Das viel verwendete Schlagwort „Long-COVID“ ist derzeit auch bei der „milden“ Omikron-Variante in aller Munde. Aber was ist „Long-COVID“? Was wissen wir bislang darüber und welchen Schutz bietet eine Impfung?
Viele Menschen in Deutschland haben trotz der derzeit "milden" Omikron-Variante Angst vor Long-COVID. Doch welche Symptome treten bei Long-COVID auf, was sind Risikofaktoren und welchen Schutz bietet die Impfung davor.
Die Erkrankung an COVID-19 lässt sich bei der Unterteilung in normale und außerordentliche Krankheitszeiten in drei Phasen einteilen:
- die akute Phase: Beginn der Symptome plus 4 Wochen
- die subakute Phase: Fortbestehen von Symptomen über 4 bis 12 Wochen nach Beginn der Erkrankung
- Post-COVID-Syndrom: Symptome, die im Zusammenhang mit der Infektion oder in Folge aufgetreten sind, mehr als 8 Wochen durchgehend oder in wechselnder Intensität auftreten und die sich nicht anderweitig, also nicht als Folge der Infektion erklären lassen
- Muskelschwäche und Muskelschmerzen
- Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
- Schlafstörungen
- depressive Symptome und Ängstlichkeit
- Herzmuskelentzündungen
- eine Verschlechterung der Lungenfunktion mit Kurzatmigkeit und fehlender Kondition
- Diabetes Mellitus Typ II
- Thrombembolien, also Verstopfungen der Herzgefäße durch Blutgerinnsel
Häufigkeit und langfristige Schäden
Mehreren Studien zufolge leidet in etwa jeder Dritte nach positivem Test und durchgemachter akuter Erkrankung langfristig an einem der genannten Symptome. Bei den organischen Langzeitschäden ist mehreren Studien zufolge nur jeder fünfte Patient betroffen. Vor allem im akuten Stadium kommt die Schädigung oftmals als Folge thrombembolischer Ereignisse – also von Verklumpungen von Blutbestandteilen und infolgedessen zu einer Verstopfung bestimmter Hohlräume – zustande.
Im subakutem beziehungsweise im Post-CODIV-Stadium sorgen meist Entzündungsprozesse an bestimmten organischen Bestandteilen, Muskeln (insbesondere am viel gefürchteten Herzmuskel) oder sonstigen Geweben für langfristige Schäden. Derzeit werden als Entzündungsursache verbliebene Viren oder Virenbestandteile im Körper oder durch die akute Infektion ausgelöste Autoimmunreaktionen diskutiert. Eine Autoimmunreaktion bedeutet, dass eine körpereigene Abwehrzelle, die eigentlich nur den Auftrag hatte, einen feindlichen Virus abzuwehren, plötzlich beschließt, besonders fleißig zu sein und die körpereigenen Zellen auch noch anzugreifen.
„Chronic Fatigue Syndrom“
Die Symptome, die allgemein unter eingeschränkter Belastbarkeit sowohl von geistiger sowie körperlicher und auch psychischer Seite als sogenanntes „Chronic Fatigue Syndrom“ zusammengefasst werden, umschreiben in erster Linie allgemein einen Zustand einer Eingeschränktheit der eigenen Kapazitäten, für den es sonst keine wirkliche Ursache oder Erklärung gibt. Dieses „Chronic Fatigue Syndrom“ ist aber keine neue Krankheit. Es wurde bereits im Rahmen anderer Infektionen wie der Schweinegrippe oder dem Pfeiffer´schen Drüsenfieber beschrieben, sodass hier noch Zweifel bestehen, ob es dem Themen-Komplex langwieriger Folgen nach einer Erkrankung an COVID-19 zugerechnet werden kann oder nicht.
Risiko-Faktoren für Long-COVID
- weibliches Geschlecht
- schwerer Verlauf einer Infektion an COVID-19 – aber Vorsicht: auch beim milden Verlauf kommt es nicht selten zu Long-COVID!
- Alter – ein höheres Risiko weisen laut Studien Patienten mit weniger als 55 Lebensjahren auf
- eine schwache Immunantwort auf die akute Infektion erhöht das Risiko für Long-COVID
- chronische Lungenerkrankungen wie COPD und vor allem Asthma
Impfung bietet Schutz
Die Impfung scheint auch bei Long-COVID einen effizienten Schutz zu bieten. Wer als komplett geimpft gilt, hat ein um 47 Prozent geringeres Risiko, nach positivem Test an Long-COVID zu erkranken. Und auch im Falle einer bestehenden Long-COVID-Erkrankung scheint die Impfung eine Verbesserung zu bewirken. In einer groß angelegten Studie erbrachte die Impfung bei einem Drittel aller beteiligten Long-COVID-Patienten eine Besserung der Symptome. Womöglich werden durch das Ankurbeln der Abwehr im Körper verbliebene Viren oder Virenbestandteile noch einmal gründlich ausgelöscht. Sollte es sich beim Auslöser oder dem Treiber einer vorliegenden Entzündung um eine Autoimmunerkrankung handeln, kann aber auch die Impfung nicht mehr viel ausrichten.
Therapiestrategien noch uneinheitlich
Eine allgemeingültige Therapiestrategie gibt es derzeit noch nicht, außer die bereits etablierten, bei besonders schweren, durch COVID-19 ausgelösten Krankheitsbilder, insbesondere bei Lungenembolien oder Herzmuskelentzündungen angewendeten Strategien. Ansonsten erfolgt nach individueller Analyse in speziell dafür eingerichteten Ambulanzen eine umfassende, auf den jeweiligen Fall ausgerichtete kombinierte Therapiestrategie. Diese kann eine medikamentöse, eine psychotherapeutische oder eine physiotherapeutische Therapie umschließen. Körperliches und geistiges Training zur Steigerung der Leistungsfähigkeit hin zum Normallevel kommt in allen Fällen zur Anwendung, wobei in Abhängigkeit der zu Grunde liegenden Symptome variiert wird: Ist ein Patient nur leicht betroffen, darf oder muss das postinfektionelle Leistungsniveau überschritten werden. Ist ein Patient schwer betroffen, wird ein sogenanntes Pacing empfohlen, also eine milde Leistungssteigerung im Rahmen der aktuell möglichen eigenen Leistungsfähigkeit.
Bei langwierigen Beschwerden wenden Sie sich bitte an eine Long-COVID-Ambulanz oder an den Hausarzt Ihres Vertrauens, der Sie ohnehin sicher selbst oder an die passende Stelle begleitet. Denn für eine auf Long-COVID spezialisierte Beratung stehen Ihnen im Raum Regensburg mittlerweile zahlreiche Sprechstunden zur Verfügung.
Gastartikel Dr. Heinz Lehmann