Auch in Regensburg gibt es sie schon, die Mehrversorgungszentren oder MVZs. Welche Grundlagen diese habe, welche Vorteile sie Patienten und Ärzten bieten und wie es mit der ärztlichen Versorgung vor Ort weitergeht.
Nachdem die Mehrversorgungszentren oder sogenannten MVZs in den letzten Monaten nicht nur hier in der Stadt buchstäblich aus dem Boden sprießen, wird es einmal Zeit für eine Begriffserläuterung: Auf Grundlage des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) von 2004 können dürfen MVZs gegründet werden, um fortan an der vertragsärztlichen Patientenversorgung teilzunehmen.
Rechtliche Definition des Begriffs „MVZ“
Auch wenn es zuerst müßig erscheint, lohnt es sich einen Blick auf die rechtliche Definition eines MVZ zu werfen. Dabei handelt es sich um „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte […] als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Ein MVZ kann nur von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern oder von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGB V oder von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, sowie Kommunen gegründet werden.“ Derzeit sind als Träger vorwiegend Vertragsärzte und Krankenhäuser beteiligt. MVZ gibt sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gefilden, wobei sich die überwiegende Mehrheit derzeit in Kernstädten und Ober- und Mittelzentren finden lässt.
Wer eröffnet MVZs und warum?
Bei den ärztlich geleiteten MVZs sind die am häufigsten getretenen Fachgruppen Hausärzte, Chirurgen, Orthopäden und fachärztliche Internisten. Die meisten Krankenhaus-MVZs, die sich zumeist auf eine Fachrichtung wie Kardiologie, Orthopädie oder Urologie (usw.) als Ergänzung zur stationären Abteilung gründen, gibt es in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Ziel der MVZ-Einführung war es, die Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener fachlicher Bereiche in solchen Zentren zu fördern, um so die integrierte Versorgung zu stärken. Sprich: Gerade in ländlichen Gegenden, wo eine chronische medizinische Unterversorgung vorherrscht, sollte durch das Fördern solcher Zentren eine Niederlassung erleichtert und die „Herumgurkerei“ von Hinz zu Kunz vermindert werden, da mehrere ärztliche Fachrichtungen unter einem Dach niedergelassen und gemeinsam tätig sein können. Klingt fürs erste recht unkompliziert, war es jedoch anfangs nicht, vor allem aufgrund erheblicher behördlicher Auflagen und Vorgaben bezüglich verpflichtend beteiligter Fachrichtungen.
MVZ: Auch für Krankenhäuser lukrativ
Mittlerweile haben sich die Hürden reduziert und es existieren über 4000 solcher Zentren in ganz Deutschland. Aktuell drängen vor allem die Krankenhäuser auf diesen Markt. Denn viele Leistungen, die im Krankenhaus nicht mehr erbracht werden dürfen, lassen sich auf diese Weise „ambulant“ abrechnen und bleiben somit auch für die großen Häuser lukrativ. Ein Trend, der sich ebenfalls zeigt, ist, dass zunehmend Investoren aus der Wirtschaft nach Jahren der Übernahme zahlreicher Krankenhäuser die Führung in etablierten MVZs suchen, um diese effizienter auf Gewinn zu trimmen und so auch im ambulanten Sektor abzusahnen. Hier gilt es zu erwähnen, dass die meisten MVZs immer noch privat, also ohne Investor geführt werden, eine Übernahme aber nicht unbedingt mit einem Defizit an Qualität einhergehen muss.
Was sind die Vorteile eines MVZ?
Für den Patienten:
Eine effizientere, zumeist breit gefächerte Versorgung vor Ort: Wie bereits beschrieben, können sich Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenschließen und gemeinsam die Versorgung ihrer Patienten stemmen. Das heißt, dass eine Familie mit ihren Kindern beim im MVZ tätigen Kinderarzt, die Eltern beim im MVZ-Allgemeinarzt, die Oma beim im MVZ tätigen Diabetologen und der Opa beim im MVZ tätigen Urologen vorstellig werden kann und die Abläufe dann bekannt, weil meist gleich sind. Dies kann ein Vorteil sein, muss aber nicht: Zuviel Köche können den Brei verderben und wie so oft bekommt man bei verschiedenen Ärzten unterschiedliche Empfehlungen oder ist am Ende als Laie nicht so viel schlauer als zu Beginn. Eine hohe Spezialisierung zum Beispiel mehrerer fachgleicher, aber auch fachfremder Fachärzte unter einem Dach fördert leider auch gerne Nischendenken und nicht den Blick über den Tellerrand („Ich bin hier der Spezialist für Nasen, für Ohren müssen Sie zu meinem Kollegen!“). Hier lohnt es sich trotzdem, einen festen Ansprechpartner als Anker zu behalten, um nicht ständig „rumgereicht“ zu werden. Seriöse Praxen werden ihnen diese Bitte sicher nicht abschlagen.
Für den Arzt:
Eine Vereinfachung der Niederlassung für den fertigen Arzt: Bei Entscheidung für eine Anstellung in einem MVZ, muss der Anwärter auf eine Niederlassung nicht erst alles aufbauen, sondern kann die vorhandene Infrastruktur zu seinem Vorteil nutzen, wenn dies gewünscht und möglich ist. Außerdem besteht die Möglichkeit der Arbeit in Teilzeit, die Sicherheit geregelter Arbeitszeiten, die Möglichkeit zum kollegialen Austausch und das Vorhandensein der Nutzungsmöglichkeiten des gesamten diagnostischen Spektrums zur Versorgung der eigenen Patienten ohne die Risiken und Pflichten der Selbstständigkeit. Sprich die „Work-Life-Balance“ ist in Anstellung oft einfacher zu halten.
In eigener Sache:
Nachdem mein Vater und Lieblingskollege, Dr. med. Reinhold Lehmann nun zum 31.12.2022 seine ärztliche Zulassung niedergelegt und sich ab 01.01.2023 in der wohlverdienten Rente befindet, habe ich mich selbst zu dem Schritt entschieden, ein MVZ zu gründen. Mit einem erweiterten Ärzte- und Praxisteam stehe ich Ihnen von nun an im MVZ Lappersdorf mit neun weiteren Kollegen zu Diensten. Leider findet sich aufgrund der Fülle an organisatorischen Aufgaben und der genannten Work-Life-Balance für mich zunehmend weniger Zeit, meine monatliche schreiberische Tätigkeit in diesem Forum fortzuführen und ich lege den Bleistift nieder, bevor das Ganze zu einer lästigen Pflicht wird. Ich danke Ihnen für Ihr kontinuierliches Interesse und der filter-Belegschaft für die redaktionelle Freiheit und Geduld in den letzten Jahren!
Grüßen Sie den Hausarzt Ihres Vertrauens von mir und bleiben Sie gesund,
Dr. med. Heinz Lehmann
(MVZ Lappersdorf, Dr. Lehmann & Koll. GmbH)
Das gesamte filterTEAM bedankt sich bei Dr. Lehmann für die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit, spannende Inhalte und wünscht für das neue MVZ Lappersdorf alles Gute! Der filterVERLAG freut sich außerdem, dass Dr. Heinz Lehmann sein Herzensprojekt Tonträger weiterführt und auch in Zukunft Regensburger Bands und Musiker in unserem Magazin vorstellt.
Dr. Heinz Lehmann / RNRed