Bei einem schweren Motorradunfall wurde eine junge Frau aus dem Landkreis Ingolstadt aus ihrem bekannten Leben gerissen. Heute kann die 18-Jährige dank der Transplantation einer Spender-Kniescheibe und den Spender-Sehnen wieder laufen. Durchgeführt wurde der seltene Eingriff am Universitätsklinikums Regensburg in Regensburg.
Ein schwerer Motorradunfall hat das Leben von Lea auf einen Schlag verändert. Nur durch die Transplantation der Kniescheibe eines Verstorbenen kann die 18-Jährige heute wieder laufen. Spezialisten der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) um Professor Dr. Dr. Volker Alt setzten ihr in einem innerhalb Deutschlands sehr seltenen Eingriff Sehnen und Kniescheibe eines toten Spenders ein. Damit konnten sie das Bein der jungen Motorradfahrerin retten.
Die Strecke bergig, eine Rechtskurve, dann der Aufprall. Dunkel. Erst auf der Intensivstation eines Krankenhauses wird Lea klar, sie hatte einen schweren Motorradunfall. Die Ärzte bangen um ihr linkes Bein. Bei ihrem Sturz hatte sie sich beim Schlittern über den Asphalt die Kniescheibe mit den angrenzenden Sehnen und die darüber liegende Haut komplett weggeschliffen. „Ich hatte große Angst, dass ich mein Bein verlieren könnte. Mein Knie war ja komplett offen“, blickt die junge Frau aus dem Landkreis Ingolstadt zurück. Führt man sich dieses Szenario vor Augen, wirkt es beinahe wie ein Wunder, dass Lea heute Schritt für Schritt wieder in ihren Job als Bankangestellte zurückkehren kann. Selbständig und auf ihren eigenen Beinen.
Verlegung nach regensburg aufgrund Komplexität der Verletzung
Die Erstversorgung erfolgte in einem benachbarten Krankenhaus. Die dortigen Kollegen nahmen aufgrund der Schwere der Verletzung schon frühzeitig Kontakt mit der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des UKR auf. „Die Verletzungen von Lea waren so schwerwiegend, dass eine komplette Versteifung des Kniegelenks oder gar der Verlust des Beines zwei sehr realistische Szenarien waren. Eine schreckliche Vorstellung für eine so junge Frau. Die einzig mögliche Alternative zum Funktionserhalt des Kniegelenks stellte eine Gewebe-Transplantation dar. Denn dadurch, dass auch alle wichtigen angrenzenden Sehnen zerstört waren, hätte die Patientin auch nicht von einer Knieprothese profitiert“, erklärt Klinikdirektor Professor Dr. Dr. Volker Alt. Als klar wurde, dass ihre Verletzung derart komplex war, dass Lea am behandelnden Klinikum nicht weitergeholfen werden kann, folgte die Verlegung nach Regensburg.
Gewebespenden unterliegen denselben Bestimmungen wie Organe
„Nachdem wir uns Leas Knie dann genau ansehen konnten, ging es zunächst darum, die schwere Infektion des Kniegelenks zu beherrschen. Als wir dies geschafft haben, haben wir uns um ein Kniescheiben-Transplantat mit angrenzender Patellar- und Quadricepssehne bemüht, um die Funktion des Kniegelenks zu erhalten. Diese Gewebe-Transplantate sind in Deutschland allerdings kaum erhältlich“, so der Unfallchirurg weiter. Denn hierzulande müssen Verwandte oder enge Vertraute eines Verstorbenen einer Organentnahme – und darunter fallen auch Gewebespenden – zustimmen. In den allermeisten Fällen geht es hierbei um lebenswichtige Organe, wie Herz, Leber, Lunge oder Niere. Gewebespenden, z.B. von größeren Knochen, werden in diesem Zusammenhang zumeist nicht thematisiert.
Spendegewebe in Österreich ausfindig gemacht
„Dementsprechend steht solches Gewebe in Deutschland schlichtweg nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund mussten wir im umgebenden Ausland Ausschau halten und wurden zum Glück in Österreich fündig“, führt Professor Alt die Hürden bei der Suche nach einem Gewebe-Transplantat aus. In europäischen Nachbarländern, wie z.B. in Österreich, gilt die sog. Widerspruchsregelung. Demnach ist jeder Mensch nach seinem Tod ein potenzieller Organspender und somit auch Gewebespender, sofern er dem nicht zu Lebzeiten widersprochen hat.
Somit wurde das Kniescheiben-Transplantat dann in Österreich bei einer Gewebebank bestellt und nach Regensburg transportiert. Der zweieinhalbstünde Eingriff zum Einsetzen der Kniescheibe mit den beiden Sehnen verlief planmäßig. Die Kniescheibe konnte korrekt platziert werden und die Sehnen über einen anhaftenden Knochenblock auf der einen Seite und über eine Sehnennaht auf der anderen Seite stabil verankert werden. Bei der Bewegung des Kniegelenks während der Operation zeigte sich eine gute Zentrierung der neuen Kniescheibe.
„Die Ärzte, nicht nur hier in Regensburg, waren super zu mir. Sie haben mir genau erklärt was bei der Operation passieren wird und konnten mir so helfen, mit meinen Ängsten umzugehen“, erinnert sich Lea.
Heilung verläuft nach Plan
Nach mehr als drei Monaten nach der Operation konstatiert Professor Alt: „Wir sind mit dem Ergebnis bislang mehr als zufrieden. Das Kniegelenk hat sich nicht erneut entzündet und Lea kann heute wieder ohne Krücken gehen. Auch die Beugung des Knies funktioniert schon sehr gut.“ Anfangs durfte Lea ihr Bein selbstverständlich nicht belasten. „Wichtig ist, dass nach einem solch schweren Eingriff, die Belastung sukzessive gesteigert wird, um die Heilung nicht zu gefährden“, erklärt Professor Alt die Besonderheit des Eingriffs.
Nach einer nicht immer einfachen und auch schmerzhaften, mehrwöchigen Reha, freut sich Lea nun, dass sie langsam wieder in ihren normalen Tagesrhythmus übergehen kann. „Ich bin weitestgehend schmerzfrei, außer ich beanspruche das Bein stärker, dann zwickt und zieht es schon noch. Jetzt freue ich mich auf jeden Fall, dass ich wieder arbeiten darf und mein Leben sich wieder normalisiert“, strahlt Lea. Einen weiteren großen Traum hat sie obendrein, Lea möchte auf jeden Fall wieder Motorradfahren.
Universitätsklinikum Regensburg / RNRed