randalen mittels vermehrten Patrouillen des Öffentlichen Ordnungsservice begegnet werden sollte. Was kann die Stadt tun, um den Forderungen der Ladenbesitzer nachzukommen?
Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer: „Der Kommunale Ordnungsservice (KOS) ist eine freiwillige Leistung der Stadt. Die Mitarbeiter sind bereits jetzt im Schichtbetrieb sowohl tagsüber als auch nachts im Einsatz. Der KOS ist für die Gesamtstadt zuständig, er kann aber aufgrund der personellen Kapazitäten nicht flächendeckend alle Probleme beheben. Entscheidend ist auch die Bestreifung durch die Polizei.“
Altstadtladenbesitzer (möchte ungenannt bleiben)
„Die Leute randalieren hier, pieseln alles voll und reißen die Blumen aus den Blumenkästen. Und wenn ich in die Arbeit gehe, schaue ich schon von der Weite, was heute denn schon wieder los. Man wird da echt sauer, wie sich die Leute teilweise benehmen. Wir bemühen uns, nicht nur unsere Läden, sondern auch die Flächen vor unseren Geschäften sauber und niveauvoll zu halten, damit es in das Bild einer UNESCO-Welterbestadt passt und fast täglich ist irgendetwas anderes. Es gibt so viel Platz auf der Welt, aber jeder meint, dass sie ihm alleine gehört. Und gerade Samstag ist hier die Hölle los. Den Reinigungskräften kann man da keinen Vorwurf machen, die machen alle einen super Job. Ich denke, dass man das Problem nur in den Griff bekommt, wenn der Kommunale Ordnungsdienst auch nachts Präsenz zeigt und patrouilliert. Die Stadt sollte hier definitiv handeln. Wir werden doch alle mittels Gewerbesteuer zur Kasse geben, wieso kann das Geld nicht dafür eingesetzt werden?“
Altstadtgastroinhaber (möchte ungenannt bleiben)
„Es ist schon richtig, dass die Leute hier mords den Dreck verursachen, vor allem am Wochenende wenn‘s richtig zur Sache geht. Aber andererseits bringen die Partygänger auch Geld in die Stadt. Dass dann dafür gesorgt wird, dass keine Missstände entstehen und die Stadt wieder sauber ist, dafür muss die Stadt Sorge tragen! Nur weil wir Laden- und Gastrobesitzer Getränke und Essen zum Mitnehmen verkaufen, heißt das ja noch lange nicht, dass wir auch dafür verantwortlich sind, wenn die Verpackungen dann in der Donau oder auf den Straßen landen. Die Straßenfeger machen wirklich einen super Job, auch hier vor der Tür. Aber es gibt eben einfach viel zu wenig Eimer , vor allem entlang des Wassers!“
Ingo Saar – Geschäftsführer der Faszination Altstadt.
„Als Einzelhändler mit 30 Jahren Erfahrung in bester Lage kenne ich das Bild. Das Problem wächst leider mit der Zahl der Gaststätten und der Nachtschwärmer. Regensburg ist eine sehr junge Stadt und das ist auch wunderbar so, aber gerade an den Wochenenden ist das nicht so schön… Da macht auch das öffentliche Reinigungspersonal einen richtig guten Job. Das Problem lässt sich nur lösen, wenn man an den Ursachen arbeitet und diese beseitigt. Zum Beispiel gibt es die Aktion #fairfeiern, die einen Leitfaden mit Verhaltensregeln mit an die Hand gibt. Wobei es ja eigentlich nur darauf ankäme, sich so zu verhalten, wie man es zuhause auch macht. Das beginnt ja schon in der Kinderstube. Es ist ja schließlich unser aller Stadt. Das Rauchverbot hat das Problem allerdings verstärkt, die Partys finden seit dem vor allem vor der Türe statt. Dass sich die Leute dann unterhalten, es laut wird und sie ihre Zigaretten wegschnippen, ist dann nur das kleinere Problem. Für die Wildpinkler gäbe es ja auch die nette Toilette als Aktion der Stadt Regensburg der und der Faszination Altstadt. Diese ist schließlich nicht nur für die Besucher am Tag, sondern auch für die Besucher in der Nacht gedacht.“
Anonym (27)
„Also mal ganz ehrlich, wie sich manche hier benehmen, ist einfach unerträglich… Und es ist leider Kultur geworden, sich am Wochenende so richtig wegzurichten. Man muss sich ja nur mal umschauen… Donnerstag ist der neue Freitag, das sagt eigentlich schon alles…“
Lisa (17) auf der Jahninsel – Schülerin aus Regensburg
„Ich meine, ich finds auch echt nicht schön, dass hier überall das Zeug rumliegt. Aber irgendwo ist schon klar, wieso das so ist. Wenn man sich so umschaut, sind da ja auch einfach nirgends wirklich Eimer. Da drüben ist zwar einer, aber der ist ja schon immer voll, wenn wir hier ankommen. Wo sollen wir unser Zeug denn hin tun?“
Chris (22) in der Altstadt – Sportstudent
„Ganz ehrlich? Ich hab meine Flaschen da gerade neben den Müll gestellt, damit die Flaschensammler die mitnehmen können. Und wenn dann so ein Besoffener vorbeiläuft und damit rumkickt, kann ich auch nix dafür.“
Mia (19) am Donauufer unterhalb vom Fischmarkt – Studierende aus Amberg
„Klar sind einerseits die Leute Schuld, wenn die alle ihre Sachen mitbringen und dann einfach liegen lassen. Der nächste schmeißt’s dann ins Wasser oder in den Busch. Aber auch wenn alle ihren Müll gerne wegwerfen würden, frage ich mich doch – wohin? Man muss sich ja nur einmal umschauen. Steht doch fast nirgends ein Eimer. Ich finde die Stadt sollte sich darum kümmern, dass an solchen Stellen einfach auch mehr Eimer stehen. Dann schaut’s hier auch nicht mehr aus!“
Manuel (26) auf der Eisernen Brücke – Student an der OTH
„Ich versteh nicht worin das Problem liegt mehr Mülleimer aufzustellen. Natürlich sind die nicht sonderlich schön, aber ist es besser wenn der ganze Scheiß rumliegt? Ganz ehrlich, da diskutieren die Politiker wegen dem Stadtbild und bauen für ewig viel Geld unglaublich hässliche Bunker in die Altstadt, aber Mülleimer gehen nicht? Was ist eigentlich los mit denen?“
Anonym (18)
„Ein Scheiß ist das. Ich räum meinen Müll schon meistens weg, aber wenn dann kein Eimer da ist (…) Rumtragen tu ich’s nicht den ganzen Tag. Dann sollen die von der Stadt halt dafür sorgen, dass es mehr Eimer gibt. Wegen jedem Scheiß stressen die rum …“