Nach der fröhlichen Schlemmerei während der Weihnachtstage wollen viele im Januar die überschüssigen Pfunde wieder loswerden. Warum dafür jedoch keine Diät à la Low Carb oder High Protein nötig ist, erklärt Dr. Mareike Awe im Interview. Wie wir stattdessen mit intuitivem Essen ganz einfach unser Wohlfühlgewicht erlangen.
Nach der genussvollen Weihnachtszeit dreht sich im Januar für viele alles darum, die Weihnachtspfunde so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Dabei geht es oft um sogenannte „Quick Fixes“, also schnell erreichbare Ziele, die jedoch einige Wochen später schon wieder vergessen scheinen. Um hingegen langfristig ein gesundes Körpergewicht zu erreichen und sich fit und wohl im eigenen Körper zu fühlen, soll das aus den USA bekannte Konzept des intuitiven Essens helfen. Ziel dieser Ernährungsform ist es, wieder auf das natürliche Hunger- und Sättigungsgefühl zu hören. Viele Menschen haben genau das durch das heute vorherrschende Überangebot an Nahrungsmitteln verlernt.
Ohne Low Carb, High Protein oder Keto-Diät zum Wohlfühlgewicht? Das verspricht intuitives Essen und richtet sich damit bewusst gegen Diätwahn und herkömmliche Abnehm-Programme. Da bei dieser Ernährungsweise auch keine Lebensmittel verboten sind, kann zum Beispiel auch der JoJo-Effekt vermieden werden.
Warum intuitives Essen langfristige Erfolge verspricht, obwohl man auf „nichts“ verzichten muss und warum die Gewichtsabnahme nur ein schöner Nebeneffekt ist, erklärt uns eine der bekanntesten Expertinnen auf dem Gebiet, Dr. Mareike Awe. Die Ärztin, Ernährungsmedizinerin und Gründerin von intumind spricht außerdem darüber, wie die Ernährungsform ihr eigenes Leben verändert hat.
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1. Mareike, wann hast du selbst intuitives Essen für dich entdeckt?
Nachdem ich unzählige Diäten ausprobiert habe und gemerkt habe, dass diese langfristig nicht funktionieren. Ich habe Medizin studiert und dementsprechend ein großes Interesse, den menschlichen Körper zu verstehen. Diäten entfernen uns von der Weisheit unseres Körpers, intuitives Essen hingegen stärkt das Bewusstsein für unser natürliches Hunger- und Sättigungsgefühl: Wir erreichen ohne Druck unser Wohlfühlgewicht.
2. Was hat intuitives Essen in deinem Leben konkret verändert?
Alles! Intuitives Essen hat mir ermöglicht, mich und meinen Körper besser kennen und lieben zu lernen. Intuitives Essen und Selbstliebe sind eng miteinander verknüpft und somit verändert eine intuitive Ernährung nicht nur das Essverhalten, sondern alle Lebensbereiche.
3. Was unterscheidet die Resultate von intuitivem Essen von denen herkömmlicher Diäten?
Herkömmliche Diäten bringen kurzfristige, schnelle Resultate, schädigen jedoch langfristig den Stoffwechsel und führen zum JoJo-Effekt. Schlussendlich führen sie zu einer Gewichtszunahme und ständig ums Essen kreisenden Gedanken. Intuitives Essen hingegen ermöglicht das langfristige Erreichen und Halten des persönlichen Idealgewichts, da auf die eigenen Körpersignale geachtet wird. Unser Körper möchte, dass wir gesund sind.
4. Geht es bei intuitivem Essen rein um die körperlichen Erfolge?
Nein. Körperliche Erfolge sind die natürliche Folge von innerlichen Veränderungen. Wenn wir uns selbst dank intuitiver Ernährung liebevoll behandeln, wählen wir mit Leichtigkeit Lebensmittel, die uns wirklich gut tun und unsere körperliche Gesundheit unterstützen.
5. Was denkst du, was die Menschen daran hindert, mit intuitivem Essen anzufangen?
Diäten versprechen schnellen Erfolg und viele Menschen bevorzugen den sogenannten „Quick Fix“. Sie verurteilen den eigenen Körper so sehr, dass Verzicht besser klingt, als mit dem eigenen Körper zusammenzuarbeiten. Dies ist jedoch langfristig ein Trugschluss.
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6. Was empfiehlst du Menschen, die endlich dem Diät-Wahn entgehen und sich wieder mehr ihrem Körpergefühl widmen wollen?
Werde dir bewusst, was passiert, wenn du so weitermachst wie bisher und wie viel Schmerz du dir und deinem Körper langfristig durch Diäten zufügst. Nimm wahr, dass die Lösung nur eine Zusammenarbeit mit deinem Körper sein kann. Wenn du tiefer in dieses Thema einsteigen möchtest, empfehle ich dir von Herzen mein intueat-Programm.
7. Was kann man machen, wenn man trotz aller guten Vorsätze und dem Versuch, sich mit seinem Körper zu verbinden, scheitert und wieder einmal „überisst“?
Dies ist Teil des Prozesses. Bei intuitivem Essen geht es nicht darum, „perfekt“ intuitiv zu essen, sondern die Verbindung zu sich selbst zu stärken und so zu wachsen. Anstatt sich zu verurteilen, kann man sich fragen, warum es zu dem Essanfall gekommen ist. Häufig verbergen sich dahinter Gefühle wie Einsamkeit oder Stress, die mit Essen kompensiert werden.
8. Du sprichst oft von den gesundheitlichen Vorteilen durch intuitive Ernährung und betonst, dass durch die Umstellung Menschen, die über ihrem Wohlfühlgewicht liegen, abnehmen und diejenigen, die etwa untergewichtig sind, zunehmen. Welches große Vision verfolgst du mit intuitiver Ernährung?
Wir wollen so viele Menschen erreichen wie möglich – denn wir denken, die Hälfte aller Krankenhausbetten könnte leer sein, wenn sie wieder mehr auf ihren Körper hören und sich dadurch intuitiv gesund ernähren. Unsere Vision ist, dass unsere App in wenigen Jahren auf jedem Handy im deutschsprachigen Raum installiert ist und genutzt wird.
9. Was bringt dich auch als Ärztin zu der festen Überzeugung, dass intuitives Essen einen so großen Einfluss auf Krankheitsrisiken hat, dass es die Krankenhausbetten leer bekommen kann? Welche medizinischen Studien gibt es, die den Erfolg sowie gesundheitliche Vorteile belegen?
Studien zeigen, dass 95 Prozent aller Diäthaltenden nach ein paar Jahren ihr ursprüngliches Gewicht wieder erreicht haben und 83 Prozent wiegen nach Beendigung einer Diät sogar mehr als vor der Diät – das ist der bekannte JoJo-Effekt. Glücklicherweise gibt es dementsprechend immer mehr Studien, die die Wirksamkeit von intuitivem Essen darlegen. In einer Studie wurde beispielsweise einer Gruppe von Teilnehmer:innen intuitives Essen beigebracht, während die Kontrollgruppe eine Diät hielt. Das Ergebnis dieser Studie war, dass die Gruppe der intuitiven Esser:innen im Vergleich zur Kontrollgruppe innerhalb von fünf Monaten nicht nur einen deutlich größeren Gewichtsverlust, sondern auch eine erhöhte Insulinsensitivität und weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren – also Herzkreislaufrisiken – aufwies.
Studien zeigen zudem einheitlich, dass intuitive Esser:innen im Allgemeinen ein deutlich niedrigeres Körpergewicht haben, als eine Vergleichsgruppe, die nicht auf ihre Körpersignale hört. Unser Körper ist darauf ausgelegt, uns ganz genau zu signalisieren, was wir brauchen, um gesund zu sein. Wir haben lediglich verlernt, darauf zu achten. Intuitives Essen ist für mich einer der Schlüssel zur Gesundheit, da der Mensch ganzheitlich betrachtet wird – also mental, emotional und physisch.
Marina Triebswetter | filterVERLAG