In Internet-Singelbörsen wie Tinder breitet sich eine neuartige Betrugsmasche in rasendem Tempo aus. Aufgrund des sogenannten „Tinder-Trading-Scams“ kam es alleine in Bayern bereits zu hunderten Anzeigen, bei denen es insgesamt sogar um Millionenbeträge ging. Bayerns Justizminister Eisenreich warnt und klärt auf.
In Internet-Singlebörsen und sozialen Netzwerken breitet sich weltweit und in hohem Tempo eine neue Betrugsform aus. Ermittler nennen sie „Tinder-Trading-Scam“. Die Täter sprechen dagegen in verächtlicher Weise von „Pig Butchering" (deutsch: „Schweineschlachten“). Bayerns Justizminister Georg Eisenreich warnt: „Betrüger erschleichen sich Millionen mit perfiden Methoden. Häufig beginnt es mit einem romantischen Match auf Tinder. Erst bauen die Täter eine emotionale Bindung auf. Dann überreden sie ihre Opfer, in Kryptowährungen auf gefälschten Internetseiten zu investieren.“ Am Ende sei alles weg: Sowohl die Liebe als auch das Geld. Allein der bislang bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) angezeigte Gesamtschaden belaufe sich auf etwa 20 Millionen Euro, so der Justiziminister.
Überwiegend männliche Opfer
Die Spur führt dabei häufig nach Asien, wo die neue Cybercrime-Methode in der Corona-Pandemie einen ihrer Ursprünge hatte. „260 Anzeigen auf 230 Plattformen, die seit 2021 bei der ZCB eingegangen sind, haben Bezüge nach China, Hongkong und Südostasien“, erklärt Eisenreich. Im Jahr 2023 sind bereits 55 Anzeigen mit Spuren in diese Länder eingegangen, zwei Geschädigte verloren jeweils mehr als eine Million Euro. „Durchschnittlich beläuft sich der angezeigte Schaden pro Geschädigten auf circa 70.000 Euro. Insbesondere über soziale Netzwerke werden zwar auch weibliche Betroffene von den Tätern kontaktiert, die überwiegende Zahl der Geschädigten ist bislang jedoch männlich“, klärt Eisenreich auf. Der Schaden ist aber nicht nur finanziell groß, auch die psychischen Folgen für die Geschädigten sind dramatisch. „Viele bringen die Tat aus Scham nicht zur Anzeige. Es drohen Depressionen und Angstzustände“, warnt der Justizminister. Teils würden die Täter die Geschädigten sogar in den Suizid treiben. Zwei Opfer habe es dieses Jahr deshalb schon gegeben.
Betrüger schaffen „emotionale Abhängigkeit“
Die bayerische Justiz ist sich dementsprechend der Gefahr bewusst und möchte konsequent gegen diese perfide Form des Finanzbetrugs vorgehen. „Die Scammer nähern sich gezielt Menschen über das Internet an, schaffen eine emotionale Abhängigkeit oder simulieren eine Beziehung, um sie finanziell auszunehmen“, beschreibt Eisenreich das Phänomen. Anders als beim sogenannten „Love Scam“, dem modernen Heiratsschwindel im Internet, würden Betrüger beim „Tinder-Trading-Scam“ aber keine Geldprobleme vortäuschen. Im Gegenteil: „Sie preisen attraktive Aktien- oder Kryptowährungsdeals an und versuchen, ihre Opfer zu eigenen Investments zu verführen“, so der Staatsminister.
Ursprung oftmals in Ostasien
Die Identität der Täter ist aber gefälscht – dabei nutzen sie beispielsweise Fotos von Influencern oder teils auch künstlich generierte Fotos (sog. „Deepfakes“). Die Bekämpfung solcher digitaler Fälschungen wolle man deshalb stärker bekämpfen, unter anderem „da die Hintermänner der Betrugsmasche regelrechte Betrugsfabriken in Südostasien betreiben“, erläutert der Justizminister. „Wenn IP-Adressen in diesen Betrugsfällen ermittelt werden können, stammen diese häufig aus Thailand, Laos, Myanmar oder Kambodscha. Entsprechende Rechtshilfeersuchen sind erfahrungsgemäß schwierig. Unsere Ermittlerinnen und Ermittler versuchen, den Austausch mit den dortigen Behörden zu verstärken“, fährt der Minister fort. Mit der 2015 bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg gegründeten ZCB hat die bayerische Justiz bereits den Verfolgungsdruck auf international agierende Betrugsnetzwerke erhöht.
Hintergrund: Der Tatablauf
Wie verläuft ein „Tinder-Trading-Scam“? Die Täter planen ihre Betrugsmasche im Wesentlichen in drei Phasen – und verhöhnen ihre Opfer dabei in menschenverachtender Weise:
- Phase 1: „Finding the pig" („Ein Schwein finden“)
- Phase 2: „Fattening the pig" („Das Schwein mästen“)
- Phase 3: „Butchering the pig“ („Das Schwein schlachten“).
Hinweis für Betroffene:
Bayern Justizminister Georg Eisenreich rät deshalb Betroffenen: „Schauen Sie online genau hin, wer Sie anschreibt – vor allem wenn die Person nach dem Erstkontakt schnell vom Dating-Portal zu Messenger-Diensten wechseln möchte und nie für ein persönliches Treffen oder ein Videotelefonat zur Verfügung steht.“ Man solle zudem misstrauisch sein, wenn von den Fremden Zahlungen in Kryptowährungen verlangt werden. Zusätzlich gibt er noch einen Tipp: „Mit Internetsuchmaschinen lassen sich Fake-Profile unter Umständen aufdecken.“ Besonders wichtig ist Eisenreich hier, die Täter zur Anzeige zu bringen. Man solle sich nicht schämen, da jeder Opfer dieser Betrugsmasche werden könne. „Selbst Topmanager sind schon auf Tinder-Schwindler hereingefallen", so der Justizminister.
Bayerisches Staatsministerium der Justiz/RNRed