Heute stach die SEA-EYE 4 aus Tarent, Italien, wieder in See, nachdem sie zuvor für 60 Tage von den italienischen Behörden festgesetzt worden war. Trotz der Klage von Sea-Eye gegen diese Maßnahme und der Entscheidung des Richters, dass die Vorwürfe gegen die Besatzung nicht haltbar seien, steht die endgültige Entscheidung im Hauptverfahren noch aus.
Am 14. Mai 2024 ist die SEA-EYE 4 aus Tarent (Italien) in den Einsatz aufgebrochen. Zuvor hatten die italienischen Behörden das Rettungsschiff für 60 Tage festgesetzt. Das ist die bisher längste Verwaltungshaft gegen ein Seenotrettungsschiff, die aufgrund des sogenannten Piantedosi-Dekrets verhängt wurde. Sea-Eye reichte dagegen Klage ein. Im laufenden Verfahren wurden nach einer ersten mündlichen Verhandlung die Vorwürfe, die Besatzung der SEA-EYE 4 habe die Anweisungen der sogenannten libyschen Küstenwache nicht befolgt, vom zuständigen Richter als nicht erwiesen eingestuft. Die endgültige Entscheidung im Hauptverfahren steht noch aus.
„Dass der zuständige Richter die Vorwürfe, die zu unserer Festsetzung geführt haben, als nicht erwiesen ansieht, zeigt, dass es sich um eine politisch motivierte Maßnahme ohne rechtliche Grundlage handelt. Trotz aller Erschwernisse, die durch die Politik der italienischen Regierung verursacht werden, nehmen wir unsere humanitäre Verantwortung weiter wahr – vor allem dank der tatkräftigen Unterstützung, die wir tagtäglich von privaten und institutionellen Spender*innen sowie Ehren - und Hauptamtlichen an Land und an Bord erhalten!“, betont Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.
Die Situation Geflüchteter ist weiterhin dramatisch
Daniela Klein, Einsatzärztin von German Doctors und zum fünften Mal Teil der Crew auf der SEA-EYE 4, ergänzt: „Seit meinem ersten Einsatz 2021 hat sich die Situation für Menschen, die vor Krieg, Folter, Armut und Vergewaltigung fliehen, nicht verbessert, sondern im Gegenteil erheblich verschärft. Immer häufiger kommt es zu dramatischen Rettungseinsätzen, die zivilen Seenotretter*innen werden mittels behördlicher Maßnahmen in ihrer Tätigkeit massiv eingeschränkt und weiterhin ertrinken Menschen auf dem Mittelmeer. Mein Antrieb und meine Motivation sind daher unverändert: dieser beschämenden und empörenden Politik etwas entgegenzusetzen und als Mitglied der Crew zu helfen, geflüchtete Menschen in Seenot vor dem Ertrinken zu retten und ihnen medizinische Hilfe zukommen zu lassen.“
Seenotretter wehren sich gegen politische Dekrete
Das Anfang 2023 eingeführte Piantedosi-Dekret erschwert die Arbeit der zivilen Seenotrettung massiv. Beispielsweise schreibt es Rettungsschiffen vor, nach einem Einsatz direkt einen vorgegebenen Hafen anzusteuern und keinem weiteren Notruf zu folgen. Angebliche Zuwiderhandlungen werden mit Bußgeldern und Festsetzungen sanktioniert. Als Begründung für die Festsetzung der SEA-EYE 4 im März 2024 führten die italienischen Behörden an, dass das Schiff am 7. März den Anweisungen der sogenannten libyschen Küstenwache, die mit Waffen auf das Einsatzboot zielte, nicht Folge leistete und Schutzsuchende nicht an diese übergab. Die SEA-EYE 4 hatte bei dem Einsatz insgesamt 84 Menschen aus Seenot gerettet. Erst im Februar dieses Jahres hatte das oberste Berufungsgericht Italiens die Übergabe von Menschen an die sogenannte libysche Küstenwache als Straftat eingestuft, da das Bürgerkriegsland Libyen aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Sklaverei, Vergewaltigungen und willkürlichen Hinrichtungen kein sicherer Ort sei.
Das Dekret hatte bereits die Festsetzung zahlreicher Seenotrettungsschiffe zur Folge. Gleichzeitig sind allein 2024 laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bislang über 730 Menschen im Mittelmeer ertrunken oder verschwunden.
Sea-Eye e. V. | RNRed