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Intelligente und vernetzte digitale Technologien könnten künftig helfen, die Stromnetze vor Überlastung zu schützen. Wissenschaftler aus Niederbayern entwickeln sie in einem EU-Modellprojekt maßgeblich mit.

Immer mehr Bürger in Deutschland zapfen die Sonne an: In manchen Kleinstädten erreicht der Anteil an erneuerbaren Energien bisweilen Spitzenwerte von 200 Prozent. Das heißt, es wird sehr viel mehr Energie eingespeist, als tatsächlich verbraucht wird. An Sonn- und Feiertagen ist das der Fall, wenn die Gewerbe ruhen und das Wetter besonders schön ist. Das stellt das deutsche Stromnetz vor ganz neue Herausforderungen. Wissenschaftler der Universität Passau suchen gemeinsam mit Forschern aus ganz Europa nach Wegen, wie die Stromnetze mit dieser Überkapazität fertig werden. Sie plädieren für lokale, dezentrale und digitale Lösungen, um Überlastung im Netz zu verhindern.

"Wir haben einen Riesenschritt geschafft", sagt Professor Hermann de Meer, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnernetze und Rechnerkommunikation an der Universität Passau, mit Blick auf die Energiewende in Deutschland. "Jetzt geht es darum, die Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen." Der Forscher beteiligt sich an dem EU-Projekt "Easy-Res", das unter der Koordination der Aristoteles-Universität Thessaloniki europaweit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis zusammenbringt. Die Fördersumme beträgt über einen Zeitraum von drei Jahren mehr als vier Millionen Euro. Davon gehen 750.000 Euro nach Passau. Beteiligt sind neben der griechischen und der niederbayerischen Hochschule die Universitäten Delft in den Niederlanden und Lancaster in Großbritannien. Auch das "Zentrum Digitalisierung.Bayern" ist eingebunden.

Die Ausgangslage: Der hohe Anteil an erneuerbaren Energien speist sich in vielen Fällen vor allem aus kleinen Photovoltaikanlagen, die Privatpersonen betreiben. In Bayern spielen auch Biogasanlagen eine Rolle. Der neue Energiemix stellt die örtlichen Verteilnetze vor große Herausforderungen: Wird zu viel Energie ins Netz eingespeist, steigt die Spannung insbesondere an den Rändern massiv an, wissen die Passauer Wissenschaftler. Die Folge: Überlastung droht.

Stadtwerke und die Betreiber von Verteilnetzen stabilisieren das Netz bislang, indem sie es massiv ausbauen. Übertragungsnetzbetreiber gleichen die Schwankungen mit hohen Kosten aus. Doch womöglich gäbe es auch andere, ökonomisch und ökologisch klügere Lösungen. Ein Schlüssel für die Spannungshaltung könnte Blindleistung sein.

Der Ausgleich könnte auf dezentraler Ebene erfolgen, also bei den privaten Einspeisern. "Diese könnten den Strom aus ihren Photovoltaik-Anlagen überprüfen, bevor sie ihn ins System einspeisen", schlussfolgern die Passauer Wissenschaftler. Das wiederum könnte erhebliche Netzreserven freimachen und sei zudem für Privatpersonen finanziell attraktiv.

"Wir müssen Möglichkeiten schaffen, damit bereits an dieser Stelle der Verteilnetze die Netzdienstleistung erbracht wird", fordert Professor de Meer. "Das gehört untrennbar dazu, wenn sich jemand als Stromerzeuger betätigt. Das ist vergleichbar zu einer Qualitätssicherung des Autos oder des Hauses."

Die Abkürzung "Easy-Res" steht für "Enable Ancillary Services by Renewable Energy Sources". Das bedeutet übersetzt etwa: Netzdienstleistungen für erneuerbare Energiequellen möglich machen. Diese verteilten und dezentralen Netzdienstleistungen sollen das Halten von Frequenz und Spannung und die Fehlertoleranz beinhalten und auf Speicher- und Invertertechnologien beruhen. "Die dezentrale Lösung wäre sowohl preiswerter als auch ökologischer. Dies entspräche einer konsequenten Umsetzung der Energiewende", sagt Professor de Meer.

Dezentrale Netzdienstleistungen hätten nach Meinung der niederbayerischen Experten eine Reihe an Vorteilen: Sie könnten den umstrittenen Ausbau von neuen Hochspannungsleitungen reduzieren. Wenn die Netzdienstleistungen vor Ort erbracht werden, wären keine weiten Wege für diese Dienstleistungen mehr nötig. Und: Reservekraftwerke mit synchronen Generatoren müssten für diese Netzdienstleistungen nicht mehr in Bereitschaft gehalten werden.

Das EU-geförderte Forschungsprojekt könnte also den Betreibern von Verteilnetzen Kosten sparen und womöglich sogar lukrative Märkte eröffnen. Die Informatiker um Professor de Meer bringen ihre Know-how in Sachen Digitalisierung im Bereich Smart Grids ein: intelligente Stromnetze, die die Komponenten der Energieversorgung miteinander vernetzen. Sie entwickeln dafür intelligente Algorithmen, um Erzeugung und Verbrauch zu überwachen. Diese IT-Lösungen stellen sie als offene Plattform zur Verfügung. Anwenden könnten es damit sowohl private Hausbesitzer auf ihre Photovoltaik-Anlagen als auch der griechische Übertragungsnetzbetreiber auf das örtliche Energiesystem.

"Wir wollen Lösungen schaffen, die übertragbar sind", sagt Professor de Meer. Die Projektpartner aus den anderen EU-Ländern hoffen nach seinen Worten, von den deutschen Erfahrungen mit der Energiewende profitieren zu können.

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