Die Dating-App Tinder zählte jahrelang zu den beliebtesten Online-Dating-Plattformen. Mittlerweile wird diese jedoch von immer mehr jungen Menschen abgelehnt. Wie es dazu kam, dass Tinder sein Publikum verloren hat und welche Alternativen die Generation Z aktuell lieber nutzen.
Die Tinder-App wurde im September 2012 eingeführt. Auf einmal veränderte sie wirklich die Herangehensweise an Online-Dating für Millionen von Menschen und wurde extrem beliebt. Schon 2014 erreichte die Zahl der Profilbewertungen pro Tag 450 Millionen. Der Zuwachs an neuen Nutzern betrug etwa 15 Prozent pro Woche. Riesige Zahlen, oder?
Als Tinder 2015 begann, kostenpflichtige Funktionen einzuführen und nach verschiedenen Möglichkeiten der Monetarisierung zu suchen, nahm das Publikum dies zwar negativ auf, doch im Allgemeinen hatte dies praktisch keinen Einfluss auf die Beliebtheit der Anwendung. Tinder konnte sein Publikum weiter vergrößern. Im Jahr 2016 gehörte die Anwendung in mehr als dreißig Ländern zu den Top-Downloads im AppStore.
Lange Zeit sah es so aus, als würde Tinder über Jahre hinweg eine führende Rolle in der Internet-Dating-Branche spielen. Hierfür gab es auch gute Gründe. Doch im Jahr 2018 begann sich die Situation zu ändern. Heute wird Tinder von der jüngeren Generation massiv abgelehnt. Warum ist das so und welche Alternative wählen Anhänger der Z-Generation für sich selbst? Finden wir es heraus!
Wie und warum Tinder sein Publikum verloren hat
Wie wir bereits erwähnt haben, war 2018 ein Wendepunkt für Tinder. In diesem Jahr beendeten die Entwickler die Möglichkeit, sich auf der Seite ohne Telefonnummer zu registrieren. Einerseits war das eine logische Entscheidung — auf diese Weise konnte die Plattform effektiver gegen Scammer, Bots und Fakes vorgehen. Andererseits waren nicht alle normalen Nutzer bereit, ihre Telefonnummer mit einem Konto in einer Dating-App zu verknüpfen. Das ist auch völlig verständlich.
Die Situation mit den Handynummern war aber nur der Anfang...
Ungefähr zur gleichen Zeit begannen in den Medien Vorwürfe gegen Tinder und Grindr zu kursieren, dass die Apps zur Verbreitung von Syphilis und HIV beitragen würden. Die Medien beriefen sich in ihren Veröffentlichungen meist auf die Daten des Gesundheitsministeriums des kleinen Bundesstaates Rhode Island, die Forschungsergebnisse britischer Wissenschaftler und ungenannter Experten der Vereinten Nationen.
Es ist wichtig, hier festzuhalten, dass es keine expliziten Angaben zu diesen Anschuldigungen gab. Daher liegt der Schluss nahe, dass jemand Anti-Werbung gegen Tinder und Grindr betrieben hat. Obwohl Vertreter der Unternehmen versuchten, all diese unbegründeten Anschuldigungen anzufechten, zeigte dies keine große Wirkung. Die Informationen verbreiteten sich sehr schnell, so dass der Ruf der Dating-Dienste erheblich geschädigt wurde.
Es gibt noch eine weitere wichtige Nuance, die ebenfalls gegen Tinder sprach. Tinder wird seit Jahren als die „One-Night-Stand-Dating-App“ bezeichnet. Dagegen lässt sich leider nur schwer etwas sagen. Zehntausende Tinder-Nutzer zielen überhaupt nicht auf eine ernsthafte und dauerhafte Beziehung ab. Viele sind einfach nur auf der Suche nach neuen Erfahrungen und Intimität ohne Verpflichtungen. Deshalb nimmt die Zahl der ernsthaft interessierten Nutzer von Jahr zu Jahr ab. Dieser Trend scheint sich noch zu verstärken.
Warum das junge Publikum Tinder boykottiert
Derzeit unternimmt Tinder alle möglichen Bemühungen, um ein junges und aktives Publikum anzuziehen. Bisher haben diese Versuche aber nicht viel gebracht. Ende 2021 ist die Zahl der App-Downloads um fünf Prozent gesunken. Dieser negative Trend wird sich wohl auch Ende 2022 fortsetzen. Und womöglich noch mehr...
Gary Svidler, COO und CFO der Match Group (der Muttergesellschaft von Tinder), sagt: „Die Nutzerregistrierungen haben das Niveau von vor der Pandemie nicht wieder erreicht. Neue User zu gewinnen, bleibt eine Herausforderung, für die wir dem Publikum innovative Lösungen anbieten müssen. Nur so können wir den Leuten einen guten Grund geben, zu unserer Dating-App zurückzukehren.“
Trotz alledem nutzen Millennials und andere ältere Generationen Tinder und andere Dating-Dienste immer noch aktiv. Aber nicht die Zoomer. Sie sind ziemlich skeptisch gegenüber dem Format des Online-Datings in seiner üblichen Form und lehnen es größtenteils ab.
Kürzlich hat YouthSight, eine auf die Generation Z spezialisierte Forschungsagentur, eine große Umfrage unter Zoomern durchgeführt, um herauszufinden, was sie über moderne Dating-Anwendungen denken. Die Ergebnisse sind sehr aufschlussreich:
- 90 Prozent der Befragten gaben an, dass sie von Dating-Apps enttäuscht sind;
- 40 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich auch dann glücklich fühlen, wenn sie allein sind;
- mehr als die Hälfte der Befragten halten sich grundsätzlich für nicht sehr beziehungsfreudig.
Aus diesen Daten können wir schließen, dass die jüngere Generation im Prinzip anfälliger für Einsamkeit ist. Das Problem liegt aber nicht nur bei Tinder oder anderen Dating-Anwendungen. Zoomer sind häufig nicht bereit, eine ernsthafte Beziehung einzugehen.
Wie können Partnervermittlungen die junge Generation wirklich anziehen?
Eine der aufsehenerregendsten Aussagen von Tinder-Vertretern in den letzten Jahren war wahrscheinlich, dass das Unternehmen daran arbeitet, sein eigenes Tinderverse-Metaverse zu schaffen. Das Interesse an dem Metaverse ist offensichtlich erwacht, nachdem Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, darüber gesprochen hat. Doch hier stößt Tinder gleich auf mehrere Probleme:
- Es gibt keine klare Vorstellung davon, wie das Tinderverse-Metaverse aussehen wird. Im Jahr 2021 wurde zwar angekündigt, dass daran gearbeitet wird, aber wir haben noch immer keine konkreten Informationen darüber.
- Die Entwicklung des Tinderverse kann sehr lange dauern. Facebook beispielsweise plant nach eigenen Angaben, innerhalb von fünf Jahren 10.000 Personen einzustellen, um an der Entwicklung des Metaverse zu arbeiten. Hat Tinder auch so viel Zeit und Ressourcen? Das ist eine berechtigte Frage.
- Das Publikum (auch die Jungen) versteht immer noch nicht so recht, warum sie im Prinzip Metaversen brauchen. Zusätzlich ist die VR- und AR-Ausrüstung immer noch unverhältnismäßig teuer.
Der durchschnittliche Zoomer entscheidet sich eher für einen vertrauten und verständlichen Online-Videochat als für ein umstrittenes Metaverse, dessen einzige Aufgabe es ist, Geld von den Nutzern zu erpressen.
Apropos Videochat! Von Azar bis Holla
Angesichts der Coronavirus-Pandemie verzeichneten viele Video-Chats seit 2020 einen rasanten Anstieg der Zuschauerzahlen. Auch unter den Zoomern. Der Grund dafür ist nicht nur der Wunsch, mit neuen Leuten zu kommunizieren, sondern auch die Tatsache, dass das Videochat-Format von Bloggern populär gemacht wurde. Für ein junges Publikum sind Influencer immer noch eine wichtige Autorität.
Damit bevorzugt die Generation Z keine „klassischen“ Online-VideoChats, sondern fortschrittlichere und untypischere:
- Azar — eine Anwendung, die erfolgreich die Funktionen eines klassischen Chatrouletts und eines Messengers kombiniert. Zudem gibt es eine Suche nach Personen in der Nähe, wie bei Tinder, was das Kennenlernen stark vereinfacht und es dir ermöglicht, dieses schnell auch offline weiterzuführen.
- CooMeet — ein Video-Chat-Random, der sich vor allem an alleinstehende Männer richtet. Der Dienst hat einen einzigartigen Geschlechtsfilter und verbindet nur Männer mit Frauen. Die Frauen müssen ihrerseits die Kontoangaben bestätigen. CooMeet hat auch einen integrierten Nachrichtenübersetzer, ein unverzichtbares Werkzeug für die Kommunikation mit Ausländern.
- Holla — ein sehr beliebter Videochat mit einer Live-Übertragungsfunktion, bei der die User Zuschauer anlocken können. Wenn du ein aktiver und geselliger Mensch bist, könnte dir dieses Format gefallen.
Das ist nur ein kleiner Teil der Online-Videochats, die heute mehr und mehr die Aufmerksamkeit eines jungen Publikums auf sich ziehen. Es ist wahrscheinlich, dass einige davon in naher Zukunft die klassischen Dating-Apps an Beliebtheit überholen werden. Und bestimmt werden sie den zukünftigen Metaversen ernsthaft Konkurrenz machen.
Zusammenfassung
Es ist offensichtlich, dass trotz der vorübergehenden Erholung während der Pandemie, Tinder und seine Analoga aktuell nicht die besten Zeiten durchmachen. Alle möglichen Innovationen werden die Situation in naher Zukunft wahrscheinlich nicht grundlegend ändern. Junge Menschen bevorzugen zunehmend Online-Videochats und die klassischen Messenger für die Kommunikation. Die ältere Generation ist zwar immer noch recht aktiv, leidet aber häufig unter ihrem eigenen Konservatismus und ihrer mangelnden Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren.
Wird Tinder in ein paar Jahren populär sein? Eher ja als nein. Aber wir sind uns fast zu 100 Prozent sicher, dass die Anwendung nicht zu den Kennzahlen von 2012 bis 2014 zurückkehren kann. Das Format ist einfach veraltet und ohne eine radikale Umgestaltung wird es nicht möglich sein, ein neues großes Publikum zu gewinnen. Natürlich können wir uns irren, doch bisher sieht alles danach aus.
Gastbeitrag