Seit vergangenem Donnerstag rettete die Sea-Eye bereits hunderte von Menschen – darunter mehrere Schwangere und Kinder. Auch eine medizinische Notevakuierung war nötig. Trotzdem sind sie immer noch auf der Suche nach einem sicheren Hafen, da Malta jede Hilfe verweigert. Doch auch das Verhalten der EU koste laut Sea-Eye Leben.
Seitdem die SEA-EYE 4 am Donnerstag, dem 16. Dezember, in der maltesischen Such- und Rettungszone eintraf, erreichten zahlreiche Meldungen über Boote in Seenot das Rettungsschiff. Insgesamt rettete die Crew der SEA-EYE 4 in vier Rettungseinsätzen 223 Menschen. Unter ihnen sind 29 Frauen, von denen vier schwanger sind, und acht Kinder. Obwohl sogar eine medizinische Notfallevakuierung für zwei gerettete Personen nötig war, verweigert Malta jegliche Hilfe. Aus diesem Grund ist die SEA-EYE 4 nach wie vor auf der Suche nach einem sicheren Hafen. Doch auch das Verhalten der EU wird von Sea-Eye als zutiefst menschenverachtend kritisiert.
Medizinische Notevakuierung nötig
Die SEA-EYE 4 ist bereits erneut tagelang unterwegs, ohne einen sicheren Hafen zugewiesen zu bekommen. Sophie Weidenhiller, Pressesprecherin von Sea-Eye e. V., zur aktuellen Situation: „Wir hatten gestern eine medizinische Notevakuierung von zwei Personen, einer Frau und einem Mann, mit deren jeweiligen Partnern. Diese Menschen wurden von der italienische Küstenwache auf unsere Anfrage hin schnell mit einem Küstenwachboot abgeholt und sicher an Land gebracht, damit sie dort medizinisch akutversorgt werden können.“ Die Sea-Eye befindet sich im Moment nahe Sizilien und ist immer noch auf der Suche nach einem sicheren Hafen.
Trotz akuter Lebensgefahr – Maltesisches MRCC reagiert nicht
Obwohl die Rettungsaktionen in der maltesischen SAR-Zone stattfanden und noch weitere Boote mit zahlreichen Menschen in akuter Lebensgefahr auf See gemeldet wurden, reagierte das maltesische MRCC nicht und koordinierte diese Fälle auch nicht.
„Unser Schiff hat bereits um einen sicheren Hafen gebeten, um die Menschen an Land zu bringen, aber bisher hat nur Italien geantwortet. Die italienische Küstenwache sagte, dass sie unsere Anfrage an die Behörden weitergeleitet haben, wiesen aber auch darauf hin, dass sich der Fall außerhalb der italienischen SAR-Zone und nicht unter der Koordination des MRCC Rom geschah“, erläuterte Weidenhiller auf Rückfrage der Regensburger Nachrichten und fügte hinzu, dass dies wiederum in Maltas Verantwortung läge, da die Fälle in deren Zone geschahen.
Zivile Seenotrettungsorganisationen sind derzeit die einzigen europäischen Einsatzkräfte, die aktiv nach den Menschen suchen und sie in Sicherheit bringen möchten. Da sich das Wetter voraussichtlich bald deutlich verschlechtern wird, sinken die Überlebenschancen für die sich immer noch auf See befindlichen Menschen deutlich.
Kaltblütige Ignoranz der EU kostet Leben
„Einerseits bin ich dankbar, dass die SEA-EYE 4 erneut viele Menschen retten konnte. Gleichzeitig ist es schwer zu ertragen, dass wir annehmen müssen, dass für einige Boote in Not keine Hilfe kam. Die Kapazitäten der zivilen Seenotrettung sind wichtig, aber auch begrenzt“, betonte Weidenhiller. Die kaltblütige Ignoranz der EU koste sie Menschenleben – das Seegrab wachse, auch wenn sie konstant dagegen ankämpften, kritisiert sie weiter und fügt hinzu: „Die Menschen, die qualvoll ertrinken mussten, wollten bloß ein Leben in Sicherheit, auf das sie ein Recht haben – und wir verneinen es ihnen. Aber mit welchem Recht, stellen wir uns über diese Menschen und ihr Schicksal?“
Die Überlebenden an Bord der SEA-EYE 4 werden von der Besatzung versorgt und medizinisch behandelt. Ein Kind hat einen gebrochenen Arm, ein anderes einen gebrochenen Finger. Zwei schwangere Frauen leiden an Magenschmerzen und mehrere Personen mussten wegen chemischen Verbrennungen und Hypothermie behandelt werden.
Verhalten der EU „zutiefst menschenverachtend“
Auch Dr. Christine Winkelmann, Vorständin von German Doctors e. V., äußert sich verständnislos über das Verhalten der EU: „Es ist erschütternd, wie viele Menschen ungeachtet der Gefahren in überfüllten, völlig hochseeuntauglichen Booten über das Mittelmeer fliehen. Und es ist zutiefst menschenverachtend, dass die EU nach wie vor die Rettung dieser verzweifelten Menschen NGOs wie uns überlässt. Kurz vor dem Jahreswechsel hoffen wir darauf, dass sich die Politik in 2022 endlich ändert und das Sterben an der tödlichsten Seegrenze ein Ende nimmt.“ Die Bonner Hilfsorganisation German Doctors e. V. unterstützt die Sea-Eye Rettungseinsätze finanziell und mit medizinischem Personal und Expertise.
Neues Aufklärungsflugzeug im Einsatz
Unterstützt wird die SEA-EYE 4 auch von United4Rescue – Gemeinsam Retten e. V. und deren Flugzeug SKYBIRD. Der deutsche Verein wird unter anderem von der Evangelischen Kirche in Deutschland unterstützt und ist an beiden Rettungsbooten Sea-Watch 4 und Sea-Eye 4 beteiligt. Liza Pflaum, Vorstandsmitglied von United4Rescue, betont: „Dass unser Bündnisschiff SEA-EYE 4 bereits 223 Menschen während dieser Mission retten konnte, ist eine wunderbare Nachricht. Und eine Botschaft, die zu Weihnachten passt! Als United4Rescue freut uns besonders, dass das Flugzeug SKYBIRD die ersten beiden Seenotfälle entdeckt hat – denn United4Rescue hat erst vor kurzem finanzielle Starthilfe gegeben, dieses neue Aufklärungsflugzeug in den Einsatz zu bringen.“ Sie hoffe außerdem sehr, dass die Besatzung der SEA-EYE 4 auf dieser Weihnachtsmission noch viele weitere Leben retten werde.
Sea-Eye e. V. / RNRed