Grausame Geschichten von Verbrechern, die öffentlich hingerichtet wurden und deren erhängte Kadaver noch tagelang den Vorbeikommenden zur Schau gestellt wurde. Diese Strafmethoden sind zum Glück lange her, der Name des Regensburger Stadtteils erinnert aber nach wie vor daran. Wer von der Innenstadt – am Hauptbahnhof vorbei – Richtung Süden geht, erklimmt den Galgenberg.
Heute denkt hier kaum noch jemand an die schrecklichen Ereignisse von damals, alle Zeitzeugen befinden sich schon lange unter der Erde – womöglich sogar gleich nebenan, denn der obere katholische Friedhof sowie der evangelische Zentralfriedhof befinden sich ebenfalls im geschichtsträchtigen Stadtviertel. Heute wohnen gut 11.000 Menschen in dem rund 266 Hektar großen Bezirk, tausende junge Menschen besuchen ihn zu Studienzwecken. Wir nehmen Sie mit auf einen spannenden Rundgang um den Galgenberg, der heute vor allem im Zeichen der Bildung steht, aber auch in Sachen Kultur und Freizeit einiges zu bieten hat.
Strafrecht vergangener Tage
Dieser Fund am Regensburger Donaumarkt war 2013 eine kleine Sensation: Archäologen fanden damals auf dem Areal das Fundament des ältesten bislang bekannten Galgens in Süddeutschland. Während des Mittelalters ließ das Hochgericht hier zahlreiche Straftäter vor den Augen der Öffentlichkeit hinrichten, und oft hingen die Leichen im Anschluss als Abschreckung für längere Zeit am Galgen. Auf diese Weise unterstrich die damals freie Reichsstadt Regensburg die Autorität ihres Gerichts, das befugt war, über Leben und Tod zu entscheiden. Die Zurschaustellung der Verbrecherleichen vor den Stadttoren sollte dem Prestige dienen.
Die Archäologen hatten ein kleines, steinernes Rondell mit einem Zugang freigelegt. Dieses diente im Mittelalter wahrscheinlich als Steinsockel, auf dem der Galgen montiert war. Der einstige Standort auf dem Donaumarkt-Areal war vermutlich ganz bewusst gewählt, denn so MUSSTEN die Menschen einen Blick auf die Gehängten werfen, auch wenn sie mit dem Schiff in die Stadt kamen. Ein weiterer Hinweis auf den mittelalterlichen Charakter des Fundes ist der frühere Name des Donaumarkt-Areals „An der Richterbank“. Da der Galgen außerhalb der Stadtmauern stehen musste, wurde dieser nach der Erweiterung der Stadtbefestigung um 1300 vom Donaumarkt an einen neuen Standort südlich der Altstadt verlegt – auf den Galgenberg. Hier wurde die Hinrichtungsstätte noch bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts genutzt, 1803 wurde sie dann unter Carl Theodor von Dalberg, Kurfürst und Erzbischof von Regensburg, abgerissen.
© Bilddokumentation Stadt Regensburg
Spektakel des Schreckens
In der Staatlichen Bibliothek Regensburg gab es im Dezember 2015 zu dieser Thematik eine spannende Ausstellung. Im Rahmen der erforderlichen Digitalisierung bestimmter Bücher kam es zu einem weiteren spektakulären Fund: In einem Band aus dem 16. Jahrhundert entdeckte ein Mitarbeiter auf der letzten Seite eine handschriftliche Liste von 26 zum Tode verurteilten Personen. Dieses bedeutende kulturgeschichtliche Dokument wurde von Georg Sigismund Hamann erstellt, einem Beisitzer des Regensburger Stadtgerichts. Sorgfältig dokumentierte Hamann, wer während seiner Amtszeit zwischen 1594 und 1606 zum Tode verurteilt wurde und aus welchen Gründen. Die Ausstellung „Spektakel des Schreckens. Todesstrafe im frühneuzeitlichen Regensburg“ gab – basierend auf diesen Aufzeichnungen – einen schonungslosen Einblick in die Strafrechtpraxis jener Zeit. Neben dem Galgen war es beispielsweise üblich, zum Tode verurteilte Straftäter mit glühenden Zangen zu foltern, zu köpfen, zu verbrennen oder in der Donau zu ertränken. Die Liste Hamanns ist ein weiteres wichtiges Kapitel Stadtgeschichte, gerade wenn man bedenkt, dass viele Akten aus dieser Zeit verloren gegangen sind.
Wer heute einen Einblick in die gruselige Vergangenheit Regensburgs gewinnen möchte, kann sich bei einer Führung Deutschlands einzige original erhaltene mittelalterliche Folterkammer im Keller des Alten Rathauses anschauen. Hier wurden „peinliche Befragungen“ (Pein = Schmerz) durchgeführt, um den Angeklagten ein Geständnis zu entlocken. Eine Begehung ist nichts für schwache Nerven, zu sehen sind verschiedenste Folterinstrumente, mit denen vor Jahrhunderten tatsächlich Menschen die Luft abgedreht, die Knochen gebrochen oder die Finger gequetscht wurden. Seit 2006 gehört die städtische Folterkammer in der Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe.
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Der wohl schönste Friedhof der Stadt
Wer auf der Regensburger Friedensstraße unterwegs ist, kommt irgendwann am imposanten Eingangstor des evangelischen Zentralfriedhofs vorbei, über dem in großen Buchstaben geschrieben steht: „Deine Toten sollen leben“. Und in der Tat erinnert außer den Grabsteinen hier nicht wirklich viel an den Tod, ganz im Gegenteil: An einem warmen Tag ist es hier sehr lebhaft. Die 1889 eröffnete Anlage gilt als Perle unter den bayerischen Friedhöfen und wurde damals wie ein englischer Landschaftsgarten angelegt. Mit zahlreichen alten Linden- und Ahornbäumen, wechselnden Kunstausstellungen, Architektur und sogar einem kleinen Café hat das Areal heute einmal mehr die Anmutung eines Parks, hier herrscht alles andere als Totenruhe. Den Abschluss am hinteren Ende des Friedhofs bildet das Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Dörnberg-Mausoleum, welches seit 1981 unter Denkmalschutz steht. Es ist die Privatgruft von Ernst Graf von Dörnberg, das Bauwerk erinnert an frühchristliche Kirchenbauten. Dort wo der Taufstein zu erwarten wäre, befindet sich eine in den Boden eingelassene Familiengruft, in der acht weitere Angehörige der Familie Dörnberg, evangelische wie katholische, bestattet wurden.
Direkt dahinter, auf der anderen Seite der Bischof-Konrad-Straße, schließt sich der neun Hektar große obere katholische Friedhof an, der Teil der Pfarrei St. Emmeram ist. Aufgrund seiner zentralen Lage ist er flächenmäßig zwar nicht der größte Friedhof der Stadt – das ist der städtische Friedhof am Dreifaltigkeitsberg – aber er zählt die meisten Grabstellen. Rund 10.000 Menschen wurden hier am Galgenberg beerdigt.
© Bilddokumentation Stadt Regensburg
Studenten bringen frischen Wind
Weil so viele junge Menschen zum Lernen in die Domstadt kommen, um hier den Grundstein für ihre berufliche Zukunft zu legen, wird Regensburg heute nicht umsonst häufig als Studentenstadt bezeichnet. Der Galgenberg ist eindeutig der Stadtteil, in dem am meisten gelernt und gelehrt wird. Grund dafür ist, dass das Gelände der Universität Regensburg und der Ostbayerischen technischen Hochschule (OTH) etwa ein Drittel des Viertels einnimmt. Seit 1967 beziehungsweise 1971 kann man an den beiden Hochschulen verschiedenste Fächer studieren und dieses Angebot wird Jahr für Jahr mehr genutzt. Im aktuellen Wintersemester sind an der Universität Regensburg 20.753 Studierende eingeschrieben, an der OTH sind es 10.750 Studenten. Die lernwilligen jungen Menschen kommen teilweise aus der ganzen Welt in die Domstadt und sorgen für internationales Flair auf dem Campus.
Eine unfassbare Entwicklung, wenn man bedenkt, dass im Gründungsjahr der Uni Regensburg 1967 gerade einmal 661 Studierende eingeschrieben waren. Auch die Zahl der Fakultäten und des Bildungsangebots hat sich enorm erweitert. Waren es im allerersten Wintersemester noch drei Fakultäten, sind es nach der Gründung der neuen Fakultät für Informatik und Data Science 2020 inzwischen insgesamt zwölf an der Zahl. Der Aufbau der neuen Fakultät war das größte strukturelle Vorhaben der Universität seit dem Aufbau der Medizin vor 30 Jahren. Die Hochschule geht mit der Zeit und passt ihr Angebot immer wieder an den zunehmenden technischen Fortschritt an.
Gleiches gilt für die OTH, eine der größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland mit insgesamt über 50 Studiengängen aus den Bereichen Technik, Wirtschaft, Soziales, Gesundheit, Architektur und Gestaltung. Durch die Kooperation mit hunderten lokalen Unternehmen sind dort auch verschiedenste duale Studiengänge möglich.
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Hundesprechstunde gegen den Stress
Und weil das Studentenleben auch in der schönen Regensburger Altstadt nicht immer nur Party bedeutet, sondern auch sehr anstrengend und fordernd sein kann, hat sich die Uni Regensburg vor einer Weile ein neues Angebot für die Studierenden überlegt. Bei der wöchentlichen Hundesprechstunde kann in lockerer Atmosphäre gespielt, geschmust und gestreichelt werden. Dann kommen nämlich extra ausgebildete Fellnasen auf den Campus, um für interessierte Studierende einen kleinen Ausgleich vom Uni-Alltag zu schaffen und Stress vorzubeugen.
Stadtviertel ist Heimat für die meisten Bücher des Stadt
Die Unibibliothek ist ebenfalls auf dem Campus der Universität zu finden, welcher bekannt für sein besonderes architektonisches Design ist. Das Gelände wurde in vier Bereiche aufgeteilt, für deren Planung damals verschiedene Architektenteams beauftragt wurden. Der deutsche Architekt und Künstler Alexander Freiherr von Branca gewann den Wettbewerb für die Bibliothek an der östlichen Seite des Campus.
Die Entwürfe von Branca waren 1969 fertiggestellt, bis 1972 war der Rohbau bereits abgeschlossen. Die Bibliothek ermöglichte es, verschiedene Teilbibliotheken, die zuvor in den temporären Universitätsgebäuden der Altstadt untergebracht waren, zusammenzuführen. Im Wintersemester 1974/75 wurde die vollständige Bibliothek dann eröffnet. Das Zentralgebäude beherbergt das Foyer, den Katalogsaal, den zentralen Lesesaal und eine Lehrbuchsammlung. Mit etwa vier Millionen Werken ist die Universitätsbibliothek die Heimat der meisten Bücher der Stadt.
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Exotische Pflanzen auf 4,5 Hektar
Neben Fakultäts- und Verwaltungsgebäuden, Bibliothek, Mensa und Rechenzentrum findet sich auf dem Campusgelände auch der Botanische Garten der Universität Regensburg. Damit vor allem die Studierenden von Biologie und Botanik echtes Anschauungsmaterial bekommen, wurde der Garten 1977 in erster Linie zu Forschungszwecken angelegt. Heute tummeln sich hier aber nicht nur mit Zettel und Stift bewaffnete Lernende, sondern auch Einheimische und Touristen, um bei einem Rundgang durch die insgesamt rund 5.000 verschiedenen Pflanzenarten eine kleine botanische Weltreise zu machen. Neben exotischen Pflanzen sind auch einheimische Arten zu finden, die vom Aussterben bedroht sind. Die Besucher lernen beim Flanieren durch den Garten und die Gewächshäuser einiges über seltene Blumen, giftige Blätter und ziemlich „schlaue“ Pflanzen – ein Paradies der Artenvielfalt und gerade im Sommer ein schattenspendender Ort der Ruhe und Entspannung.
Junge Kulturszene trifft auf alte bayerische Tradition
Wer jetzt denkt, der Galgenberg ist heute nur noch zum Lernen da, wird in dem belebten Stadtteil eines Besseren belehrt. Denn egal ob man einen gemütlichen Abend mit Freunden verbringen, Kunst und Kultur genießen oder einen Einkaufsbummel machen möchte. Man muss dafür nicht zwingend in die Regensburger Innenstadt gehen. Das Auditorium Maximum – kurz Audimax – ist als größter Hörsaal der Universität zwar in erster Linie Vorlesungsraum, am Abend oder am Wochenende verwandelt er sich aber regelmäßig in eine gut gebuchte Event- und Konzertlocation. Musical, Oper, Auftritte internationaler Popstars, klassische Symphoniekonzerte bis hin zu bayerischem Kabarett – das Angebot im Audimax ist riesig. Daneben findet sich in der Galgenbergstraße auch schon seit über 30 Jahren ein weiteres wichtiges Kulturzentrum der Stadt, die Alte Mälzerei. Das Gebäude gehörte auch damals schon dem Fürstenhaus Thurn und Taxis an, wo – wie der Name schon vermuten lässt – Malz hergestellt wurde. 1988 wurde dann die Kunst- und Kulturfabrik Alte Mälzerei gegründet, um eine Lücke im kulturellen Angebot der Stadt zu füllen. Ein voller Erfolg, der dazu führte, dass ein paar Jahre später aus der Location ein Kulturzentrum wurde. Seitdem bietet die „Mälze“ Raum für Kulturschaffende aller Art, darunter ein großer Theatersaal, ein Tonstudio und verschiedene Räumlichkeiten für Newcomer-Bands und kreative Gruppen. Sie dient als Veranstaltungsort für Diskussionsrunden, Poetry-Slams, Konzerte, Partys, Workshops und Seminare. Darüber hinaus beheimatet sie Künstlerateliers, in denen bildende Künstler ihrer Kreativität freien Lauf lassen können.
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Neben der modernen Kulturszene kann man es am Galgenberg aber auch ganz traditionell angehen lassen – inklusive urbayerischer Gemütlichkeit. Direkt neben der Alten Mälzerei befindet sich einer der schönsten Biergärten der Stadt. Unter uralten Kastanienbäumen finden hier über 1.000 Besucher Platz und können bei einem kühlen Bier und einer bayerischen Brotzeit die lauen Sommerabende genießen. Und wer Lust auf einen Einkaufsbummel oder Kinobesuch hat, muss nicht mehr weit laufen. Die Regensburg Arcaden und das Cinemaxx sind nur einen Katzensprung entfernt. Der Galgenberg – ein Stadtviertel, in dem man sich – trotz trauriger Vergangenheit – einfach nur wohlfühlen kann.
Jennifer Schaller / filterMagazin