Die Automobilindustrie hat Regensburg und der Oberpfalz Wohlstand und Innovation gebracht. Doch im Zuge der Klimakrise durchläuft der Bereich Automotive eine signifikante Transformation. Wie wird die Zukunft der Automobilindustrie in der Region aussehen und wie kann sich die Region breiter aufstellen, um auch in Zukunft ganz vorne mit dabei zu sein?
Regensburg ist in vielerlei Hinsicht eine attraktive Stadt. Nicht nur ihre fast 2.000-Jahre umfassende Geschichte und wunderschöne Altstadt locken Menschen hierher. Sie ist auch eine der wirtschaftlich stärksten Städte in ganz Deutschland. Viele weltweit führende Unternehmen haben sich in der Region angesiedelt und spülen nicht nur Geld in die Kassen der Gemeinden, sondern schaffen auch Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Das war jedoch nicht immer so. Die Region wurde im 2. Weltkrieg stark bombardiert und wichtige Infrastrukturen wie Straßen und Bahnhöfe zerstört. Bayern war damals sehr landwirtschaftlich geprägt und hatte so gut wie keinerlei Industrie. Im deutschlandweiten Vergleich war das Bundesland wirtschaftlich daher weit abgeschlagen. Die Oberpfalz war noch schlimmer dran. Sie galt bis in die 60er-Jahre als Armenhaus Deutschlands.
Dann kam die Wende
Die Zeiten besserten sich mit der Ansiedlung der ersten Unternehmen wie Siemens und Krones in den 50er Jahren sowie der Maschinenfabrik Reinhausen 1968. Sie schufen nicht nur Arbeitsplätze, sondern machten die Region auch für gut ausgebildete Fachkräfte attraktiv. Maßgeblich trugen auch der Bau der Universität 1967 und der OTH 1971 zur Entwicklung bei, da sie der Bevölkerung einen besseren Bildungsstand ermöglichten und zusätzlich hoch qualifizierte Gelehrte aus anderen Regionen anlockten. Mit BMW kam 1983 die Initialzündung für die Automobilbranche und diese sollte sich zu einer wahren Erfolgsgeschichte entwickeln. Neben BWM siedelten sich auch große und international agierende Zulieferer wie Continental, Vitesco, KRONTEC, Webasto und viele weitere Unternehmen an. Sie alle trugen zum starken wirtschaftlichen Wachstum und dem Wohlstand der Region bei.
Heute rangiert Regensburg mit einem Brutto-Inlandsprodukt von fast 90.000 Euro pro Person unter den Top 10 der wohlhabendsten Städte in Deutschland. Dass die Automobilindustrie dabei den größten Anteil hat, daran zweifelt niemand - konkrete Zahlen gibt es allerdings nicht. Denn Autobauer, Zulieferer, Technologieunternehmen, Kfz-Werkstätten und alles, was sonst noch dazugehört, um ein Automobil zu planen, herzustellen, auszustatten und zu warten, werden in unterschiedlichen Rubriken erfasst. Somit existieren weder genaue Angaben über die Gesamtwirtschaftsleistung noch über Angestellte und Auszubildende. Sicher ist, dass 2023 rund 29.000 Menschen alleine im Fahrzeugbau beschäftigt waren. Kathrin Fuchshuber, CSU Stadträtin mit Schwerpunkt Tourismus, Altstadt und Mobilität, schätzt die Zahl der Beschäftigten in der gesamten Branche sogar auf bis zu 60.000.Das Auto ist in der Region allgegenwärtig und hat nicht zuletzt durch seinen großen Anteil am Wohlstand der Region einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert in der Bevölkerung.
Eine Wirtschaftsmacht bekommt Gegenwind
Doch die Klimakrise zwingt die Branche in eine radikale Transformation. Die Umstellung vom Verbrenner zum Elektromotor brachte weitreichende Veränderungen mit sich. Einige bisher wichtige Tätigkeiten fallen bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen weg. Im Gegenzug dazu werden neue Kompetenzen benötigt und Mitarbeiter müssen umgeschult und weitergebildet werden, um andere Bereiche ausfüllen zu können. All das leisten Betriebe bereits seit Jahren eigenverantwortlich. Schließlich wollen sie auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften. Steigende Energiekosten, stetig neue Auflagen und zunehmender Fachkräftemangel machen den Standort Deutschland jedoch immer kostspieliger und einige Firmen drohen - sofern sie es nicht schon getan haben - ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Zudem bereiten die ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung nicht nur der Industrie, sondern auch vielen Bürgern Kopfzerbrechen. Denn vor allem in den umliegenden Ortschaften, die nicht gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sind, sind die Menschen aufs Auto angewiesen. Und so drängeln sich täglich Tausende in die Innenstadt und tragen ungewollt zur stetig steigenden Überlastung des Straßenverkehrs bei. Eine Lösung muss her. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Die Automobilbranche ist ein unverzichtbarer Leistungsträger in der Region und manche befürchten, dass der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs die Wirtschaftskraft in der Region gefährdet. Doch sind diese Ängste wirklich begründet?
Chancen in Zeiten der Krise
Toni Lautenschläger, Amtsleiter im Amt für Wirtschaft und Wissenschaft der Stadt Regensburg, kann diese Sorgen zerstreuen. Er ist sich sehr wohl bewusst, welchen Stellenwert die Branche für die Stadt hat und versichert, dass dies auch in der Zukunft so bleiben werde. Denn die Automobilindustrie ist nach wie vor ein enorm wichtiger Wirtschaftssektor, der nicht nur Arbeitsplätze und Wohlstand beschert, sondern auch Technologie, Digitalisierung und Innovation vorantreibt, von denen auch andere Sektoren profitieren. Mit BMW hat die Region nicht nur den größten Arbeitgeber am Standort, sondern auch einen Branchenvorreiter, der sich schnell auf die Transformation vom Verbrenner auf den Elektromotor eingestellt hat. „Das BMW-Werk kann in der Linie sowohl Vollelektrische als auch Hybride und Verbrenner der Modelle X1 und X2 sowie iX1 und iX2 bauen und liefert die rund 350.000 Fahrzeuge, die jährlich vom Band gehen, in alle Welt aus“, so der Amtsleiter.
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Aus Unternehmersicht kann auch Philip Gadringer, Geschäftsführer des Porsche Zentrums Regensburg, die neuen Möglichkeiten und den geschaffenen Raum für Innovation, der sich aus der notwendigen Transformation ergibt, klar erkennen. Die Luxusmarke ist seit vielen Jahren in der Donaustadt ansässig und hat hier vor kurzem das modernste Zentrum in ganz Deutschland eröffnet. Der Erfolg der vergangenen Jahrzehnte und die gute Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden waren ausschlaggebend, um wieder in den Standort zu investieren. Dem Umstieg zur E-Mobilität sieht er mit Freude entgegen. Denn auch die Nachfrage nach elektrischen Luxusautos ist groß und spiegelt sich in den erstklassigen Fahrzeugen des Unternehmens wider. „Gerade wir bei der Marke Porsche gehen mit voller Überzeugung in das Thema E-Mobilität und haben mit unserem Taycan und dem Macan E Autos der Zukunft. Wir durften sie mittlerweile sehen und selber testen und sind total begeistert davon. Demnach sehen wir in dieser Herausforderung eine große Chance.“
Auch Dr. Thomas Burger, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion in Regensburg, sieht das so. „Ich glaube, man darf sich keineswegs immer auf das konzentrieren, was wegfällt, sondern auf das Neue, das entsteht. Es ist ein Umstellungsprozess und aus meiner Sicht werden sich gewisse Tätigkeiten verändern. Ich glaube aber nicht, dass für weniger Menschen Arbeit da sein wird. Hier geht es nicht nur um den bloßen Austausch des Verbrennungsmotors durch einen Elektromotor, hier geht es um die Umstellung eines gesamten Fahrzeugsystems mit allen beteiligten Komponenten. Und da sind die Herausforderungen vielfältig, da liegt noch viel Arbeit vor uns und ich bin überzeugt, wir müssen nicht aus Sorge, dass uns die Arbeit ausgeht, nach weiteren Alternativen suchen. Ich glaube, die Herausforderungen werden dafür sorgen, dass sogar mehr zu tun sein wird.“
Kathrin Fuchshuber mahnt jedoch zur Vorsicht: „Die Wirtschaft und hier allen voran die Automobilindustrie ist in den nächsten Jahren einem enormen Restrukturierungsprozess unterworfen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich unsere Unternehmen neu erfinden werden. Doch diese Transformationsprozesse werden zu Investitionen und im Worst Case zu Standortüberprüfungen führen. Deshalb können wir als Kommune die Steuereinnahmen in der Zukunft nicht in der gewohnten Höhe voraussetzen. Ein munter weiter wie bisher wäre unverantwortlich.“ Von der Präsenz der Autoriesen profitiert nicht nur die Region, sondern auch große Zulieferer im Bereich Automobilelektronik oder Softwareentwicklung wie Vitesco, Continental und viele andere. Lautenschläger ist stolz darauf, dass der Anteil am produzierenden Gewerbe mit rund 30 Prozent so hoch ist wie an kaum einem anderen Standort in Deutschland.
Diversifizierung und Innovation als Standbeine für die Zukunft
Synergien zu nutzen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, hatte sich die Stadt Regensburg schon vor vielen Jahren auf die Fahne geschrieben und gezielt auf Clusterpolitik gesetzt. Diese Cluster sind Netzwerke, die Wirtschaft und Wissenschaft miteinander, aber auch Unternehmen untereinander verknüpfen und somit Innovation vorantreiben. Davon profitieren alle, besonders jedoch kleinere Unternehmen, die von den Großen ihrer Branche lernen und sich somit für die Herausforderungen der Zukunft wappnen können. Die Automobilindustrie ist auch hier ein Vorreiter in puncto Innovation. Der stetig wachsende Anteil an Technologie in der Branche ermöglicht zudem Verzahnungen in andere Sektoren. Und dies beflügelt nicht nur bestehende Unternehmen, sondern auch Start-ups.Die TechBase, eine weitere erfolgreiche Initiative der Stadt, ist ein Innovations- und Gründerzentrum im Bereich Technologie, das vielen kreativen Köpfen eine Heimat gibt. Sie versteht sich als agiles Ökosystem für Gründer, Tüftler und Macher, die zusammen auf dem TechCampus an den Unternehmen der Zukunft basteln. Global Player der Tech Industrie am Standort helfen den Start-ups durch Erfahrungsaustausch, sich erfolgreich am Markt zu etablieren. Die Nähe zu Universität und OTH ist dabei kein Zufall, sondern eine weitere Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft, die die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen soll.
Das Konzept scheint aufzugehen und lässt Dr. Burger ins Schwärmen geraten: „Wenn Sie mal zu Veranstaltungen bei der TechBase gehen, das sind Orte voller positiver Energie. Da wird nicht gejammert, da wird nicht gemeckert, was alles nicht geht. Das sind Menschen mit Ideen, die diese auch realisieren wollen, sich Partner und Partnerinnen suchen und Neues erschaffen wollen. Und dieser Spirit am Standort Regensburg, der steckt an solchen Orten wirklich an.“
Wie Marken Transformation, Innovation und Digitalisierung erfolgreich von der Theorie in die Praxis umsetzen, wird im Porschezentrum deutlich. Es geht hier nicht nur um technischen Schnick-Schnack, sondern darum, Kunden einen echten Mehrwert zu bieten. „Das neue Porschezentrum ist ein Raum des Markenerlebnisses“, betont Philip Gadringer. „Wir haben hier deutlich mehr Möglichkeiten, das Thema Digitalisierung zu spielen.“ Und dieser elegante Spielplatz lässt wahrlich Autoträume wahr werden. So können Kunden dank touchfähiger Bildschirme ihre Autos mit allen Optionen konfigurieren und ihr fertig ausgestattetes Wunschfahrzeug interaktiv auf einem Bildschirm erleben. Eine große Videowall versorgt Anwesende ständig mit den neuesten Infos zum Unternehmen und auch das Warten wird angenehmer gestaltet. Großzügige WLAN-Verfügbarkeit und Rückzugsräume ermöglichen den Kunden zu arbeiten, Telefonate zu führen oder einfach in Vorfreude zu schwelgen. Neben all der Digitalisierung kommt jedoch auch die Realität nicht zu kurz, denn das Zentrum verfügt zusätzlich über einen Showroom mit 17 Fahrzeugen, um den Traum auf vier Rädern live und von allen Blickwinkeln betrachten zu können.
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Der Innovation sind also keine Grenzen gesetzt und Unternehmen, die ihre Visionen für die Zukunft nicht nur träumen, sondern auch gestalten und umsetzen möchten, sind in Regensburg herzlich willkommen. Dabei ist dieses neu erfinden, neu gestalten und neu erleben durchaus branchenübergreifend gedacht, denn neben den Platzhirschen der Automobilindustrie sind auch die Bereiche grüne Technologien, Energie, Automatisierung, IT-Sicherheit und Bau am TechCampus vertreten. Was sie alle vereint, ist ihr Weitblick, ihr Fokus auf Innovation und ihr lösungsorientiertes Denken.
Unweit der TechBase befindet sich der BioPark, eine weitere Initiative der Stadt Regensburg und ein Hub für den Bereich Biotechnologie, Medizintechnik, Diagnostik & Analytik sowie der Gesundheitswirtschaft. Das Cluster BioRegio Regensburg beinhaltet derzeit knapp 70 Firmen und fast 6.000 Mitarbeiter sowie drei Laborgebäude mit einer Fläche von insgesamt 18.000 m2 auf dem Gelände der Universität. Somit hat sich auch die Gesundheitsbranche zu einem erfolgreichen Standbein gemausert und die Planungen sind auch hier noch nicht abgeschlossen. Die CSU unterstützt die überaus produktive Clusterstruktur und setzt sich für den weiteren Ausbau des Technologie- und Wissenschaftsstandorts Regensburg ein. Daher befürwortet sie auch eine TechBase 2 und den BioPark IV, um das Regensburger Gründungs- und Innovationsgeschehen weiter zu fördern.
Gemeinsam stark
Die Clusterpolitik hat innerhalb der vergangenen Jahre ein überaus produktives und zukunftsorientiertes Geflecht an Unternehmen geschaffen, das Gedanken- und Ideenaustausch fördert, Entwicklung vorantreibt und dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch der Region wichtige Wettbewerbsvorteile, unter anderem durch Diversifizierung von Industrien, ermöglicht.
Und das schätzen nicht nur die Betriebe, sondern auch die vielen Studierenden der Stadt, die dank der vielfältigen Unternehmensstruktur in der Region keine Probleme haben, gute Jobs zu finden. Auch qualifizierte Mitarbeiter aus anderen Teilen Deutschlands kommen in die Domstadt, um hier ihre beruflichen Träume zu verwirklichen. Somit konnte die Zahl der Fachkräfte in der Stadt Regensburg von 15 Prozent im Jahr 2006 auf 23,2 Prozent im Jahr 2021 gesteigert werden. Für viele Betriebe reicht dies jedoch bei Weitem nicht aus, denn sie haben es immer schwerer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Stefan Brandl, Geschäftsleiter der Innung des Kfz-Gewerbes, bezeichnet die Situation sogar als eklatant. „Wir haben Not, aus den Bewerbern qualifizierte Leute rauszufiltern.“
Die Anforderungen an einen Kfz-Handwerker haben sich in den vergangenen Jahren sehr gewandelt. Da wird nicht mehr nur geschraubt und gelötet wie früher. Die zunehmende Technik in Fahrzeugen bedarf, unter anderem, hoch ausgebildeter Mechatroniker und von denen gibt es viel zu wenige. In ihrer Not versuchen viele Betriebe attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen, um Mitarbeiter ein möglichst angenehmes Umfeld zu ermöglichen. Die Bereitschaft zum Kompromiss ist groß und sogar die 4-Tage-Woche wird hier nicht ausgeschlossen. Um die Automobilindustrie bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern zu unterstützen, wurde die Initiative Transform.R ins Leben gerufen, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wird. Unter dem Motto „Fit für die Zukunft werden“ bieten dabei die Cluster „Mobility & Logistics“ und „Sensorik“ zahlreiche neue Qualifizierungs-, Kooperations- und Vernetzungsangebote zur Sicherung von Fachkräften und fördern gleichzeitig die Nachhaltigkeit in der Region.
Auch Stefan Brandl sieht aller Widrigkeiten zum Trotz positiv in die Zukunft, denn mit seinen 31 Jahren Erfahrung ist er Veränderungen gewohnt. Technische Neuerungen werden mit Fachkompetenz professionell gemeistert. An Eigeninitiative scheitert es also nicht und die Branche ist zweifellos auch in Zukunft noch ein attraktiver Arbeitgeber, der jungen Menschen interessante Perspektiven bietet.
Heute schon an morgen denken
Die Zukunft birgt viele Herausforderungen, aber auch Chancen und Möglichkeiten, durch Innovation und Technologie bessere Produkte zu erzeugen. Im Fokus steht hier grüne Energie, denn ein großer Industriesektor verursacht auch einen enormen CO2-Fußabdruck. Daher hat sich die Stadt vorgenommen, erneuerbare Energien auszubauen und ansässige Unternehmen auf dem Weg zur Energiewende zu unterstützen. Das Ziel ist dabei ebenso mutig wie ambitioniert. Bis 2035 soll Regensburg klimaneutral sein und würde bei Erreichen dieses Vorhabens ein weiteres Mal eine wichtige Vorreiterrolle übernehmen. Alleine ist dieses Vorhaben schwer zu stemmen, daher ist die Stadt vor kurzem der KERL eG (Kommunale Energie Regensburger Land eG) beigetreten, einer Energie-Genossenschaft des Landkreis Regensburg und dessen kreisangehörige Gemeinden unter der Leitung von Landrätin Tanja Schweiger. Die Stadt Regensburg, die mittlerweile 43. Mitglied der Kooperation ist, konzentriert sich darauf, erneuerbare Energieerzeugungsanlagen zu entwickeln, die durch Fotovoltaik, Windkraft und Biogas grünen Strom für die Region und deren ansässige Industrie liefern sollen. Durch diese Kooperation kann die Stadt ihren Bedarf an erneuerbarer Energie decken, die Wertschöpfung bleibt dabei im Landkreis. Also eine Win-win-Situation für beide Partner.
Die Zukunft ist grün
Die Zusammenarbeit mit der KERL ist ein wichtiger Baustein im Regensburger „Green Deal“, denn viele Unternehmen fordern zwischenzeitlich von potenziellen Standorten, ihnen bei der Dekarbonisierung ihrer Betriebe zu helfen. Daher wurde vor kurzem der Bau eines weiteren Solarparks angestoßen. Der Solarpark Regensburg Nord schließt an einen bereits bestehenden Solarpark in Wenzenbach an und soll jährlich rund 7,5 Millionen Kilowatt an grünem Strom erzeugen. Dies entspricht der Versorgung von rund 1.750 Vier-Personen-Haushalten. Grüne Energie ist jedoch nicht nur ein Mittel zum Zweck, um die Energiewende zu schaffen, sondern entwickelt sich auch zu einem neuen Industriezweig. Das Green-Tech Cluster vernetzt grüne Unternehmen mit grünen Technologien, um diesen Bereich zu stärken und weiter auszubauen.Im Hinblick auf zukünftige marktwirtschaftliche Veränderungen und potenzielle Krisen unternimmt die Stadt Regensburg weitere Maßnahmen, um sich breiter aufzustellen. Neben der Automobilbranche hat der Bereich Maschinenbau mit der Maschinenfabrik Rheinhausen Weltmarktführerschaft. Global Player wie Infineon Technologies machen Regenburg außerdem zu einem der drei stärksten deutschen Halbleiterstandorte. Weiter ausgebaut werden sollen zudem krisenresistente Branchen im Bereich der Digitalisierung, Energie und IT-Security.
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Hat das Auto eine Zukunft?
Die Region ist ganz klar bestrebt, verschiedene Standbeine aufzubauen, um dadurch eine Abhängigkeit von der Automobilbranche zu vermeiden. Aber heißt das, dass das Auto in den Augen der Regierenden ausgesorgt hat? „Die individuelle Mobilität ist verbunden mit Freiheit wie keine andere Technologie“, versichert Toni Lautenschläger. „Die Erfolgsgeschichte des Autos hängt sehr stark davon ab, spontan und schnell hinzufahren, wo man sein möchte. Daher glaube ich, dass die Automobilindustrie auch in den nächsten 20 Jahren noch Potenzial hat.“ Die Industrie sieht sich jedoch einem Wandel gegenüber, der mit drei wesentlichen Transformationen einhergeht – Elektrifizierung, Digitalisierung und smarte/autonome Mobilität. Wenn die Stadt das Thema nachhaltige Energien erfolgreich umsetzen kann, wird davon auch die Automobilindustrie am Standort profitieren. Den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sieht Lautenschläger dabei nicht als Problem. „Man wird nicht mehr alles mit dem Auto fahren können und auch nicht müssen. Es macht auch keinen Sinn, dass man kurze Strecken mit dem Auto fährt, denn die großen Vorteile des Automobils spielt man nicht aus, wenn man zwei Kilometer in die Stadt fährt. Wenn wir irgendwann eine freie Mobilität haben, kann jeder das nutzen, was er will.“ Der Plan ist also nicht, das Auto zu verdrängen, sondern Mobilität durch den Ausbau alternativer Verkehrsmittel flexibler, nachhaltiger und individueller zu gestalten. Landrätin Tanja Schweiger sieht die Zukunft in einem umfangreichen Angebot der verschiedenen Verkehrsmittel: „Gemeinsam mit allen Aufgabenträgern gilt es, das Verkehrsnetz sowie die Verkehrsangebote im Landkreis und über die Landkreisgrenzen hinweg zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Durch eine gezielte Förderung von ÖPNV, Schiene und Radverkehr soll den Bürgerinnen und Bürgern eine möglichst echte Alternative zum eigenen Auto für ihre alltäglichen Wege angeboten werden. Um die jeweiligen Stärken der einzelnen Verkehrsträger bestmöglich zu nutzen, rückt insbesondere auch die Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger mehr und mehr in den Fokus.“
Dr. Burger erklärt: „Wichtig ist, dass wir in Mobilität denken. Ich leide immer ein wenig darunter, wenn die einen nur an Auto denken, die anderen nur an Fahrrad und wieder andere vielleicht nur an Bus. Menschen wollen von A nach B und das möglichst komfortabel und einfach. Einfach heißt für mich, ich muss nicht studieren, wie ich verschiedene Mobilitätsträger kombinieren kann, sondern ich bekomme App-gesteuert einen ausgefeilten, optimierten Vorschlag. Und einfach heißt für mich auch, die Linien fahren in endlicher Zeit da hin, wo ich hinmuss. Der Zeitfaktor ist entscheidend.“
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Menschen die Freiheit zu geben, ihr Transportmittel je nach Bedarf auszuwählen, ist das Ziel der Anstrengungen und erfordert ein ganzheitliches Mobilitätskonzept. Dazu gehört für den SPD-Mann ein gut funktionierendes Radroutennetz ebenso wie der Ausbau des ÖPNV inklusive der Stadtbahn, aber auch autonome Fahrzeuge wie die sogenannten People Mover, wo sie denn Sinn machen. Denn das Mobilitätsbedürfnis der Menschen wird sich nicht ändern, das wie jedoch schon.Für Kathrin Fuchshuber erfüllt die geplante Stadtbahn die gestellte Aufgabe nicht und ist nicht bezahlbar. Der Verkehr von morgen müsse aus ihrer Sicht auf flexible und technologieoffene Konzepte setzen. Dazu müsse es eine fundierte, kontinuierliche Analyse geben, um Pendlerströme zu verstehen – die bisherigen „aktuellen“ Zahlen extrapolieren noch Daten aus 2011. Dabei habe unter anderem die E-Bike-Technologie inzwischen den Radverkehr befeuert. Sie denkt an KI gestützte Systeme, die Busse schneller durch die Stadt leiten. Die geplante Regio-S-Bahn sollte das Mobilitätsrückrat für die Pendler werden, die Werksgleise der Industrie könnte man nutzen; Express-Ringbuslinien, die mit autonomen Kleinbus-Shuttles zusammenwirken, könnten vor allem für die Bewohner der Stadtteile attraktive Anbindungen schaffen: „Alle Maßnahmen müssen die Anforderungen im Stadtgebiet und der Region zukunftsweisend einbeziehen.“Diese neue Form des Sich-Fortbewegens kann und wird sich nicht nur auf die Stadt Regensburg beschränken, sondern wird mit der Region gemeinsam geplant und erarbeitet werden.
Zum Thema Mobilität gehört laut Dr. Burger jedoch nicht nur, Menschen und Güter gut voranzubringen, sondern auch den öffentlichen Raum lebenswerter zu gestalten und Flächen, die derzeit unter anderem durch Parkplätze genutzt werden, wieder in echten Lebensraum für die Menschen zu verwandeln.Mobilität in Regensburg und der gesamten Region bietet also noch viel Potenzial nach oben und damit verbunden viel Raum für Innovation, Technologie und Wirtschaftswachstum. Wie die ideale Lösung letztendlich aussieht, darüber wird sicherlich noch viel diskutiert werden.
Kathrin Gnilka | filterMagazin