Weshalb fehlt die obere rechte Ecke bei Stimmzetteln? Dürfen Obdachlose zur Wahl gehen? Und wann ist eine Stimme ungültig? Diese und weitere Fragen klären wir in unserem Faktencheck zur Bundestagswahl.
Am 26. September hat es Deutschland wieder in der Hand: Mit ihrer Stimme entscheiden die Bürger, wer für vier Jahre die Verantwortung für die Bundesrepublik übernehmen wird. Bleibt jedoch die Frage: Wen sollen wir wählen und wer wird am Ende regieren? Wir stellen Ihnen die Direktkandidaten vor und werfen zugleich einen Blick auf die vergangenen Legislaturperioden.
Zahlen zu den Regierungsjahren
- 19: Seit 1949 gab es in Deutschland 19 Bundestagswahlen, 2021 findet die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag statt.
- 3: Dreimal in bislang 72 Regierungsjahren kam es dabei zu vorgezogenen Neuwahlen: 1972, 1983 und zuletzt 2005.
- 1: Einen Regierungswechsel ohne Neuwahlen mitten in der Legislaturperiode gab es 1966.
- 8: Seit 1949 gab es in Deutschland sieben Bundeskanzler und eine Bundeskanzlerin. Alle Oberhäupter wurden entweder von der CDU (5)oder der SPD (3) gestellt.4
- 47: 47 Parteien nehmen an der Bundestagswahl 2021 teil. Zugelassen sind 54, 7 von ihnen sind jedoch aus den verschiedensten Gründen dennoch nicht dabei. Zu den 47 teilnehmenden Parteien zählen nicht nur Parteien wie die CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke, AfD oder Freie Wähler, die alle bereits im Bundestag oder einem Landtag repräsentiert sind, sondern auch viele Klein- oder Kleinstparteien.
Bundeskanzler seit 1949
- Konrad Adenauer (CDU): September 1949 – 16. Oktober 1963
- Ludwig Erhard (CDU): Oktober 1963 – 1. Dezember 1966
- Kurt Georg Kiesinger (CDU): Dezember 1966 – 21. Oktober 1969
- Willy Brandt (SPD): Oktober 1969 – 7. Mai 1974
- Helmut Schmidt (SPD): Mai 1974 – 1. Oktober 1982
- Helmut Kohl (CDU): Oktober 1982 – 27. Oktober 1998
- Gerhard Schröder (SPD): Oktober 1998 – 22. November 2005
- Angela Merkel (CDU): November 2005 – 2021
Obere rechte Ecke
Bei allen Stimmzetteln ist die rechte obere Ecke entweder gelocht oder sie fehlt komplett. Der Grund: Blinde oder stark sehbeeinträchtigte Wähler können so eine Stimmzettelschablone anlegen, damit sie den Stimmzettel mit den Fingern lesen können.Smiley-Face
Malt jemand einen Smiley, ein Manschgerl oder sonst irgendeinen Zusatz auf den Stimmzettel, so ist dieser ungültig. Zudem muss deutlich erkennbar sein, für wen sich der Wähler entschieden hat. Das Kreuz muss hierfür nicht unbedingt in dem dafür vorgesehen Kreis landen, es kann auch leicht daneben liegen. Auch muss es nicht zwingend ein Kreuz sein, auch ein Punkt oder ein Haken können zulässig sein, ausschlaggebend für eine gültige Stimmabgabe ist das eindeutige Erkennen des Wählerwillens.Erstwähler
Am 26. September haben rund 2,8 Millionen Wahlberechtigte zum ersten Mal in ihrem Leben die Möglichkeit, an einer deutschen Bundestagswahl aktiv teilzunehmen und ihre Kreuze auf dem Stimmzettel zu setzen.Nordrhein-Westfalen
Die meisten Wahlberechtigten stammen aus Nordrhein-Westfalen – rund 12,8 Millionen Menschen. Dahinter folgt Bayern mit rund 9,4 Millionen Wahlberechtigten. Insgesamt sind rund 60,4 Millionen Deutsche wahlberechtigt.Online-Wahlen
Aktuell gibt es keine Möglichkeit, bei Bundestagswahlen online abzustimmen. Zum einen sind online derzeit noch nicht die Wahlrechtsgrundsätze der allgemeinen, freien und geheimen Wahl gewährleistet. Gerade die Geheimhaltung stellt bei einer Online-Wahl eine große Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass auch das Wahlergebnis nicht transparent genug ermittelt werden kann, da die Kontrollmechanismen bei einer Online-Wahl gerade für die Wähler nicht nachvollziehbar sind.Gefängnisinsassen
Auch Inhaftierte besitzen ein aktives Wahlrecht, es sei denn, es wurde ihnen per Richterbeschluss entzogen. Dies ist jedoch äußerst selten und etwa bei Verurteilungen wegen Landes- und Hochverrat der Fall. Gefangene im offenen Vollzug können ihre Stimme dabei im Wahllokal abgeben, alle anderen wählen per Briefwahl im Gefängnis. Das passive Wahlrecht können Inhaftierte für fünf Jahre verlieren, wenn sie zu einer Strafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurden. Die Verurteilten können in dieser Zeit nicht selbst kandidieren und dürfen auch nicht gewählt werden.Kosten
Die Bundestagswahl 2017 war mit Kosten in Höhe von rund 92 Millionen Euro die bislang teuerste aller Zeiten. Neben den höheren Kosten für das Versenden von Briefwahlunterlagen aufgrund der Erhöhung des Portos war ein weiterer Grund das aufgestockte Erfrischungsgeld für Wahlhelfer. Die Bundestagswahl in diesem Jahr soll laute Rechnungen der Regierung rund 107 Millionen Euro kosten.Zusammentritt
Der neue Bundestag muss spätestens am 30. Tage nach der Wahl zur ersten konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Mit diesem Zusammentritt endet dann die Wahlperiode des vorangegangenen Bundestages.Sperrklausel
Die Sperrklausel bestimmt, dass Parteien und politische Vereinigungen einen gewissen Anteil an allen Stimmen erreichen müssen, um an der Verteilung der Mandate im Parlament teilnehmen zu können. Auf diese Weise soll eine Zersplitterung des Parlaments durch zu viele kleine Parteien verhindert werden. In Deutschland muss eine Partei mindestens fünf Prozent erreicht haben, um ins Parlament einziehen zu können. Man nennt die Sperrklausel daher auch Fünf-Prozent-Hürde.Fünf Wahlgrundsätze
Eine Wahl in Deutschland ist allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. Konkret bedeutet das:- Allgemein: Alle Bürger sind zur Wahl zugelassen, es sei denn, das Wahlrecht wurde ihnen entzogen. Geschlecht, Einkommen, Konfession, Beruf oder politische Überzeugung spielen bei der Zulassung zur Wahl keine Rolle. Der Wahlberechtigte muss zum Zeitpunkt der Wahl aber mindestens 18 Jahre alt sein.
- Unmittelbar: Die Abgeordneten werden von den Wählern direkt und ohne Zwischeninstanz gewählt. In den USA etwa gibt es Wahlmänner, die dann den Präsidenten wählen. In Deutschland gibt es dies nicht.
- Frei: Bürger dürfen in ihrer Wahlentscheidung nicht beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden. Nur so kann der Wähler seinen eigenen Willen auszudrücken. Frei bedeutet in dem Zusammenhang auch, dass es dem Wähler selbst überlassen ist, ob er zur Wahl geht oder nicht.
- Geheim: Die Wahl ist geheim, wenn der Wahlberechtigte seine Stimme unbeobachtet abgeben kann. Auch auf den gefalteten Stimmzetteln darf niemand erkennen, welche Wahl getroffen wurde. Eine nachträgliche Zurechnung zu Personen ist nicht möglich, ebenso ist das Fotografieren der Wahlzettel in der Kabine nicht erlaubt. Bei Briefwahl ist auf das Prinzip der geheimen Wahl besonders zu achten.
- Gleich: Jede Stimme zählt gleich viel. Keine Stimme wird höher gewichtet als eine andere – unabhängig von Beruf oder Steuerlast.
Wahl-Selfie
Ein Selfie in der Wahlkabine ist nicht erlaubt. Das verbietet seit März 2018 die Bundeswahlverordnung, auch Videoaufnahmen sind nicht gestattet. Grund ist das Wahlgeheimnis, wonach niemand erfahren soll, für wen gestimmt wurde. Das Telefonieren in der Kabine ist zwar nicht ausdrücklich verboten, es kann aber vom Wahlvorstand unterbunden werden, der generell entscheidet, was im Wahlraum geduldet und was untersagt wird.Alkohol
Gegen ein Bierchen vor dem Wahlgang ist theoretisch nichts einzuwenden. Der Wähler muss jedoch darauf achten, dass er aufgrund des Alkoholeinflusses niemanden stört und sich an die Regeln hält. Randalierer etwa werden im Wahllokal nicht geduldet.Lippenstift
Generell gilt: Der Stift in der Kabine muss nicht zwingend verwendet werden. Es kann auch ein Stift mitgebracht werden, egal ob in Blau oder in Schwarz. Selbst Bleistifte sind erlaubt. Strenggenommen dürfen die Kreuzchen auch mit Lippenstift gemacht werden. Es muss lediglich erkennbar sein, wem die Stimme gilt.Bikini
Einen Dresscode in der Wahlkabine oder im Wahlraum gibt es nicht. Das heißt, dass theoretisch auch im Bikini oder in Badeshorts gewählt werden darf. Was jedoch nicht erlaubt ist, ist Parteiwerbung – egal ob als T-Shirt-Aufdruck oder als Tattoo.Stimmabgabe im Keller
Seit 15 Jahren räumt eine Familie aus Buchholz in Niedersachen pünktlich zur Wahl ihren Keller frei, damit Nachbarn ihre Stimme abgeben können. Ansonsten müssten die rund 320 Wahlberechtigten mehrere Kilometer weit zur nächsten Ortschaft fahren. Statt Bügelbrett und Fitnessgeräten stehen bei der Familie aus Buchholz am 26. September wieder Wahlkabinen und Urnen im Keller.Erfrischungsgeld
Wahlhelfer in Deutschland erhalten eine Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit, das sogenannte Erfrischungsgeld. Vorsitzenden der Wahlvorstände und Wahlausschüsse erhalten jeweils 35 Euro, die übrigen Mitglieder jeweils 25 Euro. Bei Tätigkeiten außerhalb des eigenen Wahlbezirks werden zudem die Fahrkosten erstattet.Wahltag
Der Wahltag muss entweder ein Sonntag oder ein Feiertag sein. Das gibt das Bundeswahlgesetz vor. Die vergangenen 19 Bundestagswahlen fanden meist im September statt, drei Mal hat es bislang Wahlen im Oktober gegeben. Gab es Abweichungen vom September oder Oktober, waren Neuwahlen, die allererste Bundestagswahl oder die erste Bundestagswahl im vereinigten Deutschland urschlich.Briefwahl
Aufgrund der Corona-Pandemie wird mit einem hohen Anteil an Briefwählern gerechnet. 2017 lag die Quote bei rund 21 Prozent, bei der Bundestagswahl in diesem Jahr soll sie doppelt so hoch liegen. Wahlberechtigte, die ihre Briefwahlunterlagen persönlich bei der zuständigen Stelle in ihrer Gemeinde abholen, können ihre Stimme auch direkt vor Ort abgeben. Einzige Voraussetzung: Die Stimmabgabe muss unbeobachtet erfolgen und der Zettel hinterher in den Umschlag gelegt werden.---
RNRed
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