Nachdem dem Rettungsschiff SEA-EYE 4 erneut vier Tage lang ein sicherer Hafen verweigert wurde und die Menschen auf hochseeuntauglichen Booten ausharren mussten, machen die Seenotretter:innen auf die Ungleichbehandlungen von Flüchtlingen aufmerksam und fordern die Politik zum Handeln auf.
Das deutsche Rettungsschiff SEA-EYE 4 legte am Mittwochmittag, dem 06. April, in Augusta an und alle 106 geretteten Menschen durften an Land gehen. Erst nach vier Tagen wurde dem Rettungsboot ein sicherer Hafen zugewiesen. Die Seenotretter:innen von Sea-Eye in Regensburg kritisieren daher die Ungleichbehandlung von Geflüchteten. Sie fordern daher die Politik auf, allen schutzsuchenden Menschen – unabhängig von der Herkunft – gleichermaßen Schutz und Sicherheit zu bieten.
Malta lehnte Zuweisung mehrfach ab
Die SEA-EYE 4 war am Samstag, dem 02. April, vor Sizilien angekommen, nachdem Malta die Ausschiffung der Geretteten mehrfach abgelehnt hatte, und wartete seitdem auf die Zuweisung eines sicheren Hafens. Für die SEA-EYE 4 war es die erste Mission des Jahres. Diese wurde dabei durch sehr schlechte Wetterbedingungen erschwert.
Unterkühlt, seekrank und traumatisiert
Dr. Harald Kischlat, Vorstand von German Doctors e. V. sagt dazu: „Die Geflüchteten an Bord der SEA-EYE 4 haben viele Tage auf hochseeuntauglichen Booten ausgeharrt. Sie sind unterkühlt, seekrank, traumatisiert. Es ist unverantwortlich und menschenunwürdig, diesen Menschen den Zugang zu einem sicheren Hafen unnötig lang zu verweigern.“ German Doctors e. V. verantwortet die medizinische Versorgung der Geflüchteten auf der SEA-EYE 4 und unterstützt Sea-Eye substanziell beim Betrieb des Bordhospitals. Regelmäßig sind auch ein Einsatzarzt oder eine Einsatzärztin an Bord des Rettungsschiffs.
Vorwürfe von „systematischem Rassismus“ nicht bestärken
„Wir müssen jetzt schnell eine Änderung der Politik gegenüber allen schutzsuchenden Menschen sehen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V. „Denn sonst kommt die Politik in ernsthafte Erklärungsnot und der seit Jahren geäußerte Vorwurf – systemischer Rassismus verhindere die Rettung Flüchtender aus Afrika und Asien – wäre einmal mehr bewiesen.“
Sea-Eye kritisiert die Ungleichbehandlung von flüchtenden Menschen: Zivile Rettungsschiffe müssen noch immer tagelang auf Ausschiffungshäfen für Schutzsuchende aus Afrika oder Asien warten und müssen sogar wie im Fall der SEA-EYE 4 vor Malta mit Ablehnungen rechnen. Noch immer sind sich die EU-Mitgliedstaaten bei der Verteilung weniger tausender Menschen uneinig. Noch immer verweigern maltesische und italienische Rettungsleitstellen die Koordinierung für Seenotfälle, die sich in der libyschen Such- und Rettungszone ereignet haben und noch immer kooperieren europäische Behörden mit der sogenannten libyschen Küstenwache, um Menschen von der Flucht aus dem Bürgerkrieg in Libyen abzuhalten.
Hautfarbe sollte keinen Unterschied machen
„Alle Menschen haben das Recht, Schutz und Asyl innerhalb der EU zu suchen. Die Hautfarbe, das Geschlecht, die Herkunft, die Religion oder die politische Überzeugung dürfen für europäische Behörden und die Politik kein Grund sein, einen Unterschied zu machen. Die Menschenrechte sind da unmissverständlich“, unterstreicht Isler.
2022 bereits 467 Menschen verstorben
Im Jahr 2022 verloren bisher 467 Menschen ihr Leben, bei dem Versuch das Mittelmeer zu überqueren, um Schutz und Freiheit in Europa zu finden. Der von den EU-Mitgliedsstaaten unterstütze Weg, die Menschen von der sogenannten libyschen Küstenwache abfangen zu lassen und so die Zahl der Ankünfte in Europa zu verringern, gefährde Menschenleben, statt sie zu retten.
90 Menschen vergangene Woche ertrunken
So versagte die sogenannte libysche Küstenwache in der vergangenen Woche erneut und es ertranken bei einem schweren Schiffsunglück vor Libyen 90 Menschen. Nur vier Menschen überlebten und wurden illegal vom Handelsschiff ALEGRIA 1 zurück nach Libyen gebracht, ohne Chance auf ein faires Asylverfahren, stattdessen drohen ihnen Inhaftierung, Folter und der Tod.Ein ukrainischer Kapitän des Handelsschiffes KARINA entschied sich nur wenige Tage vorher mit Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention und die Situation in Libyen dazu, die SEA-EYE 4 um Unterstützung zu bitten, statt seinen Kurs nach Benghazi fortzusetzen.
Sea-Eye e. V. / RNRed