Braucht es überhaupt noch einen Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft? Die traurige Antwort lautet: „Ja. Leider“. Mit welchen Vorurteilen Frauen in Technikberufen nach wie vor zu kämpfen haben, was sich bereits zum Positiven verändert hat und warum Frauen in der Technik so dringend gebraucht werden.
Ob es im Jahr 2023 noch einen Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft braucht beantworten Birgit Rösel, Andrea Reindl und Lea Huber mit: „Ja. Leider“. Birgit Rösel hat bereits Hochschul-Karriere gemacht, die Professorin für Regelungstechnik ist Vizepräsidentin der OTH Regensburg. Und sie ist Mentorin der Nachwuchswissenschaftlerinnen Andrea Reindl und Lea Huber, die derzeit für ihren Doktortitel forschen und arbeiten. Ihre Themen: Dezentralisierte Batteriemanagementsysteme und thermochemische Wasserstoffspeicherung. Bestens geeignet also dafür, „stereotype Rollenmuster“ aufzubrechen, wie es Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger fordert.
„Was? Du hältst hier einen Vortrag?“
„Du hast dein Stipendium doch nur bekommen, weil du eine Frau bist.“ Oder spöttisches Gelächter auf einem Kongress garniert mit der Frage: „Was? Du hältst hier einen Vortrag?“ Solche Kommentare – von Männern – müssen sich Lea Huber und Andrea Reindl gefallen lassen. Beide haben an der Fakultät Elektro- und Informationstechnik der OTH Regensburg zunächst erfolgreich den Bachelorstudiengang Regenerative Energietechnik und Energieeffizienz abgeschlossen, im Anschluss ebenso erfolgreich den Masterstudiengang Applied Research in Engineering Sciences. Beide sind nun im Rahmen einer kooperativen Promotion auf dem besten Weg zum Doktortitel. Und beide wollen im Prinzip gar nicht darüber reden, das als Frauen in einer vermeintlichen Männerdomäne geschafft zu haben.
Wissenschaftlerinnen wollen nach Leistung beurteilt werden, nicht nach Geschlecht
„Mir wäre es lieber, wenn die Kompetenz in den Vordergrund gerückt würde. Wir sollten uns nicht auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen konzentrieren, sondern die Chancen nutzen, voneinander zu lernen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln“, sagt Andrea Reindl. Lea Huber sieht das ähnlich: „Es sollte egal sein, wer man ist und wie man aussieht.“
Die Vizepräsidentin der OTH Regensburg kann das gut nachvollziehen. Birgit Rösel war einst die einzige Professorin an der Fakultät Elektro- und Informationstechnik, war einst die erste Preisträgerin des Lehrförderpreises des bayerischen Wissenschaftsministeriums, hat obendrein den Preis für herausragende Lehre des Ministeriums erhalten, war ferner – unter anderem – an der OTH Regensburg Senatsvorsitzende und Vorsitzende der Prüfungskommission für Regenerative Energietechnik und Energieeffizienz. „Als Ingenieurin ist man häufig in der Position, die Einzige zu sein“, sagt Rösel. Dabei möchte auch sie lieber daran gemessen werden, „wie unsere Studierenden etwa von innovativen Lehrkonzepten profitieren, unabhängig davon, dass sie von einer Frau entwickelt wurden.“
„Wir Frauen werden in der Technik gebraucht!“
Den von der UNESCO ausgerufenen Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft nehmen Rösel, Reindl und Huber daher zum Anlass, Mut zu machen. „Nicht danach richten, was andere machen. Das tun, was man liebt, was man gerne macht“, rät Lea Huber jungen Frauen, die mit einem technischen Studiengang oder Beruf liebäugeln. „Nicht unterkriegen lassen und schon früh und viel experimentieren“, sagt auch Andrea Reindl. Die technische Welt sei spannend und vielfältig. „Wir Frauen werden in der Technik gebraucht! Es gibt so wahnsinnig viel zu tun: Klimakrise, Ausbau erneuerbarer Energien, bestehende Systeme effizienter machen, Mobilität und Stromversorgung global verfügbar machen, Ressourcen sinnvoll einsetzen“, zählt Reindl auf.
Sätze wie „das ist nichts für Mädchen“ gab es nicht
Wege zur Technik sind vielfältig. Bei der jungen Lea Huber standen Barbie-Puppe und Technik-Experimentierkasten quasi gleichberechtigt auf dem Weihnachts-Wunschzettel. Andrea Reindl hat mehrfach den Girls‘ Day an der OTH Regensburg besucht und war fasziniert vom Reinraumlabor und der Möglichkeit, mit Halbleiter-Bauteilen zu arbeiten. Beide wuchsen in einem familiären Umfeld auf, in dem niemals Sätze fielen wie „das ist nichts für Mädchen“. Und beide hatten weibliche Vorbilder: Die mathematisch begabte Mutter, die Taufpatin, die Elektrotechnikerin ist – und nicht zuletzt die Ingenieurin, die heute Vizepräsidentin der OTH Regensburg ist. Und es gibt auch Männer wie Prof. Dipl.-Ing. Anton Haumer, der angesichts einer reinen Frauengruppe in seinem Praktikum Grundlagen Elektrotechnik sagte: „Veränderung ist Fortschritt“.
„Wir können es uns nicht leisten, auf diesen Schatz an Talenten und Fähigkeiten zu verzichten“
Ohnehin liegt es Andrea Reindl und Lea Huber fern, Mann-Frau-Vorurteile zu manifestieren. „Ich bekomme auch wahnsinnig viel positive Rückmeldung nach dem Motto ‚wir brauchen mehr Frauen‘“, sagt Reindl. „Es geht nicht darum, ob wir besser sind. Wir bringen einfach einen anderen Blickwinkel auf die Technik mit.“ Lea Huber stimmt dem zu: „Es gibt auch viele Männer, die kaum Unterschiede zwischen Frau und Mann machen.“ Und Vizepräsidentin Birgit Rösel macht deutlich, dass sich die OTH Regensburg die Förderung von Frauen in der Wissenschaft gezielt zur Aufgabe gemacht habe. Um es mit den Worten von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu sagen: „Wir können es uns nicht leisten, auf diesen Schatz an Talenten und Fähigkeiten zu verzichten.“
Ein Blick in die Statistik
Im Wintersemester 2022/2023 studierten an der OTH Regensburg insgesamt 4.330 Frauen, das entspricht einem Anteil von 40,9 Prozent. In den technischen Studiengängen lag der Frauenanteil in den Bachelorstudiengängen bei 23,7 Prozent, in den Masterstudiengängen bei 27,3 Prozent. Zum Stichtag 30. Juni 2022 lehrten an der OTH Regensburg 190 Professoren und 49 Professorinnen. Das entspricht einem Frauenanteil von 20,5 Prozent in der Professorenschaft. Zehn Jahre zuvor waren es 177 Männer und 23 Frauen (Frauenanteil 11,5 Prozent). Es geht also aufwärts. Doch Prof. Dr. Ralph Schneider, Präsident der OTH Regensburg, sagt klar: „Das sind immer noch deutlich zu wenig Professorinnen. Und der Anteil der weiblichen Studierenden in technischen Studiengängen muss auch größer werden, ebenso der Frauenanteil unter den Promovierenden.“ Die Frauenförderung sei daher ein wichtiges Thema im neuen Hochschulentwicklungsplan, den die OTH Regensburg derzeit erarbeitet.
OTH Regensburg / RNRed