2020 – Was Regensburg bewegte
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Auch in Regensburg wurde das Jahr 2020 von einem Thema beherrscht: Corona. Ein Rückblick zeigt jedoch, dass die Stadt auch noch andere Themen bewegt haben als die noch immer andauernde Pandemie.
And the winner is…
Gertrud Maltz-Schwarzfischer! Bei den Kommunalwahlen 2020 ging sie als neue Oberbürgermeisterin von Regensburg hervor. Die SPD-Kandidatin setzte sich in der Stichwahl Ende März knapp gegen Astrid Freudenstein von der CSU durch, die im ersten Wahlgang noch 29,5 Prozent holte und damit sieben Punkte vor Maltz-Schwarzfischer lag. Im finalen Stichwahldurchgang konnte ihre Kontrahentin jedoch 50,7 Prozent der Wahlberechtigten auf ihr Stimmkonto verbuchen, auf Freudenstein entfielen 49,2 Prozent der Stimmen. Von den insgesamt 115.424 Wahlberechtigten gaben 64.205 Personen ihren Stimmzettel ab, das entsprach einer Wahlbeteiligung von rund 52 Prozent. Aufgrund der Corona-Pandemie war bei den Stichwahlen 2020 bayernweit nur Briefwahl möglich, die in Regensburg jedoch mehr Bürger zur Stimmabgabe lockte. Zum Vergleich: Bei der Stichwahl 2014 zwischen Joachim Wolbergs, damals noch SPD, und Christian Schlegl von der CSU gaben 50.573 der damals insgesamt 109.345 Wahlberechtigten ihre Stimme ab, was einer Beteiligung von 46 Prozent entsprach.
Kleine Randnotiz:
Regensburg hat das Ergebnis ihrer Stichwahl zwei Tage verspätet bekannt gegeben und damit als letzte Stadt in Bayern. Zum einen begann die Auszählung der Stimmen in der Welterbestadt im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen erst am Montag und nicht schon Sonntagabend. Zum anderen waren aufgrund des Infektionsschutzes nur 70 Wahlhelfer bei der Auszählung im Einsatz – etliche hundert weniger als bei Auszählungen unter normalen Bedingungen.
„Koalition für Regensburg“ mit knapper Mehrheit
Nachdem die Oberbürgermeisterin feststand, ging es in Regensburg an die Sondierungsgespräche. Mit der Brücke wurden sie abgebrochen, die Bunte Koalition war genauso gescheitert wie Jamaika, eine sogenannte „Graue Koalition“ rückte in greifbare Nähe. Mitte Mai war die Koalition für Regensburg dann auch amtlich: SPD, CSU, Freie Wähler, FDP und CSB-Stadtrat Christian Janele hatten sich zusammengerauft – mit einer denkbar knappen Mehrheit von einer Stimme. Auf die neue Koalition entfallen 26 der 51 Stimmen im Stadtrat, 13 davon auf die CSU, die zusammen mit ihrer zweiten Oberbürgermeisterin Astrid Freudenstein die führende politische Kraft in Regensburg stellt. Die Grünen – mit elf Sitzen zweitstärkste Kraft im Stadtrat – sowie die „Brücke“ von Ex-OB Joachim Wolbergs sitzen seitdem in der Opposition.
Wolbergs, die zweite
Mitte Juni fiel im zweiten Prozess gegen Joachim Wolbergs das Urteil. Und es fiel anders aus als noch im ersten Prozess gegen den ehemaligen Oberbürgermeister von Regensburg. Wolbergs wurde vom Landgericht Regensburg der Bestechlichkeit schuldig gesprochen und zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der mitangeklagte Bauunternehmer Ferdinand Schmack ist schuldig der Bestechung und erhielt vom Gericht eine Geldstrafe von insgesamt 63.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte für Wolbergs ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung gefordert, für Schmack ein Jahr und vier Monate auf Bewährung. Neben Schmack und Wolbergs saßen zu Prozessbeginn noch zwei weitere Bauunternehmer mit auf der Anklagebank. Einer von ihnen nahm die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage an, das Verfahren des anderen wurde abgetrennt. Er wurde bereits Anfang 2020 zu einer Geldstrafe wegen Bestechung verurteilt. Wie schon im ersten Prozess hatte Wolbergs auch im zweiten seine Unschuld beteuert und betont, dass er sich nicht habe beeinflussen lassen. Zudem warf er der Staatsanwaltschaft wiederholt einseitige Ermittlungen vor. Der Vorsitzende Richter Georg Kimmerl sah das in seiner Begründung anders. Auch die Aufspaltung des Verfahrens gegen Wolbergs sei nach Meinung des Richters nicht willkürlich erfolgt. Der zweite Prozess gegen Wolbergs lief seit Oktober 2019. Angeklagt war der frühere Oberbürgermeister wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Untreue. Laut Staatsanwaltschaft soll Wolbergs für Wahlkampfspenden Bauprojekte der mitangeklagten Bauunternehmer gefördert haben. Im ersten Prozess sah das Gericht zwar von einer Strafe ab, Wolbergs wurde im Juli 2019 aber dennoch wegen zwei Fällen der Vorteilsnahme verurteilt. In allen weiteren Anklagepunkten wurde er freigesprochen.
Ein fast geheimer Papstbesuch
Am 18. Juni war es soweit: Benedikt XVI. kam in Regensburg an und besuchte seinen schwer kranken Bruder – begleitet von Sicherheitskräften und Medienvertretern. Wirklich zu Gesicht bekamen die Fotografen und wenigen Zuschauer den emeritierten Papst aber nicht. Am Mittag kam Benedikt XVI. in München an, am Nachmittag stattete er bereits zum ersten Mal an diesem Tag seinem schwer kranken 96-jährigen Bruder Georg einen Besuch ab. Während dieses erste kurze Aufeinandertreffen inmitten der Regensburger Altstadt noch kaum jemand bemerkte, fand sein zweiter Besuch am Donnerstagabend gegen 18 Uhr doch etwas mehr Beachtung. Die Straße vor Georgs Wohnhaus wurde abgesperrt, Polizeiwägen, Einsatzkräfte und Sicherheitsdienste sicherten die Gegend ab und einige Medienvertreter warteten gebannt auf das Eintreffen von Joseph Ratzinger. Um kurz nach 18 Uhr war es dann soweit: Eskortiert von Polizeiautos und -motorrädern traf er – transportiert in einem Malteserwagen – vor der Wohnung seines Bruders ein, um zu Abend zu essen und eine kleine Messe abzuhalten. Langsam ließen ihn Mitarbeiter der katholischen Hilfsorganisation in seinem Rollstuhl aus dem Transporter, ehe sie ihn ins Haus schoben. Das Ganze dauerte nur wenige Minuten, der 93-jährige Benedikt XVI. selbst befand sich die meiste Zeit davon hinter dem Malteserwagen. Lediglich als er in die Einfahrt geschoben wurde, war ein kurzer Blick auf das frühere geistige Oberhaupt der katholischen Kirche möglich. Benedikt, weiß gekleidet, wirkte körperlich schwach, auch wenn er nach Aussagen eines Vertrauten geistig noch völlig fit ist. Sekunden später war der 93-Jährige im Hauseingang verschwunden. Und das war’s dann auch. Benedikts erster Tag in Regensburg verlief weitestgehend unspektakulär und wäre ohne die hohen Sicherheitsvorkehrungen wohl kaum jemandem aufgefallen. Wenige Tage später reiste der emeritierte Papst wieder ab. Rund eine Woche nach seiner Abreise aus Regensburg verstarb sein Bruder Georg Ratzinger, ehemaliger Chorleiter der Regensburger Domspatzen, im Alter von 96 Jahren.
Kleine Randnotiz:
Zur Trauerfeier von Benedikts Bruder Georg Ratzinger kam auch Fürstin Gloria von Thurn und Taxis – mit E-Roller, dafür aber ohne Helm. Eine Anreise, die der Fürstin ein Verwarnungsgeld von 15 Euro einbrachte.
Weihnachtsmärkte ade!
Die Stadt machte es bis zuletzt spannend. Weihnachtsmärkte Ja oder Nein? Am Ende entschied sie sich für ein „Nein“. Während die Verantwortlichen des Weihnachtsmarktes im Spitalgarten und des Lucrezia Marktes ihre Märkte bereits abgesagt hatten, ließ die Stadt mit einer Entscheidung noch immer auf sich warten. Am 26. November und nach der bundesweiten Verlängerung des Teil-Lockdowns stand dann aber auch in Regensburg fest: Weihnachtsmärkte wird es 2020 nicht geben. Coronabedingt war der Christkindlmarkt der Stadt zunächst noch als dezentrale Veranstaltung auf mehreren Straßen und Plätzen in der Altstadt geplant. Am Ende hat sich die Stadt aber für eine komplette Absage entschieden. Dem beugen musste sich auch der Veranstalter des Thurn und Taxis Weihnachtsmarktes, der bis zuletzt mit rund 100 Marktständen und maximal 4.000 Besuchern täglich geplant war.
„Jahnstadion Regensburg“ setzt sich durch
Das Rennen um den neuen Namen für die Regensburger Arena fand Mitte März ein Ende: Jahnfans und Bürger aus Ostbayern stimmten mit deutlicher Mehrheit für „Jahnstadion Regensburg“. Seit Juli trägt die ehemalige Continantal-Arena in Regensburg nun den neuen Namen, der in einer Online-Abstimmung ermittelt wurde. Bürger aus Niederbayern und der Oberpfalz konnten in der Zeit vom 2. bis 8. März über den neuen Namen des Regensburger Fußballstadions abstimmen. Zur Auswahl standen vier Namen: „Jahnstadion Regensburg“, „Jahnstadion Ostbayern“, „Arena Regensburg“ und „Ostbayern Stadion“. Satte 78,02 Prozent entfielen dabei auf den Namen „Jahnstadion Regensburg“. Weit abgeschlagen landete „Arena Regensburg“ auf Platz 2 (15,62 Prozent), „Ostbayern Stadion“ auf Platz 3 (4,45 Prozent) und „Jahnstadion Ostbayern“ auf Platz 4 (1,19 Prozent). Insgesamt haben mehr als 27.000 Menschen abgestimmt, 22.300 Stimmen waren gültig. Stimmberechtigt waren alle Regensburger, die gesamte Bevölkerung Ostbayerns sowie Mitglieder des SSV Jahn mit einem Wohnsitz außerhalb der Region. Dazu zählten auch alle Kinder ab dem vollendeten siebten Lebensjahr.
Ein Jahr ohne Dult
Der erste Lockdown traf vor allem die Veranstaltungsbranche hart. Keine Konzerte, keine Theatervorstellungen und vor allem: keine Dult. Sowohl die Mai- als auch die Herbstdult wurden von der Stadt bereits im März und April aufgrund der Corona-Pandemie und der verhängten Infektionsschutzmaßnahmen abgesagt. Komplett auf Volksfest-Flair wollte die Stadt dann aber doch nicht verzichten und baute eine Mini-Dult auf dem Kepler-Areal auf – mit einzelnen Essensständen und einem 50 Meter hohen Riesenrad vom Münchner Oktoberfest. So richtig in Schwung kommen sollte dieses jedoch nicht. Ende September ging es in Betrieb, ursprünglich für drei Monate. Rund fünf Wochen nach dem ersten Dreher kam dann aber schon das Aus für das Mini-Volksfest. Aufgrund der neuen Lockdown-Regelungen mussten sowohl das Riesenrad als auch das Kinderkarussell und die Imbissstände schließen.
Abstand, Digga!
Das schöne und warme Sommerwetter lockte auch in Corona-Zeiten viele Regensburger auf die Straßen und Plätze der Welterbestadt. Auch wenn die Infektionszahlen in den Sommermonaten beherrschbar waren, Hygienemaßnahmen galten dennoch. Doch gerade diese wurden vor allem am Bismarckplatz deutlich missachtet. Stadt und Polizei wollten diesem Treiben ein Ende setzen – mitunter jedoch mit fragwürdigen Maßnahmen. Sowohl Stadt als auch Polizei versuchten es zunächst vor allem mit Appellen an die Vernunft der Menschen und mit verstärkter Präsenz am Hotspot. Allerdings mit mangelndem Erfolg, was vor allem an heißen Sommerwochenenden deutlich wurde: Der Bismarckplatz war gerade in den Abendstunden vollgestopft mit jungen Menschen, die sich nicht an den Mindestabstand hielten. An Appellen abgearbeitet erörterten Stadt und Polizei verschiedene Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften auch am Bismarckplatz umsetzen zu können. Hierfür griff die Stadt tief in die Trickkiste und zog heraus: großflächige Plakate mit dem Hinweis „Abstand Digga“ und 22 Blumenkübel. Hilfreich waren am Ende aber vor allem kühlere Temperaturen, Platzverweise, Sperrungen des Platzes und ein nächtliches Alkoholverbot. Gut gemeint waren Appelle und Co. aber sicherlich dennoch.
Im Kampf gegen Lärm und „Fäkalexzesse“
Weitere Party-Hotspots in Regensburg waren im Sommer vor allem die Jahninsel und der Grieser Spitz. Nachdem alle Vorkehrungen wie erhöhte Präsenz von Polizei und KOS zu keinen Verhaltensänderungen geführt hatten, griff die Regensburger Koalition im August im Kampf gegen den dortigen Lärm und die Vermüllung hart durch: Bis zum 31. Oktober 2021 dürfen beide Grünanlagen ab 23 Uhr nicht mehr betreten werden – trotz Kritik von den Grünen und der Jugend. Wie es nach dieser Bewährungsprobe weitergeht, ist aktuell noch völlig offen. Grund für das Durchgreifen der Koalition waren neben der Müllproblematik auch die Anwohnerbeschwerden, die mangelnde Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen sowie „Fäkalexzesse“, wie Regensburgs dritter Bürgermeister Ludwig Artinger es formulierte. Außerdem mussten beide Plätze allein im Jahr 2020 30 Mal geräumt werden. Die neuen Regeln seien deshalb die „Ultima Ratio“ für ein Problem gewesen, das bereits seit seiner zwölfjährigen Zeit im Regensburger Stadtrat immer wieder für Diskussionsstoff gesorgt hat. Dieser Meinung war auch Patrick Veit, Leiter des Ordnungsamtes in Regensburg. Seinen Angaben nach hätten sich zu Spitzenzeiten bis zu 800 Personen auf der Jahninsel und bis zu 500 Personen am Grieser Spitz versammelt. Hans Dietrich Krätschell, Leiter des Gartenamtes, ergänzte weitere Zahlen: Binnen sechs Wochen seien am Grieser Spitz und auf der Jahninsel 72 Kubikmeter Abfälle vom Personal des Gartenamtes gesammelt worden. Das entspreche 60 Mülltonnen mit 120 Litern Fassungsvermögen. Kurzum: „Ein riesen Berg Abfall.“ Es müsse deshalb auch mal wehtun, wenn man – und das in diesem Fall buchstäblich – Scheiße gebaut hat.
Wirsing Turm ist Geschichte
Ende Februar wurde ein Regensburger Streitpunkt buchstäblich in Schutt und Asche gelegt: Der Wirsing Turm. Über die Nutzung des ehemaligen Studentenwohnheims am Ernst-Reuter-Platz gab es jahrelang Kontroversen und immer wieder auch Rettungsversuche. In nur wenigen Sekunden gehörte der Turm dank 50 Kilogramm Sprengstoff dann aber der Vergangenheit an. Letztendlich musste er für den Interimsbahnhof, der 2021 fertiggestellt werden soll, weichen.
Kleine Randnotiz:
Der Wirsing Turm wurde in vier Sekunden in 16.000 Tonnen Schutt gelegt. Um die Ausmaße der Staubwolke so gering wie möglich zu halten, wurden zwölf Planschbecken mit insgesamt 30.000 Liter Wasser mitgesprengt. Dieser Vorgang wurde auf diese Weise in Deutschland zum ersten Mal durchgeführt.
Ausgeknallt
Die Regensburger Koalition hat das Abfeuern von Silvesterböllern in der Innenstadt verboten. Schon zu Silvester 2020 werden die Altstadt inklusive des umschließenden südlichen Grüngürtels, Stadtamhof, des Oberen und des Unteren Wöhrds zur feuerwerksfreien Zone. Grundlage für das Verbot sei lau CSU Stadtratsfraktion die konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit sowie die historische Bausubstanz. Die Regensburger Verwaltung folgt damit anderen bayerischen Städten, in deren Innenstädten ein Feuerwerk ebenfalls nicht erlaubt ist.
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