Warum sich in zahlreiche Haushalte immer öfter unangenehme Mitbewohner einschleichen und was man am besten dagegen tun kann.
Seit 2012 hat sich die Zahl der stationären Abklärung wegen einer Ansteckung mit Skabies – im Volksmund „Krätze“ – schleichend verzehnfacht. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. Eine unzureichende Eigenbehandlung trägt ebenso wie eine ungenügende Behandlung der betroffenen Kontaktpersonen zu einer erhöhten Reinfektions- und Übertragungsrate bei. Bei Kindern wird eine Ansteckung mit Skabies meist zu spät erkannt und dann nicht ausreichend intensiv behandelt. Zudem nimmt die Erkrankungsrate an sexuell übertragbaren Krankheiten und damit auch der Skabies in den letzten Jahren zu, da die Furcht vor diesen Krankheiten allgemein und die vor HIV im Speziellen in den letzten Jahren abgenommen hat.
Einfluss von Billig-Lohn-Arbeitern
Einen Zusammenhang mit Migrationsbewegungen aus dem arabischen und afrikanischen Raum ließ sich bislang nicht bestätigen. Der Einsatz von Billig-Lohn-Arbeitnehmern aus der Europäischen Union und aus außereuropäischen Wirtschaftsräumen trägt hingegen zur Verbreitung bei – auch der Pflegesektor scheint hiervon betroffen zu sein. Die Schuld ist dabei aber sicherlich nicht bei den Angestellten zu suchen, sondern bei den Arbeitgebern, die ihre Arbeitskräfte weder ordentlich schulen, noch ordentlich unterbringen und schon gar nicht ordentlich bezahlen. Und wo wir schon bei aktuellen Themen sind: Auch Corona trägt mit Sicherheit ein Quäntchen zur Verbreitung bei. Zwar können Abstandsmaßnahmen eine Verbreitung erschweren, eine Quarantänemaßnahme in einer ordentlich großen Wohngemeinschaft kann diese unter Umständen begünstigen.
Parasiten als Auslöser
Verursacher der Skabies ist die Krätze-Milbe. Ein bis maximal 0,4 Millimeter messender Parasit, der sich bei guter Gesundheit auf warmer Haut etwa 2,5 Zentimeter pro Minute vorwärts bewegen kann. Mit dieser Geschwindigkeit macht sich die männliche Milbe auf den Weg, um ein Weibchen zur Fortpflanzung zu finden. Ist sie fündig geworden und eine weibliche Milbe im Folgenden schwanger, beginnt sie damit, in die oberflächliche Hornhaut einzudringen und dort Gänge zu graben, während das Männchen an der Oberfläche zurückbleibt und stirbt. Diese Gänge können an einem Tag bis zu fünf Millimeter lang werden.
In diese legt sie über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen täglich zwei bis drei Eier. Daraus schlüpfen Larven, die an die Körperoberfläche wandern und sich dort in Hautfalten und Haarwurzeln einnisten, um fertig auszuwachsen und sich später ebenda fortzupflanzen. Der oft beschriebene Juckreiz der beschriebenen Körperregionen kommt durch Abfallprodukte der Milben und körpereigene Immunzellen zustande, die ähnlich wie bei einer Allergie mit juckenden Missempfindungen Alarm geben.
Die Milben sind bei normaler Raumtemperatur (etwa 21 °C) und relativer Luftfeuchtigkeit (40 bis 80 Prozent) bis zu 36 Stunden überlebensfähig. Es reicht, wenn eine schwangere Milbe oder wenige Larven von einem betroffenen Wirt herübergekrochen kommen. Nachdem die kleinen Parasiten nicht so schnell sind, ist dafür ein intensiver Haut-zu-Haut-Kontakt von etwa fünf bis zehn Minuten nötig. Etwa 30 Minuten später hat sich der Parasit in der Regel schon in die Haut eingegraben und bloßes Wischen oder Waschen sind schon zwecklos.
Nach etwa zwei bis sechs Wochen setzt der typische Hautausschlag mit klassischem Befallsmuster ein. Im Bereich der juckenden Körperregionen befinden sich meist weiße, geradlinige bis leicht krumme Milbengänge, an deren Enden sich kleine Bläschen, Pusteln oder eine starke Schuppung bilden. Typischerweise sind Hautstellen betroffen, an denen Haut auf Haut liegt – beispielsweise Fingerzwischenräume, Nabelregion, Achselhöhle, aber auch die weibliche Brust. Insbesondere der Warzenvorhof sowie das männliche Genital, ganz besonders Penis und Skrotum sind Ziel der Parasiten. Typischerweise verstärkt sich der Juckreiz nachts unter der Bettdecke. Dies geht in Folge oft mit Schlafstörungen und eingeschränkter Leistungsfähigkeit tagsüber einher. Gefährlich wird der Milbenbefall vor allem bei immunschwachen Patienten, meist wenn die Haut aufgrund des massiven Juckreizes großflächig aufgekratzt wird und es dort zu einem Bakterienbefall kommt.
Effektive Therapie
Diagnostiziert ist die Erkrankung durch den Fachmann meist mit einem kurzen Blick oder in schwierigeren Fällen mit dem Auflichtmikroskop. In seltenen Fällen muss erst ein lebendes Exemplar mit dem Skalpell gesucht werden.
Die Heilung wird durch eine Milben abtötende (akarizide) und Eier abtötende (ovozide) Therapie erwirkt. In aller Regel kommt zunächst die topische Therapie zur Anwendung, also die Therapie der betroffenen Region: hier der Haut. Diese wird mithilfe einer Salbe (Permethrin) behandelt, die auf Körper und markante Stellen großzügig verteilt und von dort erst nach etwa acht bis zwölf Stunden wieder herunter gewaschen wird. Da die Salbe fettliebend ist, sollte die Haut davor nicht gereinigt werden, da dadurch Fettmoleküle auf der Haut verloren gehen, die die Wirksamkeit der Salbe auf die Milben erhöhen. Eine Wiederholung dieser Anwendung wird in Fachkreisen – entgegen den Informationen auf dem Beipackzettel – aufgrund der regelmäßigen Fehler bei der Anwendung immer empfohlen, um den kleinen Störenfrieden effizient den Garaus zu machen. Bei dieser richtig angewendet eigentlich unkomplizierten Therapie handelt es sich nicht nur um das Mittel der Wahl bei Kindern, sondern auch im Allgemeinen, weil die Salbe sowohl Milben als auch Eier abtötet.
Die systemische Therapie, also die Therapie mit Tabletten beziehungsweise in Saft-Form, ist mit Ivermectin erst seit 2016 offiziell möglich. Am ersten Tag wird eine vom Körpergewicht abhängige Dosis des Medikamentes eingenommen. Dieses Medikament wirkt allerdings nur gegen die Milben und muss daher nach sieben bis zehn Tagen noch einmal eingenommen werden, um die dann aus den unversehrten Eiern geschlüpften Milben abzutöten. Das Ivermectin kann in entsprechende Risiko-Nutzen-Abwägung auch bei Kindern angewendet werden.
Beide Therapien können auch nach entsprechenden Überlegungen in Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. Entgegen den Empfehlungen zahlreicher „Experten“ ist es nicht für eine Therapie des Corona-Virus geeignet. Dort bringt es absolut nichts! Weitere Präparate zur Eindämmung der Skabies befinden sich derzeit in klinische Studien.
Verbreitung und Wiederansteckung vermeiden
Über die medikamentöse Therapie hinaus gilt es die weitere Verbreitung und eine Wiederansteckung zu vermeiden. Zentrales Element sind eine gezielte Therapie infektionsverdächtiger Kontaktpersonen und hygienische Maßnahmen:
- maschinelle Reinigung aller benutzten Textilien mit einer Temperatur über 50 °C für mindestens 35 Minuten (wenn möglich!)
- alle übrigen benutzten Textilien in Plastiksäcke einschließen und bei einer Temperatur von 21°C für drei bis vier Tage oder bei einer Temperatur von -10 °C für fünf Stunden einlagern
- alle Kontaktflächen reinigen und alle benutzten Stoffmöbel und Sitzmöglichkeiten gründlich absaugen
- bei allen genannten Maßnahmen am besten Einmalhandschuhe tragenMithilfe dieser Maßnahmen sollten Sie die lästigen Mitbewohner mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schnell los sein. Sollten sich diese hartnäckiger als erwartet erweisen, fragen Sie am besten den Arzt Ihres Vertrauens um Rat
Gastartikel Dr. Heinz Lehmann