Jeder scheint derzeit händeringend nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu suchen. Doch was ist der Grund für den aktuellen Arbeitskräftemangel und welche Branchen sind davon besonders betroffen.
Nach Ende des Lockdowns in Deutschland tritt ein Problem ganz deutlich hervor: Es herrscht ein erheblicher Arbeitskräftemangel. Vor allem in Berufen, die von zwischenzeitlichen Schließungen aufgrund von Corona-Maßnahmen betroffen waren, fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber auch Jobs, die als sicher gelten, können zum Teil nicht besetzt werden. Robert Brüderlein von der Agentur für Arbeit hat uns einen Einblick in die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt gegeben und uns erklärt, aus welchem Grund bestimmte Branchen besonders stark betroffen sind.
Der Verkauf und die Gastronomie sind immer auf der Suche nach gutem Personal und tun sich zunehmend schwer, gutes Personal zu finden und zu halten. Doch auch sichere Jobs, wie beispielsweise Berufe im Handwerks-Bereich, können schlecht besetzt werden. Wie können Sie sich beides erklären?
Eine Erklärung hierfür könnte hier der Trend zu immer höheren Schulabschlüssen liefern, der bereits seit vielen Jahren besteht. Das hat wiederum zur Folge, dass immer mehr Schulabgänger sich für ein Studium entscheiden. Gerade in Bereichen wie der Gastronomie, dem Verkauf oder dem Handwerk gibt es aber im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen weniger Beschäftigungsmöglichkeiten für Studienabsolventen. Aus diesem Grund herrscht hier auch ein Mangel an Arbeitskräften vor.
Mitten in der Corona-Krise und nach einem deutschlandweiten Lockdown könnten die Unternehmen eigentlich davon ausgehen, dass viele Menschen ihre Jobs verloren haben und auf der Suche sind. Doch wie sieht es tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt in Regensburg aus?
Im Agenturbezirk Regensburg (Regensburg, Kelheim und Neumarkt) herrscht im Moment Vollbeschäftigung. Im Dezember 2021 waren 8.866 Personen arbeitslos gemeldet. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 2,5 Prozent und bei einer Arbeitslosenquote von unter drei Prozent sprechen wir von Vollbeschäftigung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es aktuell für die Unternehmen schwierig ist, ausreichend Arbeitskräfte zu finden.
Den 8.866 arbeitslos gemeldeten Personen standen im Dezember 7.123 gemeldete offene Arbeitsstellen gegenüber. Dies entspricht einem Verhältnis von 1,2 Arbeitslosen pro eine gemeldete Stelle, was sich zunächst nach ausreichend vielen Arbeitskräften anhört. Doch tatsächlich spricht man bei einem Verhältnis von weniger als 1,5 von einem Fachkräftemangel. Denn Unternehmen müssen Personal finden, das für den jeweiligen Beruf auch geeignet ist.
In welchen Branchen beobachten Sie derzeit den größten Mangel an Arbeitskräften?
Einen ganz erheblichen Fachkräftemangel verzeichnen wir in den Bereichen der Produktion und Fertigung, dem Gesundheitssektor inklusive Pflege, den Naturwissenschaften, dem Baugewerbe und auch im Handel und Vertrieb.
Gab es in den letzten zehn Jahren – auch bedingt durch die Digitalisierung – eine Verschiebung am Arbeitsmarkt?
Der Strukturwandel schreitet weiter voran und nimmt an Fahrt auf. Die Digitalisierung und Dekarbonisierung (Anm. d. Red.: Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen zur Reduzierung von Treibhausgasen) führen tatsächlich zu erheblichen Umbrüchen am Arbeitsmarkt. Man geht davon aus, dass sich die Anzahl der verloren gehenden und die neu entstehenden Jobs aber trotzdem durchaus die Waage halten. Allerdings erfordern die neu entstehenden Arbeitsplätze spezifische und teils höhere Qualifikationen. Vor allem Helfertätigkeiten fallen dabei zunehmend weg.
Viele fragen sich nun aber, wohin die Leute aus den genannten Branchen abgewandert sind?
Eine große Abwanderung aus bestimmten Berufen hin zu anderen Branchen können wir so nicht erkennen. Natürlich verändern sich Menschen beruflich, sei es aus wirtschaftlichen, privaten oder gesundheitlichen Gründen, aber meist verbleiben sie in den Branchen. Eine Ausnahme finden wir hier derzeit allerdings im Bereich Hotel und Gaststätten beziehungsweise Tourismus. Hier wechseln momentan etwa die Hälfte der arbeitslos gemeldeten Personen in andere Berufsbereiche. Die Handelsberufe sind hier der stärkste Aufnehmer.
Gibt es Branchen, die dafür mittlerweile überlaufen sind, beispielsweise die Medienbranche?
Um das zu untersuchen, setzen wir die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen ins Verhältnis zu den gemeldeten Stellen. Hier erkennt man, dass derzeit die Arbeitssuche für Personen aus dem Schutz- und Sicherheitsgewerbe besonders schwierig ist. Hier stehen 808 Arbeitslosen nur 101 gemeldete freie Stellen gegenüber. Im von Ihnen genannten Bereich der Werbung, Marketing und Medienberufe sind 90 Menschen arbeitslos gemeldet. Ihnen stehen 49 gemeldete Stellen in diesem Bereich gegenüber.
Es herrscht also ein enormer Fachkräftemangel vor. Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitslosen aber offensichtlich nicht so stark gestiegen, dass das den Mangel vollumfänglich erklären könnte. Ist es daher möglich, dass beispielsweise Aushilfen aus ihrem Beruf ausgeschieden, aber nicht in einen neuen Beruf eingetreten sind und sich darüber hinaus auch nicht arbeitslos gemeldet haben?
Es gibt einen großen Teil von Beschäftigten, die geringfügig beschäftigt sind und waren, meist im Nebenjob. Diese Personen haben im Falle des Verlusts der geringfügigen Beschäftigung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld aus dieser nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung. Daher melden sich auch die wenigsten von ihnen arbeitslos, zumal sie darüber hinaus sehr häufig noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung haben und dieser weiterhin nachgehen.
Welche Chancen bietet die aktuelle Situation vielleicht auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Das Thema Aus- und Weiterbildung steht schon seit Jahren im Fokus der Agentur für Arbeit. Besonders im Bereich der beruflichen Weiterbildung sind wir sehr aktiv. Hier gibt es eine Vielzahl an Fördermöglichkeiten. Wer sich für eine berufliche Veränderung beziehungsweise Weiterbildung interessiert, ist auf der Internetseite der Arbeitsagentur unter www.arbeitsagentur.de/m/newplan genau richtig. Ein Erkundungstool bringt Sie systematisch weiter und inspiriert zu neuen beruflichen Möglichkeiten.
Bundesagentur für Arbeit / RNRed