Nachdem am Anfang der Woche ein norddeutsches Handelsschiff mehrere Flüchtende vor dem Ertrinken rettete, übergab der ukrainische Kapitän die Geflüchteten an ein Schiff der Regensburger Seenotrettung SEA-EYE.
Am Montagnachmittag, dem 28.03.2022, rettete die Crew des Handelsschiffes KARINA unter der Schiffsführung des ukrainischen Kapitäns Vasyl Maksymenko 32 flüchtende Menschen in internationalen Gewässern vor Libyen aus der Seenot. Die Geflüchteten wurden an das Schiff SEA-EYE 4 der Hilfsorganisation übergeben.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Das Handelsschiff der norddeutschen KLINGENBERG Bereederungs- & Befrachtungs GmbH & Co. KG aus Ellerbek war auf dem Weg von Malta nach Benghazi, als es von der Hilfsorganisation „Alarm Phone“ auf den Seenotfall aufmerksam gemacht wurde. „Das Boot drohte zu kentern. Die Menschen hätten das nicht überlebt. Der Wellengang erreichte inzwischen vier Meter“, erklärt Vasyl Maksymenko, Kapitän der KARINA. Das Rettungsschiff SEA-EYE 4 war zu diesem Zeitpunkt rund 50 Stunden von dem Notfall entfernt und konnte keine Soforthilfe leisten. Die SEA-EYE 4 und ihre Einsatzleitung waren jedoch zusammen mit zahlreichen staatlichen und anderen nichtstaatlichen Akteuren in der Korrespondenz zu dem Seenotfall eingebunden.
Nicht in ein Kriegsgebiet zurückbringen
Reeder Thies Klingenberg war sich der schwierigen Situation sofort bewusst. „Es ist nicht das erste Mal, dass wir Menschen aus dem Mittelmeer retten. Unsere Schiffe sind jedoch nicht für die Verpflegung und die medizinische Behandlung von Schiffbrüchigen geeignet“, erklärt Klingenberg. Am Montagnachmittag baten die Reederei und Kapitän Maksymenko daher die SEA-EYE 4 um Hilfe. „Der Flaggenstaat von KARINA, Antigua und Barbuda, hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet“, schrieb Kapitän Maksymenko an die SEA-EYE 4. Man müsse die Menschen an einen sicheren Ort bringen. „Für Flüchtende bedeutet das, dass sie nicht in ein Kriegsgebiet zurückgewiesen werden dürfen. Dies verbietet, flüchtende Menschen nach Libyen zurückzubringen!“, stellt Kapitän Maksymenko fest.
Rettung nach drei Tagen auf hoher See
Die KARINA und die SEA-EYE 4 vereinbarten einen Treffpunkt und begegneten sich am Dienstagmittag, rund 55 nautische Meilen von der libyschen Küste entfernt. Ein Ärzteteam und der Einsatzleiter der SEA-EYE 4 gingen an Bord der KARINA, um die Situation einzuschätzen. Die flüchtenden Menschen harrten nach eigenen Angaben mindestens drei Tage auf ihrem Holzboot aus. Deshalb werden derzeit einige der geretteten Menschen wegen Unterkühlung und Dehydrierung im Bordhospital behandelt. Die Kapitäne beider Schiffe bewerteten die Situation so, dass die SEA-EYE 4 das geeignetere und sicherere Schiff für die 32 Überlebenden ist. Daraufhin willigte die Sea-Eye-Einsatzleitung ein, die geretteten Menschen zu übernehmen. „Wir haben genügend Proviant, Unterkünfte und ein Bordhospital, sodass wir eine solche Anzahl von Menschen für eine kurze Zeit sicher an Bord nehmen können“, erklärt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.
Zielhafen Malta
Die SEA-EYE 4 wird in den nächsten Stunden Malta ansteuern. „Malta ist der nächstgelegene EU-Mitgliedsstaat. Wir werden dort um einen Ausschiffungshafen bitten“, so Isler. Allerdings hat Malta seine Häfen für die Ausschiffung von aus Seenot geretteten Menschen seit einigen Jahren geschlossen. Zuletzt durften Sea-Eye-Schiffe im Sommer 2019 gerettete Menschen auf Malta in Sicherheit bringen. Seither wurde die maltesische Politik gegenüber flüchtenden Menschen immer abweisender. „Wir werden nun sehen, ob Malta die Genfer Flüchtlingskonvention genauso wichtig ist wie dem ukrainischen Kapitän Maksymenko, der eine völkerrechtswidrige Zurückweisung in ein Kriegsgebiet verhinderte“, so Isler weiter.
SEA-EYE / RNRed