Bekommt man im Winter wirklich oft aufgrund der Kälte Rückenschmerzen? Hilft Wärme tatsächlich? Neurochirurg Dr. Munther Sabarini räumt in einem kleinen Rückenlexikon mit den häufigsten Mythen und Irrtümern auf und erklärt, wie man Rückenschmerzen am besten vorbeugen kann und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Im Winter ist die Kälte schuld, wenn man Rückenschmerzen bekommt. „Stimmt nicht“, sagt Dr. Munther Sabarini, Neurochirurg und Gründer der Avicenna Klinik in Berlin, und erläutert: „Rund um den Rücken und seine Gesundheit halten sich nach wie vor viele Irrtümer, die überhaupt nicht stimmen. Wer diesen altabergläubischen Annahmen folgt, kann bei Beschwerden schnell Fehler machen oder Schmerzen sogar erst herbeiführen.“ Deswegen räumt der Facharzt in einem kleinen Rückenlexikon mit den Irrtümern auf.
Kälte führt zu Rückenschmerzen
Wie von Dr. Sabarini bereits angeführt, ist das nicht richtig. Nicht die Kälte führt zu Rückenproblemen, sondern mangelnde Bewegung. Denn in der kalten Jahreszeit reduzieren viele ihre Aktivitäten und werden ganz im Gegenteil sogar extrem gemütlich. „Schon nach einer Woche beginnen sich unsere Muskeln und Bänder zu verändern. Weniger Bewegung heißt weniger Elastizität und Kraft. Das wiederum führt zu Verspannungen, wenn dann der Körper doch einmal in Bewegung kommt oder gar etwas mehr gefordert wird“, so der Facharzt aus Berlin. Wer seinen Körper also auch im Winter gleichmäßig in Bewegung hält oder sich gar sportlich betätigt, wird wesentlich seltener über Beschwerden klagen. Eine Ausnahme in Bezug auf Kälte gibt es jedoch: Aufgrund von Kälte kann es passieren, dass man zusammenzuckt. Diese ruckartige Bewegung kann eine längere Verspannung der Muskeln nach sich ziehen. „Dieser Reflex wird jedoch zum Beispiel auch hervorgerufen, wenn wir bei glattem Untergrund ausrutschen“, verdeutlicht Dr. Sabarini und ergänzt: „Halten die Schmerzen in solchen Fällen länger an, rate ich zu einem Besuch beim Arzt oder Physiotherapeuten, denn hier kann in einzelnen Fällen auch ein Gelenk verschoben oder ein Nerv eingeklemmt sein.“
Wärme hilft gegen Rückenschmerzen
Wer jetzt automatisch denkt, Wärme helfe also immer gegen Rückenschmerzen, liegt leider ebenso falsch. „Es kommt auf den Grund der Schmerzen an. Liegt eine Verspannung der Muskulatur vor oder sind es chronische Schmerzen, stimmt der Tipp mit der Wärme. Sie fördert die Durchblutung und damit die Entspannung. Liegt jedoch ein Trauma vor, wie eine Prellung, ist ein Nerv eingeklemmt oder liegt eine akute Entzündung vor, dann ist Kälte die bessere Wahl.“ Kälte verlangsamt in diesen Fällen die Weiterleitung der Schmerzreize an das Gehirn und verschafft so Erleichterung. Einsatzbereiche sind hier Bandscheibenvorfälle, der böse Hexenschuss oder Ischias-Schmerzen. Doch es gilt zu bedenken: Diese Maßnahme beseitigt nicht die Ursache, sondern wirkt lediglich auf die Symptome und ersetzt eine professionelle Behandlung durch einen Arzt in keinem Fall.
Bettruhe und gerade Haltung helfen bei Rückenschmerzen
Auch das sind veraltete Mythen, die zudem nicht stimmen. Es stimmt, vor Jahrzehnten hieß es bei Rückenschmerzen – ab ins Bett und schonen. Doch selbst für Osteoporosepatienten gilt dieser antiquierte Rat nicht mehr. „Bewegung ist, sofern in irgendeiner Form möglich, immer notwendig. Denn wie bereits erwähnt: Jedwede Stilllegung unseres Körpers lässt ihn schneller und massiver abbauen“, wiederholt Dr. Sabarini. Ebenso falsch ist in diesem Sinne auch der Gedanke: Wer sich immer gerade hält, bekommt keine Rückenprobleme. Ganz im Gegenteil: Wer sich immer starr hält, wirkt zwar gestärkt, doch überlasten die Muskeln mit der Zeit und werden ebenso unflexibel. Verspannungen und Ermüdung sind die Folge und es kommt auch schneller zu Verschleißerscheinungen.
Hast du Rücken, bist du alt
„Dieser Irrtum ist nicht nur anmaßend, sondern in so großem Maße falsch, dass ich nur mit dem Kopf schütteln kann“, erklärt Dr. Sabarini. Tatsache ist: So komplex, wie der Aufbau der Wirbelsäule ist, so vielseitig können auch die Gründe sein, warum es zu Beschwerden kommt. Seien es genetische Ursachen, Traumata, Fehlhaltungen oder Überbeanspruchung, Krankheiten oder gar Tumore – die Liste ist lang. Dabei können Kinder genauso betroffen sein wie sportliche Menschen oder solche, die noch weit vom Seniorenalter entfernt sind. „Auch müssen Schmerzen, die im Rücken zu spüren sind, nicht automatisch auch direkt im Rücken entstehen“, merkt der Neurochirurg an.
Es ist folglich egal, wie alt man ist, es ist immer ratsam, die Ursache von einem Arzt abklären zu lassen. Oft lassen sich Beschwerden bereits durch Sport, Physiotherapie oder kleine Eingriffe reduzieren oder beheben. „Sind Ursachen zum Beispiel Bandscheibenvorfälle oder -verwölbungen, Gleitwirbel, Tumore, zu enge Wirbelkanäle oder Zysten, arbeite ich mit Behandlungsmethoden wie der Perkutanen Nukleotomie, der Thermodenervation, einer Kyphoplastie oder der Dekompressionsoperation. Diese Eingriffe sind mittlerweile in der Regel minimalinvasiv, sorgen mindestens für eine Schmerzreduktion und bei den Patienten wieder für wesentlich mehr Lebensqualität.“
Borgmeier Public Relations / RNRed