Der Begriff Hanf ist aus aktuellem Anlass natürlich in aller Munde. Doch abseits der Legalisierung von Cannabis gibt es auch Hanf-Produkte, die keine so ausschweifenden Diskussionen auslösen wie der „Bubatz “ (Jugendsprache für Joint) und doch einen genaueren Blick wert sind. Eines dieser Produkte sind Hanfsamen.
In der Welt der Superfoods gibt es ja bekanntlich viele Stars – von der Acaibeere über die Gojibeere bis hin zu Chiasamen. Hanfsamen hingegen scheinen noch weitgehend unbekannt zu sein. Grund genug, die heimlichen Helden ins Rampenlicht zu rücken. Sie sind nämlich nicht nur eine gute pflanzliche Eiweißquelle, sondern überzeugen auch durch verschiedene Vitamine und Mineralstoffe.
Zur Herstellung von Rausch- und Arzneimitteln werden übrigens die Blätter und Blüten, nicht die Samen, genutzt. Aus den Samen wiederum kann zum Beispiel auch Hanföl (aufgrund der Hitzeempfindlichkeit nur kalt verwenden!) gepresst werden, aus den Fasern können Seile hergestellt werden. Eines ist klar: Bei Hanf handelt es sich um eine Kulturpflanze, die nicht nur eine lange Tradition aufweist, sondern auch vielseitig verwendet wird.
Fun-Fact
Obwohl Hanfsamen selbst von Natur aus kein THC enthalten, ist es dennoch möglich, dass bei der Ernte die Samen mit anderen Pflanzenteilen wie etwa den Blüten, Blättern oder Stängeln – die wiederum einen höheren THC-Anteil haben – in Berührung kommen. So kann es vorkommen, dass sich THC in nachweisbaren Mengen in Hanfsamen und anderen daraus produzierten Lebensmitteln befindet.Aus diesem Grund und auch um etwa Belastungen mit Pestiziden zu vermeiden, sollte bei Hanfsamen auf Bio-Qualität und auf die Herkunft geachtet werden. Gerade importierte Hanf-Produkte sind häufig mit Pestiziden oder auch Schwermetallen wie Blei und Cadmium belastet.
Pflanzliche Proteinquelle und Vitaminbombe
Prall gefüllt mit Proteinen liefern Hanfsamen – ähnlich wie Sesam oder Leinsamen – auch wichtige Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren. Dank hoher Gehalte an essenzieller Linol- und Alpha-Linolensäure stehen Omega-3 und -6 in den kleinen Super-Samen in einem sehr guten Verhältnis zueinander. Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt ein Verhältnis von 5:1 (Omega-6 zu Omega-3). Da der Speiseplan in Deutschland jedoch meist deutlich mehr Omega-6-Fettsäuren enthält, sollte man vermehrt Lebensmittel konsumieren, die einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren aufweisen.
Es gilt die allgemeine Empfehlung, mehr ungesättigte Fettsäuren zu sich zu nehmen als gesättigte. Man unterscheidet in einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Ein bekanntes Beispiel für einfach ungesättigte ist die Ölsäure, die in Olivenöl, Avocadoöl und Erdnussöl enthalten ist. Zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren gehören Omega-3-Fettsäuren (wie Alpha-Linolensäure, Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure), die in fettem Fisch wie Lachs, Makrele und Sardinen sowie in Leinsamen, Chiasamen und Walnüssen vorkommen. Auch Omega-6-Fettsäuren wie Linolsäure zählen zu den mehrfach ungesättigten. Diese finden sich in Pflanzenölen wie Sonnenblumenöl, Maisöl und Sojaöl wieder.
Laut DGE können ungesättigte Fettsäuren zum Beispiel den Cholesterolspiegel senken und die Blutdruckregulation unterstützen. Das Immunsystem und Entzündungsreaktionen können ebenfalls positiv beeinflusst werden.
Hanfsamen versorgen den Körper zudem mit wichtigen Vitaminen wie etwa B-Vitamine und Vitamin E, aber auch mit Mineralstoffen wie Calcium, Magnesium und Eisen. Je nachdem, ob sie geschält sind oder nicht, weisen sie darüber hinaus einen hohen Ballaststoffgehalt auf – unser Darm wird uns daher besonders den Genuss der ungeschälten Samen danken. Ein regelmäßiger Verzehr von Ballaststoffen kann laut DGE nämlich bei Beschwerden wie Verstopfung oder Hämorrhoiden helfen. Eine hohe Ballaststoffzufuhr – besonders von Vollkornprodukten – kann übrigens auch der Entstehung von Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Fettstoffwechselstörungen und Dickdarmkrebs vorbeugen.
Kein THC – kein Rausch
In der Werbung wird Hanf nicht nur als Superfood beschrieben, sondern es wird auch bewusst mit Klischees rund um die berühmte Hanfpflanze gespielt. All diejenigen, die sich eine euphorisierende Wirkung beim Genuss von Hanfsamen erhoffen, müssen wir an dieser Stelle allerdings enttäuschen: Hanfsamen machen nicht high. Sie stammen zwar von der sogenannten Cannabis-Sativa-Pflanze ab, enthalten jedoch kaum THC – das ist die Substanz, die im Falle von Cannabis für den Rausch sorgt. Fehlt also THC, gibt es auch keine berauschende Wirkung.
Fancy Topping für echte Foodies
Ein weiterer Grund, warum Hanfsamen durchaus als Superhelden der Küche bezeichnet werden können und echte Foodies sie auf jeden Fall kennen sollten, ist ihre Wandlungsfähigkeit. So können wir diese roh snacken, sie unseren gesunden Smoothies hinzufügen, in Backwaren verarbeiten oder einfach als fancy Topping über unser Frühstück oder unseren Salat streuen. Tipp: Auf dem Salat machen sich geröstete Hanfsamen besonders gut. Hierfür die ungeschälte Variante kurz anrösten und darüberstreuen.
Gesundes Protein-Frühstück
Nicht nur Fitness-Influencer toppen sämtliche Snack- und Frühstücksbowls mit Hanfsamen, sondern wir jetzt auch. Für ein schnelles Protein-Frühstück einfach Haferflocken in eine Schüssel geben, mit heißem Wasser übergießen und zwei Minuten quellen lassen. Dann einen Scoop des liebsten Proteinpulvers untermischen – hier muss man durchaus etwas rühren. Eine halbe Banane mit der Gabel zerdrücken und mit in die Masse geben. Mit dem Rest der Banane, frischen Beeren und Nüssen toppen. Am Ende etwas Erdnussbutter auf der Frühstücksbowl verteilen und unsere Hanfsamen darüber streuen. Und voilà haben wir uns ein einfaches, leckeres Frühstück mit gesunden, vollwertigen Zutaten gezaubert.
P.S.: Wer kein Proteinpulver nutzen möchte, kann auch warme Milch oder eine Milchalternative über die Haferflocken schütten und ziehen lassen. Liefert weniger Proteine, aber aufgrund der Haferflocken, der Hanfsamen und der Erdnussbutter können wir es durchaus noch als proteinreiches Frühstück zählen lassen.
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Ob süß oder deftig, Hanfsamen passen sich mit ihrem leicht süßen, nussigen Geschmack harmonisch ihrer Umgebung an und verleihen jedem Gericht nicht nur gesundheitlich, sondern auch geschmacklich das gewisse Etwas.
Trendy Superfood oder totale Mogelpackung?
Nun kennen wir die gesundheitlichen und geschmacklichen Vorteile unseres „Supersamen“. Mittlerweile dürfte jedoch auch allgemein bekannt sein, dass die Erreichung des Status Superfood oder Superseed die Lebensmittel preislich in die Höhe schießen lässt. So ist Superfood häufig deutlich teurer als vergleichbare Produkte. Die Marketing-Maschinerien laufen hier auf Hochtouren, den Käufer:innen wird suggeriert, dass sie dieses Produkt unbedingt brauchen, um ihren Körper gesund zu halten. Ganz so ist es aber nicht. Obwohl die meisten Superfoods wie auch Hanfsamen tatsächlich wichtige Vitamine sowie Mineralstoffe liefern und den Körper mit pflanzlichen Proteinen versorgen, bieten etwa Leinsamen bei einer ähnlichen Kalorienmenge pro 100 Gramm sogar mehr Protein und Ballaststoffe als Hanfsamen. Auch in Bezug auf Omega-3-Fettsäuren gehen Leinsamen als klarer Gewinner hervor. Leinsamen sind zwar vielleicht weniger sexy, weisen aber gesundheitlich betrachtet mindestens genauso viele gesundheitliche Vorteile auf.
Das muss nun aber auch nicht bedeuten, Hanfsamen sofort wieder von der Einkaufsliste zu streichen. Für diejenigen, die gerne neue Sachen ausprobieren, für die sind Superseeds eine leckere Alternative, um Gerichte zu pimpen und ihnen eine neue Geschmacksnote zu verleihen. Denn insbesondere in Bezug auf den Geschmack unterscheidet sich das nussig-süßliche Aroma von Hanfsamen ganz deutlich von dem der Leinsamen.
Mit den Marketing-Maschen im Hinterkopf wechseln wir als mündige Konsument:innen also bewusst zwischen unseren geliebten Superfoods und Alternativen wie Leinsamen ab. Schließlich ist es die Vielfalt an gesunden, vollwertigen Lebensmitteln, die auch unser Darm so liebt. Übrigens gilt nicht nur für Samen, sondern auch für Gemüse, Obst und Kräuter: Je vielseitiger und abwechslungsreicher, desto besser. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Marina Triebswetter | filterVERLAG